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Länderporträt
Gesundheits- und Apothekenwesen in Bulgarien
Republik Bulgarien (Republika Balgarija)Hauptstadt: Sofia Einwohner, 2006: 7,7 Mio. Staatsform: Republik mit parlamentarischer Demokratie Mitgliedschaft in der EU: seit 1. 1. Bruttoinlandsprodukt, 2007: 28,9 Mrd. Euro Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, 2007: 3753 Euro Quelle: www.auswaertiges-amt.de |
Demographische Faktoren
Wirtschaftlich hat Bulgarien wie sein Nachbar Rumänien (siehe Länderporträt in DAZ Nr. 17, S. 52) noch einiges aufzuholen. Der Kaufkraftstandard je Einwohner lag im Jahr 2007 mit 9300 Euro bei gut einem Drittel des EU-25-Durchschnitts von 25.800 Euro (Quelle: Eurostat).
Die Lebenserwartung bei der Geburt beträgt 72 Jahre, wobei Männer (69 Jahre) und Frauen (76 Jahre) eine stärkere Differenz aufweisen als in der EU-25 (75 bzw. 81 Jahre). Wie allgemein in Europa sind auch in Bulgarien Herz- und Kreislauferkrankungen die Todesursache Nr. 1 (zwei Drittel aller Sterbefälle in 2007), gefolgt von Tumorerkrankungen mit einem Anteil von knapp 16%. Männer weisen eine erheblich höhere Mortalität auf als Frauen.
Bulgariens Bevölkerung schrumpft. Seit dem Wendejahr 1990 hat das Land mehr als zehn Prozent seiner Einwohner verloren, im Wesentlichen durch Auswanderung sowie eine der niedrigsten Geburtenraten in Europa.
Gesundheitsgesetzgebung und Krankenversicherung
Die zentralen Elemente der Gesundheits- und Arzneimittelgesetzgebung in Bulgarien sind in Tabelle 1 aufgelistet.
Tab. 1: Gesundheitsgesetzgebung in Bulgarien* | |
Gesetz | Publikation** |
Gesundheitsgesetz (Health Act) | No. 70/10.08.2004 |
Gesetz über die Krankenversicherung (Health Insurance Act) | No. 70/19.06.1998 |
Gesetz über Einrichtungen zur medizinischen Behandlung (Medical Treatment Facilities Act) | No. 62/09.07.1999 |
Gesetz über Arzneimittel in den Apotheken in der Humanmedizin, abgelöst durch das Gesetz über Arzneimittel | No. 31/31.04.1995 No. 31/13.04.2007 |
Gesetz über die Kontrolle narkotischer Substanzen und Vorläufersubstanzen (Narcotic Substances and Precursors Control Act) | No. 30/02.04.1999 |
Gesetz über Blutprodukte und Blutspenden | No 102/21.11 2003 |
Gesetz über Medizinprodukte | No. 46/12.06.2007 |
* Änderungen und Ergänzungen hier nicht ausgewiesen ** im Staatsblatt (State Gazette) |
Mit dem Gesetz über die Krankenversicherung (Health Insurance Act) wurde im Jahr 1998 ein Pflichtversicherungssystem für alle bulgarischen Staatsbürger eingeführt. Zentrales Organ ist der Nationale Krankenversicherungsfonds (National Health Insurance Fund, NHIF) mit 28 regionalen Krankenversicherungsfonds (RHIF). Das Gesetz schuf auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine freiwillige Krankenversicherung, jedoch lediglich als Ergänzung zur Pflichtversicherung. Bisher entwickelt sich diese nur sehr langsam. Derzeit gibt es etwa zwanzig Privatversicherungen.
Finanzierung des Gesundheitssystems
Finanziert wird das bulgarische Gesundheitssystems über Steuern, Beiträge zur Krankenversicherung und Zuzahlungen der Patienten. Im bulgarischen Staatshaushalt 2007 war ein Betrag von 1,11 Mrd. Euro für das Gesundheitswesen verplant, der nach dem Entwurf des Aktionsplans zur Nationalen Gesundheitsstrategie 2007 bis 2012 im Jahr 2008 auf 1,26 Mrd. Euro und 2009 auf 1,38 Mrd. Euro steigen soll. Von den Pflichtbeiträgen zur Krankenversicherung (8% vom Bruttolohn) übernimmt der Arbeitgeber 55%, der Arbeitnehmer 45% (Stand: 2009). Beitragsbefreit sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, Schwangere, Veteranen, Behinderte, Militärangehörige und Rentner. Das Budget des nationalen Krankenversicherungsfonds wird jährlich von der Nationalversammlung bewilligt.
Gesundheitsausgaben und Selbstbeteiligung
Der Anteil der gesamten Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt liegt laut einer Erhebung der WHO bei etwa 7,7% (2005; zum Vergleich EU-25: Durchschnitt in den 15 alten Mitgliedstaaten 9%, in den zehn neuen Mitgliedstaaten 6,5%). Der WHO zufolge gaben die Bulgaren im Jahr 2005 rund 730 Euro pro Kopf und Jahr für die Gesundheit aus (zum Vergleich: die Deutschen 3250 Euro). Bei den Pflichtleistungen der Krankenversicherung gibt es verschiedene Selbstbeteiligungen und Zuzahlungen, die in den letzten Jahren stark angestiegen sind. Auch informelle Zahlungen an das Gesundheitspersonal sind üblich.
Die Selbstbeteiligung zählt mit derjenigen Rumäniens zu den höchsten in der EU. Nach Angaben der WHO müssen die Bulgaren derzeit mehr als 50% aller Leistungen aus eigener Tasche zahlen. Was die Arzneimittelausgaben anbelangt, so werden rund 60% vom nationalen Krankenversicherungsfonds und anderen öffentlichen Quellen getragen, die restlichen 40% von den Patienten.
Organisation der Gesundheitsversorgung
An der Spitze des Versorgungssystems steht das Gesundheitsministerium (Tab. 2). Dessen Zuständigkeit umfasst nach wie vor auch operative Funktionen. Direkt managt das Ministerium die medizinischen Forschungszentren sowie eine Reihe von Universitäts- und Hochschulkliniken, staatlichen Spezial- und Universalkrankenhäusern. Daneben gibt es in den 28 bulgarischen Verwaltungsgebieten jeweils ein Nationales Gesundheitszentrum und ein regionales Inspektorat für den Schutz und die Überwachung der Öffentlichen Gesundheit (Regional Inspectorate for the Protection and Control of Public Health, RIPCPH).
Tab. 2: Wichtige Institutionen der Arzneimittelversorgung in Bulgarien | |
Ministerium für das Gesundheitswesen | www.mh.government.bg |
Bulgarische Arzneimittelagentur | www.bda.bg |
Nationaler Krankenversicherungsfonds (NHIF) | www.nhif.bg |
Verband der lizenzierten Gesellschaften für die freiwillige Krankenversicherung (ALDDZO) | ozof_doverie@abv.bg |
International Healthcare and Health Insurance Institute (IHHI) | www.zdrave.net |
Nationales Zentrum für Gesundheitsinformation (NZZI) | www.nchi.government.bg |
Bulgarische Pharmazeutische Union (BPU) | bphu.org |
Bulgarian Generic Pharmaceutical Association | www.abphm.bg |
Association of the Research-based Pharmaceutical Manufacturers in Bulgaria (ARPharM) | www.arpharm.org |
Die Flächendeckung und der Umfang der Gesundheitsversorgung werden vom Gesundheitsministerium mithilfe nationaler und regionaler Gesundheitskarten reguliert.
Die Nationale Gesundheitsstrategie 2007 bis 2012 sieht unter anderem den Aufbau eines integrierten elektronisch verwalteten Gesundheitssystems vor. Anfang März 2009 wurde ein elektronisches Gesundheitsregister ins Leben gerufen, in dem sukzessive alle Bulgaren erfasst werden sollen.
Leistungsumfang der Krankenversicherung
Einmal jährlich legt der Nationale Krankenversicherungsfonds in Absprache mit dem Gesundheitsministerium den Leistungskatalog (National Framework Contract) fest. Die zulasten der Pflichtversicherung erbrachten Leistungen werden auf der Basis von Einzelverträgen zwischen den regionalen Verwaltungseinheiten der Versicherung und den Einrichtungen der Gesundheitsversorgung als Sachleistungen erbracht. Verpflichtungen der Vertragspartner wie Preise, Zahlungsmethoden und Abläufe sind in einem nationalen Rahmenvertrag geregelt, der von der Pflichtversicherung und den Berufsverbänden jeweils für ein Jahr abgeschlossen wird. Übernommen werden ambulante medizinische Dienstleistungen, Arzneimittel sowie anteilig stationäre Kosten in den Krankenhäusern.
Ambulante Versorgung
Der Zugang der Bevölkerung zur Versorgung ist insgesamt gut. Mit 366 praktizierenden Ärzten auf 100.000 Einwohner hat Bulgarien laut Eurostat sogar eine knapp höhere Ärztedichte als Deutschland (2006: 345) und eine weit höhere als das Nachbarland Rumänien (215).
Die Allgemeinmediziner bieten ein breites Spektrum an diagnostisch-therapeutischen, präventiven, Rehabilitations- und sozialmedizinischen Leistungen an und haben eine "Gatekeeper"-Funktion für den Zugang zur fachärztlichen und stationären Behandlung. Haus- oder Familienärzte dürfen in Bulgarien nur eine bestimmte Anzahl an Patienten behandeln. Für jede krankenversicherte Person erhalten sie monatlich eine Kopfpauschale, wobei für bestimmte Leistungen eine zusätzliche Bezahlung vorgesehen ist.
Organisation und Kontrolle des Arzneimittelverkehrs
Bulgarien war eines der ersten ehemaligen Ostblockländer mit einem modernen Arzneimittelgesetz. Im Jahr 1995 beschlossen, wurde es im April 2007 zur Anpassung an europäisches Recht durch ein neues Arzneimittelgesetz abgelöst (Tab. 1). Bereits am Beitrittsdatum mussten alle Arzneimittel ohne Übergangsfrist an die europäischen Zulassungsanforderungen angeglichen sein, ein Riesenkraftakt für die im Markt vertretenen Pharmaunternehmen.
Für die Umsetzung der Arzneimittelpolitik sowie für die Kontrolle des Arzneimittelverkehrs sind das Gesundheitsministerium unter Einbeziehung des Obersten Pharmazeutischen Rats (High Pharmacy Council) sowie die Bulgarische Arzneimittelagentur (Bulgarian Drug Agency, BDA) und die Regionalen Gesundheitsinspektorate (RIPCPH) zuständig.
Das Gesundheitsministerium unterhält die folgenden wichtigen Ausschüsse (s. Grafik):
- Preiskomitee, das die Höchstpreise für alle zugelassenen Arzneimittel festlegt,
- Komitee für die Positivliste erstattungsfähiger Wirkstoffe,
- Transparenz-Ausschuss für die Erstellung der jeweiligen Erstattungslisten und die Kontrolle der Festlegung der Erstattungspreise für Arzneimittel.
Zuständigkeiten der Bulgarischen Arzneimittelagentur
Die Bulgarische Arzneimittelagentur (BDA) mit rund 170 Mitarbeitern, die im Jahr 2000 aus dem National Institute for Medicinal Products (NIMD) hervorgegangen ist, erfüllt die klassischen Aufgaben einer Zulassungsbehörde wie Zulassung und Klassifikation (Rx oder OTC) der Arzneimittel, Arzneimittelsicherheit, Kontrolle der Arzneimittelwerbung und Erteilung von Genehmigungen für klinische Prüfungen. Sie ist darüber hinaus auch für die Erteilung von Erlaubnissen für die Herstellung und den Großhandel von bzw. mit Arzneimitteln, für den Import von Arzneimitteln, die Registrierung von Drogerien sowie für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständig. Dabei kann die Agentur auf die Unterstützung von neun Expertenkommissionen zurückgreifen.
Struktur des Arzneimittelmarktes
Wie einer Studie des europäischen Dachverbandes der Selbstmedikationsindustrie AESGP zu entnehmen ist, belief sich der bulgarische Arzneimittelmarkt im Jahr 2006 auf Basis der Apothekenverkaufspreise auf 654 Mio. Euro (zum Vergleich: Rumänien 1,54 Mrd. Euro, Deutschland 35,1 Mrd. Euro). Er ist demnach bislang wenig entwickelt, gehört jedoch nach Einschätzung von Branchenexperten zu den meistversprechenden im ehemaligen Ostblock (9% Wachstum). Seit 2001 steigt die Anzahl importierter Arzneimittel im Vergleich zu den lokal hergestellten kontinuierlich an. Die AESGP beziffert den Anteil an Importen mit 60 bis 70% in Bezug auf den Wert bzw. mit 30 bis 40% in Bezug auf das Volumen (2007). Ende 2006 waren in Bulgarien rund 4500 Arzneimittel zugelassen, davon rund ein Fünftel aus bulgarischer Provenienz und circa 10% OTC-Präparate (AESGP 2007). Generika haben mit 80% nach Volumen bzw. 50% nach Wert einen erheblichen Marktanteil.
Pharmaindustrie und Großhandel
Die 78 inländischen Pharmaunternehmen gingen im Wesentlichen aus privatisierten und restrukturierten bulgarischen Staatsunternehmen hervor, deren Schwerpunkt von jeher auf der Produktion von Generika für andere Märkte in Osteuropa, Lateinamerika und Asien lag. Die größten bulgarischen Pharmafirmen sind heute: Actavis, Sopharma, Biovet und Chaikapharma. Darüber hinaus sind zahlreiche ausländische Unternehmen am Markt vertreten.
Die pharmazeutische Industrie bündelt ihre Interessen in folgenden Vereinigungen:
- Association of Foreign Pharmaceutical Manufacturers in Bulgaria (AFPMB),
- Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller in Bulgarien (Association of the Research-based Pharmaceutical Manufacturers in Bulgaria (ARPharM),
- Verband der Generika-Hersteller in Bulgarien (Bulgarian Generic Pharmaceutical Association, BGPharmA).
Seit dem Jahr 2002 gibt es in Bulgarien nur noch vollsortierte Großhändler. Ihre Anzahl wird von der AESGP für 2006 auf rund 360 beziffert. Der Einzelhandel mit Arzneimittel ist nur in Apotheken und Drogerien (ausschließlich OTC-Arzneimittel) zulässig.
Preisbildung und Handelsspannen
Die Herstellerabgabepreise (HAP) für erstattungsfähige Arzneimittel werden von dem Preiskomitee im Gesundheitsministerium gesetzlich festgelegt, während die Apothekenverkaufspreise für OTC Produkte lediglich als Höchstpreise registriert werden. Bei erstattungsfähigen Arzneimitteln darf der HAP nicht höher sein als der niedrigste Preis in neun ausgewählten Vergleichsländern. Die tatsächlichen Verkaufspreise unterliegen jedoch für alle Arzneimittel Verhandlungen und dem Wettbewerb, außer bei denjenigen, die aus öffentlichen Budgets finanziert werden.
Die maximalen Handelsspannen für rezeptpflichtige Arzneimittel sind nach einem degressiven Schema gesetzlich festgelegt (10, 9 oder 7% des HAP als Großhandelsaufschlag und 28, 25 oder 20% des HAP als Apothekenaufschlag). Preisnachlässe und Rabatte sind möglich. Für OTC-Produkte gibt es keine gesetzlich festgelegten Handelsspannen. Die Mehrwertsteuer beträgt 20%.
Erstattung nach Positivlisten
Arzneimittel werden nach Maßgabe von Positivlisten erstattet. Die Festlegung erfolgt in einem zweistufigen Prozess: Aufnahme in die Positivliste, Festlegung des Erstattungsumfangs. Die Erstattungsrate differiert je nach Einordnung zwischen 50 und 100%.
Die Positivliste besteht aus zwei Teilen:
- Teil A listet alle Wirkstoffnamen plus Darreichungsform und Stärke auf,
- Teil B enthält die dazugehörigen Informationen zu Handelsnamen, Zulassungsinhaber und Hersteller.
Die wichtigere Erstattungsliste des Nationalen Krankenversicherungsfonds wird auf der Grundlage eines nationalen Rahmenvertrages erstellt. Dieser definiert diejenigen Krankheiten, deren Behandlung vom Krankenversicherungsfonds entweder voll oder zumindest teilweise übernommen wird. Die Liste wird alle drei Monate aktualisiert.
Zusätzlich definiert das Gesundheitsministerium drei Erstattungslisten für eine "zentralisierte Versorgung" mit Arzneimitteln außerhalb des Nationalen Krankenversicherungsfonds:
- Liste zur Behandlung von zwölf definierten Krankheitsgruppen im Rahmen von nationalen Gesundheitsprogrammen (z. B. Krebserkrankungen, Aids, Impfstoffe): 100% Kostenübernahme,
- Minimumliste für Krankenhausapotheken und Einrichtungen für die stationäre Behandlung: 100% Kostenübernahme,
- Liste für Kriegsveteranen: 75% Kostenübernahme.
Die Erstattungspreise werden im Fall des nationalen Krankenversicherungsfonds über Preisverhandlungen und im Falle des Gesundheitsministeriums über öffentliche Ausschreibungen bestimmt.
Apothekerausbildung und Berufsbild
Pharmazeutisches Personal wird in Bulgarien an den Medizinischen Universitäten in Sofia, Plovdiv und Varna ausgebildet. Die Universitäten können den Bedarf bei Weitem nicht decken. Die Apothekerdichte gehört zu den niedrigsten in Europa.
Der Bachelor-Abschluss befähigt zum Pharmazeutisch-Technischen Assistenten, der Master zum Apotheker, der selbst eine Apotheke leiten darf. Pharmazeutische Assistenten dürfen unter Aufsicht nur OTC-Produkte verkaufen und nur dann selbst eine Apotheke leiten, wenn es in einem Bezirk mit 5000 Einwohnern keine andere Apotheke gibt, und auch nur so lange, bis ein entsprechender Kandidat erscheint.
Das Salair eines Apothekers ist nicht üppig. Für 40 Stunden pro Woche gibt es je nach Verhandlung 1000 ± 300 Lev pro Monat. Das sind 500 bis 600 Euro. Tarifvertragliche Regelungen gibt es nicht.
Die Bulgarische Pharmazeutische Union (Bulgarian Pharmaceutical Union, BPU) ist per Gesetz von 2006 die alleinige offizielle Interessenvertretung, der alle berufstätigen Apotheker automatisch angehören. Das Gesetz definiert auch die Bedingungen, unter denen der Beruf ausgeübt werden kann, sowie die Verantwortung für die Einhaltung der Berufsethik und der guten pharmazeutischen Praxis.
Fremd- und Mehrbesitz
Betriebserlaubnisse für Apotheken werden vom Gesundheitsministerium erteilt. Es herrscht Niederlassungsfreiheit, allerdings sind Standorte auf dem Land kaum attraktiv, weshalb die Verteilung der rund 4500 Apotheken im Land stark variiert. Im Jahr 2007 wurden drastische Maßnahmen ergriffen, um der unerwünschten Entwicklung des Fremd- und Mehrbesitzes Einhalt zu gebieten. Lizenzen sollten nur noch an Personen mit abgeschlossenem Pharmaziestudium und zweijähriger Berufserfahrung vergeben werden, nicht aber zum Beispiel an Pharmaunternehmen oder Großhändler. Außerdem sollte jeder Lizenzinhaber lediglich eine Apotheke besitzen und diese auch selbst leiten müssen.
Rund 1300 Apotheken waren infolge dieser Maßnahme nicht mehr gesetzeskonform in Betrieb. Bestehende Apothekenketten mussten, begleitet von heftigen Protesten des Verbandes der Apothekeninhaber, entweder umstrukturiert werden, oder ihre Apotheken mussten geschlossen werden. Heute agieren die ehemaligen Ketten teilweise als Franchise-System. Die Bulgarische Pharmazeutische Union (BPU) war über diese Entwicklung jedoch außerordentlich glücklich, wie die BPU-Generalsekretärin Gabriela Vuteva bekräftigt. Sie will unbedingt an dem Prinzip "der Apotheker in seiner Apotheke" festhalten.
Nach einer neuerlichen Änderung des Gesetzes im Juli 2008 wurde das Mehrbesitzverbot allerdings wieder etwas gelockert. Nun darf der Inhaber einer Apothekenlizenz in Anlehnung an das deutsche Modell bis zu vier Apotheken betreiben.
Lebhafter Kurbetrieb
Bulgarien verfügt über mehr als 700 Heilquellen. Aus gutem Grund hat daher die Staatliche Agentur für Tourismus den Spa- und Wellnesstourismus 2007 zu einer ihrer Prioritäten erklärt. Dieser ist zwar noch weitgehend unorganisiert, aber immer häufiger werden vor allem an der bulgarischen Schwarzmeerküste neben Ferien- und Hoteldienstleistungen auch zahnärztliche und andere medizinische Dienste angeboten. |
Arzneimittelabgabe streng kontrolliert
Die Arzneimittelabgabe in den Apotheken unterliegt einer strengen Kontrolle. Die Abgabe erstattungsfähiger Arzneimittel erfordert einen speziellen Vertrag mit dem Nationalen Krankenversicherungsfonds, der jährlich erneuert wird. Rund 60% der Apotheken haben einen solchen Vertrag. Die Patienten müssen quittieren, dass sie die Arzneimittel zulasten der Krankenversicherung erhalten haben. Pro Krankheit gibt es ein Rezept und maximal drei Arzneimittel. Mit dem EU-Beitritt ist das Arzneimittelsortiment in den öffentlichen Apotheken nicht unbedingt größer geworden, aber die Preise sind erheblich angestiegen, berichtet der junge Apotheker Dimitar Milkov, der als Angestellter full-time in der Orion-Apotheke im Vorort Lyulin von Sofia arbeitet. Steht auf einer Verordnung der Wirkstoffname, so muss das günstigste Arzneimittel mit diesem Wirkstoff abgegeben werden. Wird der Handelsname verwendet, darf jedoch nicht substituiert werden – ein großer Nachteil, weil viele Patienten sich die hohe Zuzahlung nicht leisten können, sagt Milkov.
Bessere Aufklärung der Patienten dringend erforderlich
Wie in vielen anderen Ländern Ostmitteleuropas und Südosteuropas fällt auch in bulgarischen Apotheken das breite Nebensortiment an Kosmetika, Zahnpasta, Babynahrung usw. ins Auge, eine wichtige wirtschaftliche Stütze für die Apotheken. Bevor die großen Lebensmittelmärkte in dem neuen EU-Mitgliedstaat Einzug gehalten haben, gab es diese Produkte ohnehin nur dort zu kaufen, sagt Milkov. Seiner Einschätzung nach herrscht in Bulgarien hinsichtlich des sachgerechten Umgangs mit Arzneimitteln noch viel Aufklärungsbedarf. Da es in der Vergangenheit keine klare Trennung zwischen rezeptpflichtigen und OTC-Arzneimitteln gab, hat die Selbstbehandlung – auch mit stärker wirksamen Arzneimitteln – in Bulgarien eine lange Tradition. Hier gilt es, ein neues Bewusstsein für den rationalen Einsatz von Arzneimitteln zu schaffen. Pharmaceutical Care steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Im Sommer 2008 startete die Bulgarische Pharmazeutische Union deshalb eine Werbekampagne für die Beratung durch den Apotheker mit dem Titel "Frag den Apotheker".
Danksagung
Die Autorin bedankt sich speziell bei Prof. Dr. Tatyana Benicheva, Drug Regulatory Affairs, Faculty of Public Health, Medical University of Sofia, für ihre freundliche Unterstützung durch zahlreiche Informationen und die Endkorrektur dieses Beitrags.
Literatur
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The Bulgarian Drug Agency: a youngster with a bit of a bite. Interview, February 2008. www.euralex.co.uk.
Vorträge bei der Konferenz "Current Regulatory Challenges Regarding Pharmaceuticals" am 28. November 2008 in Sofia, veranstaltet vom FORUM Institut für Management und der Medical University Sofia.
Weigl M, Antony K, Gesundheit Österreich GmbH, Geschäftsbereich ÖBIG. Arzneimittelsysteme in Bulgarien und Rumänien. Mai 2008.
World Health Organization. National health account ratios and per capita levels 2001– 2005. www.who.int/nha/country/ nha_ratios_and_percapita_levels_2001-2005.pdf.
World Health Organization. Ten Health Questions – Bulgaria. Mai 2007. www.euro.who.int/document.
World Health Organization. World Health Statistics 2008. www.who.int/whosis/en.
Autorin
Dr. Helga Blasius,
helga.blasius@web.de,
www.helgablasius.de
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