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- DAZ 26/2009
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Medizin
Was steckt eigentlich hinter … akuten Ohrenschmerzen?
Otitis media.
Am besten bekannt sind wohl die Ohrenschmerzen in Folge eines Schnupfens: Wenn die Nase zugeschwollen ist, staut sich das Sekret der Mittelohrschleimhaut und es bildet sich ein Paukenerguss, der schmerzhaft auf das Trommelfell drückt. Weil das kindliche Immunsystem noch nicht voll entwickelt ist, leiden Kinder besonders häufig unter Infektionskrankheiten. Die Otitis media acuta (akute Mittelohrentzündung) ist bei Kleinkindern und Kindern aber auch deswegen so häufig, weil die kindliche Ohrtrompete noch kurz und weit ist: Krankheitserreger gelangen so leicht vom Nasenrachenraum zum Mittelohr. Die Mittelohrschleimhaut und das Trommelfell entzünden sich und die geschwollenen Schleimhäute sondern ein eitriges Sekret ab, durch dessen Druck sich das Trommelfell in den Gehörgang wölbt. Im Laufe der Entzündung kommt es zu einer Perforation des Trommelfells. Das ist daran zu erkennen, dass die Schmerzen plötzlich nachlassen und eitrige Flüssigkeit aus dem Ohr läuft. Häufige Mittelohrentzündungen können in eine chronische Form übergehen (Otitis media chronica) und durch einen dauerhaften Trommelfellschaden zu Schwerhörigkeit führen.
Angina.
Aber nicht nur Entzündungen im Ohr sind schmerzhaft. Bereits normale Halsschmerzen strahlen bis zu den Ohren aus. Vor allem Kinder haben oft eine Angina, z. B. eine Streptokokkenangina. Wenn die Schmerzen auf einer Seite besonders zunehmen, kann sich an einer Mandel ein Abszess gebildet haben. Dieser Peritonsillarabszess sollte von einem HNOArzt geöffnet werden.
Parotitis.
Auch eine Ohrspeicheldrüsenentzündung löst Schmerzen am und im Ohr aus und sorgt durch die Schwellung der Glandula parotis für eine dicke Backe. Bekanntestes Beispiel ist Mumps (Parotitis epidemica). Dank der Schutzimpfung ist die Kinderkrankheit heute selten. Allerdings entzündet sich die Ohrspeicheldrüse auch, wenn ein Speichelstein stecken bleibt. Die kleinen Steine aus Calciumphosphat und -carbonat treten vor allem bei älteren Personen auf.
Bade-Otitis.
Bei Erwachsenen und Jugendlichen steht bei Ohrenschmerzen an erster Stelle die Bade-Otitis (das "Schwimmerohr"): Badegewässer sind im Sommer oft mit Bakterien verunreinigt. Im Wasser weicht die Haut des Gehörgangs auf. Dadurch ist die Hautbarriere geschwächt und Bakterien können leicht eindringen und zur Otitis externa acuta (Entzündung des äußeren Gehörgangs) führen. Zieht man am Ohrläppchen, nehmen die Schmerzen zu. Zur Behandlung werden antibiotische Otologika eingesetzt, eventuell mit Zusatz von Cortison.
Ohrmuschelentzündung.
Nicht nur der Gehörgang, auch die Ohrmuschel kann sich entzünden. Sichtbares Zeichen ist ein gerötetes und geschwollenes Ohr, das bereits bei kleinster Berührung schmerzt. Befallen Bakterien die Ohrknorpelhaut, wie bei der Perichondritis, kann sich die Ohrmuschel sogar dauerhaft verformen. Die Behandlung erfolgt systemisch mit Antibiotika (Ciprofloxacin), und Glucocorticoiden, z. B. Methylprednisolon, lokal mit antibiotika- oder corticoidhaltigen Salben. Greift die Infektion auf die Unterhaut der Ohrmuschel über, entsteht ein Erysipel (Wundrose). Im Gegensatz zur Perichondritis sind auch knorpelfreie Bereiche wie Ohrläppchen und Gesichtshaut betroffen. Die Behandlung erfolgt meist parenteral mit einem Antibiotikum.
Kiefergelenkarthrose.
Wenn das Kauen zunehmend vor und im Ohr schmerzt, kann die Ursache eine Kiefergelenkarthrose sein. Zur Entlastung des abgenutzten Gelenks passt der Kieferorthopäde Schienen an, die auf die Zahnreihen gesetzt werden. Kiefergelenkoperationen sind kompliziert und bieten nur mäßige Heilungschancen. Die oromandibuläre Dysfunktion verursacht ähnliche Beschwerden wie die Arthrose, hat aber andere Ursachen: Sie gilt als somatoforme Störung, die durch Stress oder psychische Belastung verursacht wird. Daher sind Entspannungsverfahren in der Therapie sehr wichtig.
Trommelfellruptur.
Ein plötzlicher, stechender Ohrschmerz mit folgender Schwerhörigkeit deutet auf eine Trommelfellruptur hin. Ursachen sind meist starke Druckschwankungen wie das Barotrauma: Beim Tauchabstieg oder bei der Flugzeuglandung entsteht ein Unterdruck im Mittelohr, weil der Druckausgleich im Ohr z. B. erkältungsbedingt nicht möglich ist. Das Trommelfell wird ins Mittelohr gesogen und reißt. Kleine Risse im Trommelfell heilen normalerweise von selbst. Wenn nicht, wird der Defekt mit einer Folie abgedeckt (Trommelfellschienung) oder mit körpereigenem Material verschlossen (Myringoplastik). Solange die Verletzung nicht abgeheilt ist, können Bakterien über den Gehörgang eindringen und eine Mittelohrentzündung verursachen. Ohrentropfen oder -spülungen gefährden das Innenohr und sind daher bei einem Trommelfellriss kontraindiziert.
Neuralgien.
Heftige Schmerzen und Missempfindungen im Ohr und seiner Umgebung können durch Varicella-Zoster-Viren ausgelöst werden. Sie breiten sich entlang des Nervus facialis (Gesichtsnervs) und des Nervus vestibulocochlearis (Hör- und Gleichgewichtsnervs) aus und verursachen einen Zoster oticus (Gürtelrose im Ohr). Das Ekzem ist durch die Lokalisation am oder im Ohr schwer auszumachen und tritt oft erst einige Tage nach den anderen Symptomen auf. Nicht zu übersehen ist dagegen eine Fazialisparese: Die Gesichtsmuskulatur ist auf einer Seite gelähmt, das Gesicht asymmetrisch verzogen. Um das Risiko für Folgeschäden wie die Post-Zoster-Neuralgie oder zurückbleibende Lähmungen zu senken, sollte der Zoster oticus möglichst frühzeitig mit Virustatika behandelt werden.
Neuralgien sind extrem zermürbend und im Gesichtsbereich nahezu unerträglich. Neben der Post-Zoster-Neuralgie ist die Trigeminusneuralgie sehr häufig, seltener sind Neuralgien des Nervus glossopharyngeus (Zungen-Schlund-Nervs) oder der Nerven des Hinterkopfes. Normale Schmerzmittel wirken nicht, dafür helfen Antiepileptika wie Carbamazepin.
Beschwerdebild | Was steckt dahinter? |
Heftig stechende, pulsierende oder klopfende Ohrenschmerzen
• Meist Fieber, oft Schnupfen
• Evtl. Ausfluss von Sekret | Otitis media acuta (Mittelohrentzündung); Komplikation: Mastoiditis (Entzündung des Warzenfortsatzes hinter dem Ohr) |
Stechende Ohren- und Halsschmerzen, vor allem beim Schlucken; mit Fieber
• Starkes Krankheitsgefühl
• Geschwollene Lymphknoten im Kieferwinkel
• Selten: Atemnot | • Angina (Mandelentzündung)
• Bei Kindern, selten: Epiglottitis (Kehldeckelentzündung) |
Ohrdruck und (meist) leichtes Ohrstechen mit Schwerhörigkeit bei Erkältung mit verstopfter Nase und Knacken im Ohr beim Schlucken | Tubenkatarrh (Akute Tubenbelüftungsstörung) |
Ziehender oder stechender Ohrschmerz und Ohrdruck mit dumpfem Höreindruck
• Oft Wundgefühl im oberen Rachen
• Manchmal blutige oder borkige Absonderungen | • Pharyngitis
• Selten: Tumoren in Nase |
Schmerzhafter, beidseitiger Ohrdruck mit Schwerhörigkeit durch Druckunterschiede | Unterdruck im Mittelohr (z. B. im Flugzeug oder beim Tauchen) |
Jucken, Druckgefühl und/oder leichte Ohrenschmerzen mit "Hören wie durch Watte"
• Oft häufige Ohrsäuberungsaktionen wegen
• Evtl. Ohrgeräusche, Schwindel | Verschluss des Gehörgangs durch • Cerumen obturans
• Fremdkörper im Gehörgang, |
Plötzlicher, stechender Ohrschmerz mit Schwerhörigkeit
• Hohles Gefühl oder Taubheitsgefühl
• Oft Ohrgeräusche, Schwindel | Trommelfellruptur durch • Direkte Verletzung,
• Barotrauma |
Schmerzen u. Jucken im Ohr, oft übelriechender, schmieriger Ausfluss, häufig nach dem Schwimmen • Bei Zug am Ohrläppchen nehmen Schmerzen zu
• Schwellung und Krusten im äußeren Gehörgang | Otitis externa acuta (Gehörgangsentzündung), z. B. als Bade-Otitis ("Schwimmerohr") |
Hochschmerzhafte Schwellung und Rötung der Ohrmuschel ohne Fieber • Meist nach Verletzungen oder Insektenstichen | Perichondritis (akute bakterielle Entzündung der Ohrknorpelhaut) |
Schmerzhafte Schwellung der Ohrmuschel und scharf abgegrenzte Rötung mit Fieber • Ohrläppchen und Gesichtshaut oft einbezogen | Erysipel (Wundrose) an der Ohrmuschel |
Knötchen am oberen Ohrmuschelrand bei älteren Männern, berührungsschmerzhaft, oft verkrustet | Chondrodermatitis nodularis. Unbekannte Ätiologie |
Schmerzhafte Schwellung und Rötung der Gehörgangsöffnung | Furunkel im Gehörgang |
Starke, brennende oder ziehende Schmerzen,
• Oft gleichzeitig Fazialisparese (Gesichtslähmung)
• Evtl. Schwindel, Schwerhörigkeit | Zoster oticus (Gürtelrose im Versorgungsgebiet des Nervus facialis und Nervus vestibulocochlearis) |
Schmerzen vor und im Ohr
• Oft verstärkt durch Kauen oder Zähneknirschen | • Kiefergelenkarthrose
• Oromandibuläre Dysfunktion |
Schmerzen vor und im Ohr mit Schwellung der
Wange, evtl. Fieber | Ohrspeicheldrüsenentzündung, z. B. durch Mumps oder Speichelsteine |
Blitzartig einschießende, einseitige, stärkste Schmerzen in Ohr und Gesicht
• Auslöser oft Kauen, Sprechen oder Gähnen
• Dauer einige Sekunden bis zu zwei Minuten | Neuropathische Schmerzen, z. B. • Trigeminusneuralgie
• Glossopharyngeusneuralgie
• Okzipitalisneuralgie |
Quelle
Diener HC, Putzki N (Hrsg.): Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, 4. Aufl. 2008.
Probst R et al (Hrsg.): Hals-NasenOhren-Heilkunde, 3. Aufl. 2008.
Schäffler A (Hrsg.): Gesundheit heute, Knaur, München. 2. Aufl. 2009.
Schäffler & Kollegen, Augsburg
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