Arzneimittel und Therapie

Helfen Antihypertonika auch bei multipler Sklerose?

ACE-Hemmer und Angiotensinantagonisten können das Auftreten von Entzündungsherden bei Mäusen unterdrücken, die an einer der multiplen Sklerose vergleichbaren Autoimmunerkrankung leiden. Im experimentellen Modell, das viele Aspekte dieser chronisch entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems beim Menschen repräsentiert, konnte der Krankheitsverlauf mit den Wirkstoffen Aliskiren, Enalapril und Losartan eindeutig gelindert werden.
Weniger entzündliche Läsionen In einem Tiermodell, das chronisch entzündliche Erkrankungen des ZNS beim Menschen repräsentiert, wurden Hinweise gefunden, dass etablierte Antihypertonika positive Wirkungen haben können.
Foto: Nachbarland Niederlande

Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) ist ein System von Botenstoffen und Rezeptoren, das den Blutdruck im Körper reguliert. Dabei spielt das Angiotensin-converting-Enzym (ACE) eine entscheidende Rolle: Erst durch die Spaltung von Angiotensin I mittels ACE entsteht das vasokonstriktorisch aktive Angiotensin II. Angiotensin II übt seinen starken vasokonstriktorischen Effekt ausschließlich über die AT1 -Rezeptoren aus. In einer Reihe von Studien mit Tiermodellen und in klinischen Beobachtungen haben deutsche Neurologen neue Hinweise darauf gefunden, dass das RAAS auch bei immunologischen Prozessen eine ausschlaggebende Rolle spielt. In ihren Versuchen wiesen die Heidelberger Wissenschaftler zunächst an verstorbenen Patienten, die an multipler Sklerose gelitten hatten, nach, dass das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System tatsächlich in MS-Herden im Gehirn vermehrt vorkommt. Sie behandelten dann Mäuse, die an einer der multiplen Sklerose ähnlichen entzündlichen Autoimmunerkrankung des Nervensystems litten, mit ACE-Hemmern und AT1- Rezeptorblockern: Aliskiren ist der erste oral verfügbare direkte Hemmstoff für das von den Nieren bei niedrigem Blutdruck ausgeschüttete Enzym Renin. Enalapril hat als Angriffspunkt das Angiotensin-Converting-Enzyme. Losartan schließlich ist ein typischer Vertreter der Sartane, die ein weiteres Schlüsselmolekül im Renin-Angiotensin-System blockieren, den Subtyp 1 des Angiotensin II-Rezeptors. Die Ergebnisse waren frappierend: Die Medikamente unterdrückten spezifische Immunbotenstoffe, die die Entzündung entscheidend vorantreiben. Außerdem sorgten sie für die vermehrte Produktion von Immunzellen, die bereits bestehende, entzündliche Nervengewebszerstörungen und die dadurch verursachten Lähmungen rückgängig machten. Da es sich um ein etabliertes Tiermodell handelt, das üblicherweise bei Forschungsprojekten zur multiplen Sklerose verwendet wird, hoffen die Wissenschaftler, dass die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. Der Studie werden bald klinische Untersuchungen direkt am Patienten folgen können. Der Einsatz der blutdrucksenkenden Arzneimittel, die das Angiotensin-converting-Enzym hemmen oder den AT1 -Rezeptor blockieren, könnten eine attraktive Strategie für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen sein, denn diese Wirkstoffe werden bereits millionenfach am Menschen angewendet, sind kostengünstig und haben wenige Nebenwirkungen.

 

Quelle

Platten, M.; et al.: Blocking angiotensin converting enzyme induces potent regulatory T cells and modulates TH1- and TH17-mediated autoimmunity. PNAS, published online August 19, 2009, doi:10.1073/pnas.0903958106.

Linker, R. A. ; et al.: Role of the renin-angiotensin system in autoimmune inflammation of the central nervous system. PNAS, Online Early Edition 17.-21.8.2009, doi_10.1073_pnas. 0903602106.

 


hel

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