Arzneimittel und Therapie

Neues orales Antikoagulans auf dem Prüfstand

Apixaban, ein oral einsetzbarer Hemmstoff des Gerinnungsfaktors Xa, wurde in einer Phase-III-Studie gegen den bestehenden Standard Enoxaparin getestet. Die neue Substanz konnte keine Gleichwertigkeit in der Wirkung unter Beweis stellen, doch lassen die Ergebnisse hoffen, die Thromboseprophylaxe mithilfe der neuen Substanzen zukünftig einfacher und sicherer durchführen zu können.
Apixaban

Eine sichere Thromboseprophylaxe und Antikoagulation ohne die Nachteile der bekannten Substanzen bleibt Wunsch der modernen Medizin. Große Hoffnungen werden auf moderne Antikoagulanzien gesetzt, die oral einsetzbar sind und deren Anwendung keine aufwendigen Laborkontrollen erfordert. Zwei Substanzen sind kürzlich zugelassen worden, Dabigatran (Pradaxa®) als direkter Thrombininhibitor und Rivaroxaban (Xarelto®) als direkter Hemmstoff des Faktors Xa. Eine dritte Substanz, ebenfalls ein direkter Faktor-XaInhibitor, wurde in einer Phase-III-Studie bei Kniegelenkersatz gegen den bestehenden Standard, das niedermolekulare Heparin Enoxaparin, auf Nichtunterlegenheit geprüft.

Tablette versus Spritze

3195 Patienten aus 14 Ländern wurden in der kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichten Advance-Studie in zwei Behandlungsarme randomisiert. Zwölf bis 24 Stunden nach Implantation eines künstlichen Kniegelenkes wurden entweder 2,5 mg Apixaban oral zweimal täglich oder 30 mg Enoxaparin subkutan zweimal täglich nach Standard der FDA doppelblind im Double-Dummy-Prinzip verabreicht. Nach zehn- bis vierzehntägiger Therapie wurde zwischen Tag 10 und 14 mittels bilateraler Venographie auf postoperative Thrombosen untersucht.

Double-Dummy-Prinzip

Sollen Arzneimittel mit unterschiedlichen Darreichungsformen in einer verblindeten Studie miteinander verglichen werden, bedient man sich der sogenannten Double-Dummy-Technik. Dabei werden beide zu testenden Arzneiformen verabreicht, Verum plus ein der zweiten zu testenden Arzneiform entsprechendes Placebo. In der vorliegenden Studie bekamen alle Patienten eine Tablette mit Apixaban und eine subkutane Placeboinjektion oder eine Placebotablette und eine subkutane Injektion mit Enoxaparin verabreicht.

Endpunkte waren erlittene symptomatische oder asymptomatische, nur durch Venographie diagnostizierbare, Venenthrombosen, Lungenembolie und Tod des Patienten. Maß für Sicherheit und Verträglichkeit der Therapie waren im Nachbeobachtungszeitraum von 60 Tagen aufgetretene Blutungen sowie arterielle thromboembolische Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall.

Ziel knapp verfehlt

Der primäre Studienendpunkt wurde in der Apixaban-Gruppe in 9% und in der Enoxaparin- Gruppe in 8,8% der Fälle erreicht, was bedeutet, dass das angestrebte Kriterium der Nichtunterlegenheit von Apixaban nach knieendoprothetischer Operation verfehlt wurde (Relatives Risiko 1,02; 95% Konfidenzintervall 0,78 bis 1,32; p-Wert für Nichtunterlegenheit 0,06). Allerdings konnten aufgrund der Zahl nichtauswertbarer Venographien lediglich ungefähr 70% der randomisierten Patienten ausgewertet werden.

Weniger Blutungskomplikationen

Schwere Blutungsereignisse traten unter der Studienmedikation signifikant seltener auf (Apixaban 0,7%, Enoxaparin 1,4%). Auch der Kombinationsendpunkt schwere Blutung und klinisch relevante mittelschwere Blutung konnte zugunsten von Apixaban ausgewertet werden. In beiden Gruppen traten jeweils zwei tödliche Lungenembolien auf. Aufgrund der Marktrücknahme des oralen Antikoagulans Ximelagatran wegen Lebertoxizität in der Vergangenheit wurden Erhöhungen von Aminotransferasen bzw. Bilirubin ebenfalls als Sicherheitsendpunkte definiert, die aber keiner der Patienten erreichte.

Antikoagulation

Angriffspunkte neuer oral applizierbarer Antikoagulanzien in der Gerinnungskaskade:

  • Inhibition des Faktors Xa Rivaroxaban (Xarelto®) Apixaban (in klinischer Prüfung)
  • Thrombinhemmung Dabigatran (Pradaxa®) Ximelagatran (Exanta® , 2006 vom Markt genommen)

Substanz weiterhin interessant

Im Kommentar zeigen sich die Studienautoren von der geringen Ereignisrate in der Enoxaparin- Gruppe, die zur Überlegenheit der Standardtherapie führt, überrascht. Der nur geringe Unterschied im Risiko, ein thromboembolisches Ereignis zu erleiden, von 0,1% und das interessante Sicherheitsprofil lassen sie dennoch schlussfolgern, dass Apixaban in der Wirksamkeit Enoxaparin nahezu ebenbürtig ist und zu den Kandidaten gehört, niedermolekulare Heparine zukünftig in der Thromboseprophylaxe nach operativen Eingriffen abzulösen. Da in Europa die Thromboseprophylaxe mit niedermolekularen Heparinen überwiegend präoperativ begonnen wird, stellt der postoperative Beginn der oralen Therapien ebenfalls einen Paradigmenwechsel dar.


Quelle

Lassen, MR et al.: Apixaban or Enoxaparin for Thromboprophylaxis after Knee Replacement. N Engl J Med (2009) 361: 594-604.

 


Apotheker Peter Tschiersch

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