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Was die Stückelungs-Debatte über Wettbewerb lehrt

Thomas Müller-Bohn

Seit der Erschaffung ihres Berufs vor über 750 Jahren sind die Apotheker gleichzeitig Heilberufler und Kaufleute. Trotz vieler guter Bemühungen, die heilberufliche Seite deutlich zu machen, dominiert in den Medien leider die kaufmännische Aufgabe. In Zeitungen und im Fernsehen geht es immer wieder um die Kosten der Arzneimittelversorgung, um Vertriebswege, Versandhandel und um Preisvergleiche zwischen Apotheken. Das Luxemburger Urteil hat zeitweilig andere Akzente gesetzt und die wichtige heilberufliche Funktion der Apotheker auch zum Thema für die Medien gemacht. Spätestens mit der "Enthüllung" der Stückelungen, die zu mehr Ertrag für die Apotheke führen können, ist der Apotheker als Kaufmann wieder in den Schlagzeilen. Das Stückeln zur Gewährleistung einer schnellen Versorgung, also der heilberufliche Aspekt, interessiert dagegen in der öffentlichen Debatte nicht. Doch wen wundert das?

Das Stückelungsproblem macht aber auch deutlich, dass die Apotheker noch einen weiteren Spagat aushalten müssen. Sie sind nicht nur gleichzeitig Heilberufler und Kaufmann, sondern sie stehen auch zwischen der Marktwirtschaft und einem staatlich streng geregelten Gesundheitssystem. Sie müssen marktwirtschaftlich angemessene Gehälter und Mieten zahlen, ebenso wie Marktpreise für Strom, Benzin und die Apothekeneinrichtung. Andererseits erzielen sie ihre Einnahmen überwiegend in einem System, in dem nicht nur die Preise, sondern inzwischen auch die erzielbaren Erträge streng geregelt sind. Die Preisbildung nach dem Kombimodell markierte den grundlegenden Richtungswechsel. Die weitgehende Abschaffung der Einkaufsrabatte war eine logische Folge dieser Preisbildung und passt zur Heilberufler-Funktion. Wie weit die Konsequenzen reichen, wird aber erst jetzt langsam deutlich. Jahrzehntelang lebten Apotheker zu einem großen Teil von günstigen Einkaufskonditionen. Dies ist ein verbreiteter kaufmännischer Ansatz und war nicht zu beanstanden. Pharmazeutisch korrekte Arbeit und Rabatte waren gut zu vereinbaren. Doch inzwischen sind Einkaufsrabatte für verschreibungspflichtige Arzneimittel verboten, soweit sie über die Großhandelsspanne hinausgehen. Die Vorteile dieser Regelung mögen weiterhin umstritten sein, aber ihre Gültigkeit ist unbestreitbar. Wenn diese Regel wirksam sein soll, muss sie auch Umgehungswege verhindern. Darum ist es konsequent, das Rabattverbot auch gegen das kuriose Stückeln mit preisgünstigen Kleinpackungen anzuwenden, sofern dabei Vorteile erzielt werden, die über die Großhandelsspanne hinausgehen. Ob dies erfüllt ist, kann nur die genaue Prüfung des Einzelfalls zeigen. Entsprechendes würde für alle anderen Umgehungsversuche gelten, die vielleicht noch ersonnen werden. Auf die Konstruktion im Detail kommt es nicht an, sondern auf die Umgehung des Rabattverbots.

Das Rabattverbot hat das Spannungsverhältnis zwischen Marktwirtschaft und staatlich geregelter Wirtschaft im Gesundheitswesen vergrößert, um an anderer Stelle die Balance des Apothekers statt zum Kaufmann noch stärker in Richtung Heilberufler zu verschieben. Apotheker, die jahrzehntelang mit Rabatten korrekt gearbeitet haben, müssen diese Neuerung sicher erst langsam verinnerlichen. Die Apotheken sind damit einerseits in der Planwirtschaft angekommen. Andererseits wird ihnen im Umgang mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mehr Marktwirtschaft abverlangt als je zuvor. Dass ihre Preisbildung ein Thema für das Kartellamt sein kann, ist für die weitaus meisten Apotheker gewiss auch eine neue und erstaunliche Erfahrung.

Noch weiter erschwert wird die Rolle der Apotheker durch immer wieder neue Forderungen der Krankenkassen und des Gesetzgebers, auch im GKV-Bereich mehr Marktwirtschaft umzusetzen. Ausschreibungen, Austauschverpflichtungen und spezielle Vergütungsformen für die integrierte Versorgung sollen den Wettbewerb bei Krankenkassen, Arzneimittelherstellern und Leistungserbringern vergrößern. Wettbewerb, der den Krankenkassen direkt zu Gute kommt, wird neu geschaffen. Wettbewerb innerhalb des Systems wird dagegen abgeschafft. Dem ökonomischen Lehrbuch entspricht das nicht. Wer die Vorteile des Wettbewerbs nutzen will, muss allen Akteuren möglichst freies Spiel lassen. Wenn es im Gesundheitswesen gilt, die Marktkräfte zu zähmen, müssen an ihrer Stelle andere faire Regeln für alle Beteiligten geschaffen werden. Die Leistungserbringer im Wettbewerb gegeneinander auszuspielen, ihnen aber andererseits marktwirtschaftliche Gegenmaßnahmen zu verwehren, kann langfristig nicht erfolgreich sein. Stattdessen ruiniert es bewährte Strukturen. Für die Apotheken heißt das: Pharmazeutische und logistische Leistungen müssen angemessen honoriert werden, für zusätzlichen Aufwand durch Rabattverträge oder neue pharmazeutische Angebote müssen auch zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Dann sind Rabatte überflüssig.


Thomas Müller-Bohn

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