Arzneimittel und Therapie

Komplexe Zuckermoleküle hemmen Tumorentwicklung

Eine Basalmembran begrenzt die extrazelluläre Matrix (ECM) fast überall gegen Endothelien und Epithelien. Die Struktur dieser Membranen, die vielfach durch Glykoproteine bestimmt ist, und ihre Barrierefunktion sind dabei von entscheidender Bedeutung für zahlreiche physiologische, aber auch pathologische Prozesse. Amerikanische Wissenschaftler haben jetzt gezeigt, dass in dem komplexen Zusammenspiel unterschiedlicher Proteine Laminin-bindende Glykane, die wiederum an α-Dystroglykane gebunden sind, das Wachstum von Tumoren beeinflussen können.
Brustkrebszelle Die Bildung von Mammakarzinomen kann offensichtlich durch die Interaktion von komplexen Zuckermolekülen (Glykanen) mit Bestandteilen der Basalmembran gehemmt werden. Hieraus ergeben sich interessante Aspekte für die Entwicklung neuartiger Therapeutika.Foto: National Cancer Institute

Die Entwicklung und Morphogenese des Zellverbandes wird entscheidend durch die extrazelluläre Matrix (ECM) mitbestimmt. Sie wirkt auf die Differenzierung, die Proliferation als auch die Migration der Zellen ein. Das Zusammenspiel zwischen den Proteinen, die Bindung an ihre Rezeptoren und damit die Auslösung weiterer Reaktionsketten ist Voraussetzung für vielfältige physiologische Vorgänge in den Zellen. Dabei bildet sich keine statische Struktur, sondern ein sich ständig veränderndes Netzwerk aus Proteinen. Defekte dieser Strukturelemente führen zu gravierenden pathologischen Konsequenzen für das Zellwachstum. Wichtige Glykoproteine in diesem System stellen die Laminine dar, basalmembranspezifische Haftproteine für epitheliale, endotheliale und andere mesenchymale Zellen. Ihre Rezeptoren in der Basalmembran werden als Dystroglykane bezeichnet.

Dystroglykan ist ein Triggerfaktor zur Reorganisation der submembranal gelegenen Strukturen und somit wichtiger Faktor für die Zellstabilisation.

In der jetzt vorgelegten Studie zeigten Wissenschaftler des Burnham-Instituts, dass in aggressiven Zelllinien von Prostata- und Mammakarzinomen Laminin-bindende Glykane deutlich reduziert waren. Der Gehalt an Dystroglykanen hingegen war nahezu unverändert. Begleitet war dieser Vorgang mit einer ebenfalls verminderten Expression des Enzyms β3-N-acetylglucosaminyltransferase-1 (β3GnT1). Ein Anschub der Enzymexpression in den Krebszellen führte zu einer Wiederherstellung Laminin-bindender Glykane und einer verminderten Tumorbildung. Das Enzym war offensichtlich essentiell für die Synthese dieser Glykane, wobei es während dieses Vorgangs einen Komplex mit einer Glykosyltransferase (LARGE) bildete und so dessen Funktion steuerte. Die Interaktion der Laminin-bindenden Glykane mit Laminin und anderen "klebenden" Molekülen in der Basalmembran mindert somit offensichtlich das "Wanderpotenzial" der Tumorzellen. Bereits früher war beobachtet worden, dass die Invasion und das metastatische Potenzial maligner Tumoren auch von den Basalmembranstrukturen und ihren Barrierefunktionen abhängen: Das invasive, also basalmembrandurchbrechende Wachstum charakterisiert die maligne Neoplasie und bestimmt den Verlauf der Krankheit. Weiterhin wurde gezeigt, dass Prostatakrebszellen mit einer vermehrten Bildung von Dystroglykanen kleinere Tumoren bildeten.

Die Studie lässt keinen Zweifel daran, dass Laminin-bindende Glykane, die wiederum an α-Dystroglykane gebunden sind, das Wachstum von Tumoren beeinflussen können. Aus diesen Ergebnissen könnte sich ein interessanter neuer Therapie-Ansatz, beispielsweise die Hochregulierung des Enzyms β3GnT, zur Bekämpfung von Krebserkrankungen ergeben.

 

Quelle

Bao, X.; et al.: Tumor suppressor function of laminin-binding α-dystroglycan requires a distinct β3-N-acetylglucosaminyltransferase. PNAS (2009), doi: 10.1073/ pnas.0904515106 vom 8. Juli 2009.

Matsumura, K.; et al.: The role of dystroglycan, a novel receptor of laminin and agrin, in cell differentiation. Histol. Histopathol. (1997) 12(1): 195 – 203.

 


Dr. Hans-Peter Hanssen

 

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