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Feuilleton
Naturstoffe – Molekulare Spielkarten
Das vorliegende Buch ist mehr als das Nebenprodukt eines der Forschung und Lehre in der Pharmazeutischen Chemie gewidmeten Lebens. Es ist eine Art Vermächtnis: Zu seinem 80. Geburtstag präsentiert der Emeritus Hermann J. Roth 80 Grafiken zum Thema "Molekulare Ästhetik von Natur- und Arzneistoffen" zum Preis von 80 Euro.
Was hat Ästhetik mit Chemie zu tun? Um in Vorlesungen und Vorträgen die molekulare Struktur von Wirkstoffen zu verdeutlichen und ihre Strichformeln möglichst leicht erlernbar darzustellen, gliederte Roth sie in ihre Bauteile, unterlegte sie mit geometrischen Figuren oder Objekten aus der belebten Natur und kolorierte sie. Mithilfe von Zeichenstift, Radierplatte und später auch von geeigneten Computerprogrammen schuf er Grafiken mit einem eigentümlichen ästhetischen Reiz, die den Laien beeindrucken, dem Fachmann das Altbekannte in einer neuartigen Sichtweise zeigen und dem Studierenden helfen, die Formeln besser zu verstehen und sie sich leichter einzuprägen.
In diesem Buch geht es speziell um Moleküle mit Dreh- oder Punktsymmetrie. Roth hat dafür den Terminus "Spielkartensymmetrie" geschaffen; im Jahr 1972 hat er ihn in einem Vortrag über "Natürliche Wirkstoffe unwahrscheinlicher bis extravaganter Konstitution" erstmals öffentlich gebraucht und darauf in der Deutschen Apotheker Zeitung publiziert. Es folgten zahlreiche Ausstellungen mit Roths Grafiken, zuerst in Universitätsinstituten, später auch in Kunstgalerien, die gerade bei fachlich nicht vorgebildeten Personen großes Interesse weckten. Inzwischen ist "Molekulare Ästhetik" mehr als die ästhetisch-didaktische Spielerei eines Professors: Der Begriff ist in der Kunstwissenschaft etabliert. Kein Geringerer als Peter Weibel, der Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM), gibt in diesem Buch eine Einführung in die Molekulare Ästhetik und prophezeit ihr eine große Zukunft, denn "jenseits der Anatomie, der Körper ohne Organe, der Organe ohne Körper, wird Schönheit vor allem proteinhaft d. h. molekular sein."
Hermann J. Roth hat in seinen Werken viele Spielkarten "verarbeitet". Doch die Auswahl in diesem Buch zeigt, dass seine große Liebe der Herz Dame gilt.
W. Caesar
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