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Arzneimittel und Therapie
Verblüffende Wirkung von Propranolol
Hämangiome sind keine seltenen Störungen: Die Häufigkeit im Kindesalter wird mit etwa 3% angegeben. Bei Frühgeborenen liegen die Schätzungen bei 10%. Hämangiome können in unterschiedliche Formen unterteilt werden: lokalisierte Hämangiome, segmentale Hämangiome, nicht determinierte Hämangiome sowie abortive Formen. Die mit Abstand größte Gruppe sind die lokalisierten Hämangiome. Sie werden als gutartige Tumoren des Gefäßendothels definiert, die von einem zentralen Fokus ausgehen. Sie erscheinen meist oberflächlich und rundlich und stellen fast 90% aller Hämangiome. Sie sind häufig bei der Geburt noch nicht oder nur kaum sichtbar, beginnen dann aber unterschiedlich schnell zu wachsen und können im Verlauf der ersten Lebensmonate eine beträchtliche Größe erreichen. Auch wenn sie oberflächlich erscheinen, haben sie doch alle auch einen mehr oder weniger tiefliegenden Anteil. Sie bilden sich zwar größtenteils im Verlauf von Monaten wieder spontan zurück, je nach Lokalisation und Wachstumsgeschwindigkeit können sie aber unterschiedliche Probleme verursachen. Bisher werden ausgedehnte Hämangiome vor allem mit Prednisolon behandelt, wenn nicht sogar der Hautlaser zum Einsatz kommt. Ersteres ist für die Kinder mit den unerwünschten Wirkungen einer Steroidtherapie verbunden, zweites häufig mit Schmerzen. Ein Zufall hat jetzt in Frankreich eine ganz neue Behandlungsmethode hervorgebracht: In Bordeaux behandelten die Pädiater des Universitätskrankenhauses ein Kind mit einem ausgedehnten Hämangiom im Nasenbereich. Zur Anwendung kam das gebräuchliche Prednisolon. Dieses Kind entwickelte dann zusätzlich eine hypertrophe Kardiomyopathie, gegen welche es zusätzlich den Betablocker Propranolol erhielt. Bereits einen Tag später fiel auf, dass das Hämangiom blasser und kleiner wurde. Diese erstaunliche Besserung hielt auch nach Beendigung der Prednisolontherapie an und das Hämangiom bildete sich schließlich fast völlig wieder zurück. In der Folgezeit wurden ausgedehnte entstellende Hämangiome bei zehn weiteren Kindern hervorragend erfolgreich mit Propranolol behandelt. Die Ergebnisse ihres Fundes publizierte die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Alain Taieb im New England Journal of Medicine (N England J Med 358: 24 2649-2651 [2008]). An der Heilbronner SLK-Klinik konnten die Heilungen dann unter Leitung von Prof. Dr. W. Kachel bestätigt werden. Ansprechpartnerin in dieser Klinik ist Dr. Christina Kosel (Christina. Kosel@slk-kliniken.de).
Ist der Auslöser ein Beta-2-Sympathomimetikum?
Als Ursache der Hämangiome ist der Wirkstoff Fenoterol in Verdacht geraten, der auch zur Hemmung frühzeitiger Wehen und Verhinderung von Frühgeburten eingesetzt wird. Das würde erklären, warum die Hautveränderungen bei Frühgeborenen dreimal häufiger auftreten als bei Reifgeborenen. Das Beta-2-Sympathomimetikum Fenoterol hat unter anderem auch einen gefäßerweiternden Effekt und Propranolol als Betablocker stellt den direkten Gegenspieler dar. Die Ergebnisse geben zu der berechtigten Hoffnung Anlass, dass die Propranololbehandlung, wenn sie so früh wie möglich begonnen wird, künftig praktisch die bisherige Behandlung mit Prednisolon (und in vielen Fällen möglicherweise auch eine Laserbehandlung) ersetzen könnte. Ausschlusskriterien für eine solche Therapie sind obstruktive Bronchitis bzw. Asthma bronchiale sowie angeborene Herzfehler bei den Kindern mit der Kontraindikation einer Betablockertherapie, Herzrhythmusstörungen und Störung der Blutzuckerregulation oder Hypoglykämien. Möglich ist eine Propranololtherapie bei Früh- und Neugeborenen mit flächigen Hämangiomarten im Gesichtsbereich ab dem Alter von 33 Schwangerschaftswochen bis zum 6. Lebensmonat.
Viele Erfahrungen mit Propranolol bei Kindern
Propranolol ist allerdings für eine Behandlung von Hämangiomen bisher nicht zugelassen. Für diese Off-label-Therapie müssen Eltern – nach einem ausführlichen Aufklärungsgespräch durch den Arzt – vor Therapiebeginn schriftlich ihre Zustimmung geben. Der Beta-2-Blocker Propranolol ist in der Kinderkardiologie seit vielen Jahren bekannt. Für diesen Arzneistoff liegen im Vergleich mit den anderen Betablockern mit Abstand die meisten kinderkardiologischen Erfahrungen vor: die Kardiologen gehen davon aus, dass bei der empfohlenen Dosierung von 2 mg/kg Körpergewicht/Tag, verteilt auf drei Dosen (am 1. Tag Beginn mit 1 mg/kg Körpergewicht/Tag verteilt auf drei Dosen, dann ab 2. Tag 2 mg/kg Körpergewicht/Tag, verteilt auf drei Dosen, gewichtsadaptiert bis zum Behandlungsende) nicht mit unerwünschten Wirkungen zu rechnen ist. Die Therapie sollte so früh wie möglich begonnen werden und über einen Zeitraum von drei bis vier Monaten durchgeführt werden, auch bis zu sechs Monate sind möglich. Für die oft schon nach wenigen Tagen einsetzende Erweichung des Hämangioms wird eine Vasokonstriktion in den kapillären Gefäßen verantwortlich gemacht. Außerdem wird die Hemmung der Genexpression bestimmter Wachstumsfaktoren (vascular fibroblast growth factor [VEGF] und basic fibroblast growth factor [BFGF]) sowie die Förderung der Apoptose in Endothelzellen diskutiert.
Quelle
Cremer, H.; Kachel, W.; Kosel, C.: Propranolol in der Behandlung problematischer Hämangiome. Kinder- und Jugendarzt, 40. Jg. (2009) 7.
Cremer, H.: Hämangiome. Klassifizierung und Therapie-Empfehlungen. pädiatrie hautnah (2009) 2, 133–146.
Andrea Lubliner
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