Deutscher Apothekertag 2009

Das Wichtigste in Kürze

Konzentriert und sachlich ABDA-Spitzen auf dem Podium.

Politikerworte. Wie erwartet, drei Tage vor der Wahl verteilten die Politiker durchwegs freundliche Worte für die Apothekerinnen und Apotheker. Sie begrüßten das EuGH-Urteil zum Fremdbesitzverbot, sie waren sich einig, dass Pick-up-Stellen nicht akzeptabel sind, aber nicht darin, wie man dieses Problem lösen kann. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Karl-Josef Laumann: "Patient, Arzneimittel und vertrauliche Beratung in der Apotheke gehören für mich zusammen." Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, verteidigte dagegen den Versandhandel mit Arzneimitteln als "eine Ergänzung, die für manche Patienten, etwa chronisch Kranke, notwendig ist". Dennoch setzt er auf die Kompetenz der Apotheker als Heilberufler.

Scharf wetterte die SPD-Bundestagsabgeordnete Marlies Volkmer gegen Pick-up-Stellen und Rezeptbriefkästen: "Kästen beraten nicht. Und auch im Drogeriemarkt findet keine Beratung statt." Sie wolle sich für eine Lösung dieses Problems einsetzen. Außerdem setzte sie sich für eine Einbindung der Apotheken in die Integrierte Versorgung ein.

Gegen Ketten und Pick-up-Stellen sprach sich auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Zöller aus. Überhaupt nichts hält er von Qualitätskriterien für Pick-up-Stellen – sie führten zur "Apotheke light". Und: Rabattverträge sind keine Zukunftslösung, man müsse prüfen, ob Aufwand und Einsparungen noch im Verhältnis zueinander stünden.

Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Daniel Bahr, wandte sich ebenfalls gegen Pick-up-Stellen und ähnliche Ausfransungen des Versandhandels. Den Versandhandel selbst allerdings wollte er nicht abschaffen. Auch Rabattverträge sind per se nicht schlecht, allerdings mit Augenmaß. Der Mittelstand dürfe nicht gefährdet werden. Außerdem sollte es Versicherten möglich sein, durch Aufzahlung ihr gewohntes Präparat zu erhalten. Sein Abschlusssatz: Auf Hecken-Schützen sollte man aufpassen – in Anspielung auf Gerüchte, der frühere saarländische Justizminister Josef Hecken, der widerrechtlich eine Fremdbesitzapotheke in Saarbrücken zugelassen hatte, könnte neuer Gesundheitsminister werden.

Eröffnung der Expopharm. Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), machte in seiner Rede zur Eröffnung der Pharma-Messe Expopharm deutlich, dass die Apotheker mehr Verantwortung bei der Arzneimittelversorgung übernehmen wollen. Nachteilig dabei seien derzeit zu viel Bürokratie, ein zu hoher Apothekenabschlag, Pick-up-Stellen. Er setze sich weiterhin für eine Wirkstoffverordnung und das Zielpreismodell statt Rabattverträgen ein, deren Ausgestaltung er kritisierte. Dringend ist es, die Austauschbarkeit bei unvollständiger Indikationsgleichheit zu regeln. Vehement forderte er eine Senkung des Apothekenabschlags. Prinzipiell begrüßt der DAV eine neue Vergütungsregelung, wie sie der Großhandel fordert, sie darf aber keine finanziellen Belastungen der Apotheken nach sich ziehen. Die Aufnahme des Belieferungsauftrags und -anspruchs des Großhandels in die 15. AMG-Novelle sieht Becker positiv. Anders der Vorstandsvorsitzende des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), Dr. Wolfgang Plischke. Nach seiner Auffassung sollte es dem Hersteller überlassen bleiben, welchen Vertriebsweg er für sein Arzneimittel als geeignet hält. An den Grundrechten der Industrie dürfe nicht gerüttelt werden.

Der Vorsitzende des Großhandelsverbands Phagro, Dr. Thomas Trümper, beklagte, dass die vorgeschlagenen Änderungen der Großhandelsvergütung nicht in die 15. AMG-Novelle aufgenommen wurden: "Wir brauchen angemessene Margen."

Erfreut zeigte sich der Vorsitzende des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Hans-Georg Hoffmann, über die Entwicklung des Grünen Rezepts. Eine Kampagne mit den Ärzten zur Förderung des Grünen Rezepts hatte positive Auswirkungen auf den OTC-Markt. Beklagen musste er allerdings die unsichere Lage zur Austauschbarkeit von nicht indikationsgleichen Präparaten – dies sei nicht rechtens.

Hiervor warnte auch Dr. Dr. Richard Ammer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Er fügte hinzu, dass ein weiteres Austauschproblem bei den Rabattverträgen die unterschiedlichen Packungsgrößen der Normgrößen sei: N3 kann beim einen Hersteller 100 Tabletten bedeuten, bei einem anderen Hersteller aber nur 98 oder gar 58.

Lagebericht. "Um Verantwortung für Gesundheit in Sinne der Patienten, darum geht es hier auf dem Deutschen Apothekertag 2009 in Düsseldorf", konkretisierte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf in seinem Lagebericht das Motto des diesjährigen Apothekertags "Gesundheit braucht Verantwortung". Er verdeutlichte, dass sich die Grundpfeiler unseres Gesundheitssystems bewährt haben, und dazu gehört die vom Europäischen Gerichtshof bestätigte persönlich geführte, individuell verantwortete und unabhängige Apotheke. Er sprach sich außerdem mit Blick auf die Rabattverträge für eine Deregulierung im Arzneimittelmarkt aus und plädierte für das Zielpreismodell. Die Schnittstelle ambulant – stationär müsse verbessert werden. Und ganz klar: Pick up gehört verboten. Seinen Lagebericht schloss er mit einem Forderungskatalog, zu dem beispielsweise die uneingeschränkte Apothekenpflicht für Arzneimittel gehören, der Erhalt der Arzneimittelpreisverordnung als Festpreisregelung, gleiche Anforderungen an Versandapotheken im Ausland, wenn sie nach Deutschland liefern, und die Weiterentwicklung der kollektivvertraglichen Regelungen zur Arzneimittelversorgung für alle teilnehmenden Apotheken.

Geschäftsbericht. In seinem Geschäftsbericht betonte ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Hans-Jürgen Seitz die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Pharmazie und Qualitätssicherung sowie das wirtschaftliche Umfeld. Einer schleichenden Trivialisierung des Arzneimittels, dem Einsickern von Arzneimittelfälschungen und einer möglichen Ausweitung des Arzneimittelfehl- und -mehrgebrauchs muss weiter entgegengewirkt werden. Lobend erwähnte er die Entwicklung des bundeseinheitlichen apothekenspezifischen Qualitätsmanagementsystems, das deutlich vorangekommen sei. Zur elektronischen Gesundheitskarte merkte er an, dass die ABDA die Entwicklung konstruktiv aber kritisch begleiten werde. Derzeit entwickele sich viel, aber nicht alles in die richtige Richtung. Die Rabattverträge haben ihre Janusköpfigkeit noch nicht verloren, die Kassen profitieren von Einsparungen, die Apotheken haben einen hohen bürokratischen Aufwand, Mehrkosten und Ärger mit Kassen. Auch Seitz nannte Zielpreisvereinbarungen als Ausweg. In der Zukunft tritt die ABDA verstärkt für eine patientenorientierte Arzneimittelversorgung ein, für eine stärkere Zusammenarbeit mit Ärzten und Patienten und für eine Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit.

Arbeitskreis 1: Herausforderungen für die Patientenversorgung. Durch die sich seit einiger Zeit abzeichnenden demographischen Veränderungen in der Bevölkerungsentwicklung, durch eine anhaltende Einwanderung nach Deutschland, aber auch durch eine innerdeutsche Migration ergeben sich zahlreiche soziologische Aspekte, die Auswirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung haben. Auf die Apotheke und die Patientenversorgung kommen hier besondere Herausforderungen zu, wie Prof. Dr. Johannes Siegrist, Geschäftsführer des Institutes für Medizinische Soziologie der Universität Düsseldorf, in seinem Impulsreferat zeigte. Sein Fazit für den Apotheker: ein großer Bedarf an gezielten Informationen für die Risikogruppen und ärmeren Schichten in der Bevölkerung.

Die demografische Entwicklung in Deutschland und die Fortschritte in der Entwicklung neuer Arzneimittel werden für eine wachsende Bedeutung der Arzneimitteltherapie in den nächsten Jahren sorgen. Da neue Arzneimittel immer komplexer werden, bedingt dies einen hohen Beratungsbedarf und stellt große Anforderungen an die Compliance. Elisabeth Beck, Vorsitzende der Geschäftsführung der IMS Health, sieht darin eine Herausforderung und Chancen für Apotheker, beispielsweise dazu beizutragen, die Compliance zu stärken.

In einer Diskussionsrunde zu Fragen der Patientenversorgung war man sich einig, dass Ärzte und Apotheker in Zeiten begrenzter Ressourcen stärker an einem Strang ziehen müssen, wenn eine bedarfsgerechte Verteilung gewährleistet werden soll.

Arbeitskreis 2: Konsequenzen für eine umfassende pharmazeutische Betreuung. Den Apothekerberuf ergreifen zu dürfen, ist ein Geschenk und zugleich Verpflichtung, das Wissen zum Wohle der Patienten einzusetzen. Das war eine der Kernbotschaften im Arbeitskreis 2. Der aus den USA angereiste Vizepräsident der American Society of Health-System Pharmacists, William A. Zellmer, ist überzeugt, dass der Apotheker ein neues Selbstverständnis braucht, das geprägt sein muss von unabhängigem Denken und Wollen, geleitet von einem inneren Kompass. Der Patient wartet darauf, dass der Apotheker ihn in der Arzneitherapie führt. Einen Blick in die Pharmazie der Schweiz warf Dr. Max Brentano-Motta. Er zeigte, welche Grundleistungen eine Schweizer Apotheke erbringt. Die Dienstleistungen des Apothekers, beispielsweise der Medikamentencheck und die Rezeptur, sind dabei nicht von der Abgabe des Arzneimittels zu trennen. Darüber hinaus erbringt er Zusatzleistungen wie Einnahmekontrolle, Compliance-Hilfen, ein Polymedikationscheck oder die Betreuung von Heimen. Eine sich anschließende Diskussionsrunde vertiefte die möglichen Leistungen, die vom Apotheker erbracht werden können. Fazit: es ist noch viel Aufklärungsarbeit und eine bessere Zusammenarbeit mit Ärzten und Patientenverbänden notwendig.

Arbeitskreis 3: Patientenorientierte Arzneimittelversorgung.

Die Europäische Kommission hat das Problem erkannt, dass gefälschte Arzneimittel in die legale Vertriebskette eingedrungen und bis zum Patienten gelangt sind. Sie will sich stärker der Arzneimittelfälschungen annehmen, denn "gefälscht wird alles". Deshalb wurde bereits Ende vergangenen Jahres der Entwurf einer Richtlinie vorgelegt, die zukünftig das Eindringen gefälschter Medikamente in die legale Vertriebskette verhindern soll. Dieser Vorschlag wurde im Arbeitskreis 3 sehr kontrovers diskutiert.

Studie: Apotheker lösen täglich 350.000 arzneimittelbezogene Probleme. Die Apotheken lösen allein in der Selbstmedikation rund 350.000 arzneimittelbezogene Probleme. Dies geht aus einer Untersuchung der ABDA hervor. Das Projekt "Arzneimittelbezogene Probleme in der Selbstmedikation" präsentierte Prof. Dr. Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), auf der Pressekonferenz zur Eröffnung des Deutschen Apothekertags. Die Arzneimittelsicherheit kann durch die persönliche Beratung des Apothekers erhöht und Probleme gelöst werden, "Ausfransungen des Versandhandels können dies nicht".

Anträge – kurz gefasst

  • Die Kerndienstleistung der persönlichen Abgabe von Arzneimitteln einschließlich der dazugehörigen Beratung durch pharmazeutisches Personal muss durch gesetzliche Maßnahmen nachhaltig gefördert und unterstützt werden.
  • Der Gesetzgeber soll von einer weiteren Ausdehnung der Ausnahmen von der Apothekenpflicht absehen und Sondervertriebswege unter Umgehung der Apotheken abschaffen.
  • Das bewährte System der unabhängigen Arzneimittelversorgung soll auf Basis des Urteils des Europäischen Gerichtshofs ausgebaut werden. Der Versicherte soll beispielsweise Anspruch haben, dass für ihn in der Apotheke eine patientenbezogene Medikationsdatei geführt wird.
  • Aus Gründen des Gesundheits- und Verbraucherschutzes soll der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wieder verboten werden.
  • Pick-up-Stellen sollen ebenfalls verboten werden.
  • Die Krankenkassen sollen verstärkt in Versorgungsforschung investieren und unter Einbeziehung der Apotheken eine isolierte, einzelsektorenbezogene Betrachtung des Arzneimittelbereichs durch eine sektorenübergreifende Analyse ablösen.
  • Das Bundesgesundheitsministerium soll den Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland längerfristig fortschreiben, weiterentwickeln und die Expertise der Apotheker bei der Vermeidung, Erkennung und Lösung arzneimittelbezogener Probleme verstärkt nutzen.
  • Der Gesetzgeber wird aufgefordert, die Anzahl der Apotheker auf Station in Krankenhäusern zu erhöhen und an den europäischen Durchschnitt anzupassen.
  • Die Bundesapothekerkammer möge sich bei der Deutschen Diabetes Gesellschaft dafür einsetzen, die Leistungen der Apotheker zur Schulung im Umgang mit Insulinpens Stechhilfen und Blutzuckermessgeräten in der Diabetes-Leitlinie der Ärzteschaft zu verankern.
  • Die Bundesapothekerkammer (BAK) solle Qualitätskriterien für Apotheken-Software entwickeln und diese in die Leitlinien der BAK aufnehmen.
  • Für die Arzneimittelsicherheit und Erhöhung der Compliance sollen zukünftig Kennzeichnungen wie beispielsweise die originalgetreue Darstellung des Arzneimittels, Angaben zur Sondengängigkeit, Aufbrauchfristen nach Anbruch u. a. auf Fertigarzneimittelpackungen aufgetragen oder leicht zugänglich zur Verfügung gestellt werden.
  • Die Hersteller sollen auf der äußeren Verpackung bzw. in der Packungsbeilage Informationen zur Teilbarkeit von Tabletten aufnehmen.
  • Ärzte sollen auf ihren Verordnungen angeben, wenn ein Arzneimittel durch eine Sonde verabreicht werden soll.
  • Pharmakogenetische Daten sollen auch dem Apotheker zugänglich gemacht werden. Auch Apotheker sollten die Patienten auf die Möglichkeit einer Genotypisierung aufmerksam machen und auf Wunsch des Patienten Tests veranlassen und zu den Ergebnissen beraten können.
  • Angehenden Apothekerinnen und Apothekern sollen im Rahmen ihrer Ausbildung die Grundlagen der Freiberuflichkeit vermittelt werden.
  • Die verantwortlichen Gremien sollen sich nachdrücklich für die Etablierung des Fachs Klinische Pharmazie in der Ausbildung von Pharmaziestudierenden an den Universitäten einsetzen.
  • Die Bezeichnung "Pharmaziepraktikant" soll durch die Bezeichnung "Pharmazeut im Praktikum" (PhiP) ersetzt werden.
  • An einen Ausschuss zur Beratung wurde ein Antrag überwiesen, der zum Inhalt hatte, den Wortlaut zur Definition des Apothekerberufs an das moderne Berufsbild anzupassen.
  • Ebenso wird sich ein Ausschuss mit der Frage beschäftigen müssen, ob ein Curriculum für eine Weiterbildung zum Fachapotheker Public Health entwickelt werden soll.
  • Krankenkassen sollen mit pharmazeutischen Unternehmen nur Rabattverträge abschließen, die praxisgerecht sind und pharmazeutisch relevante Aspekte berücksichtigen.
  • Betäubungsmittel sollen von Rabattverträgen ausgeschlossen werden.
  • Krankenkassen sollen Versuche, einen Off-label-use bei Aut-idem-Substitutionen zu forcieren, um Einsparungen zu erreichen, einstellen.
  • Die Verpflichtung der Apotheken zur Abgabe von Importarzneimitteln soll gestrichen werden.
  • Die Dokumentationspflicht bei der Abgabe von Arzneimitteln ist angemessen zu honorieren.
  • Es sollen Zuschläge für Arbeitsschutzmaßnahmen erörtert und als Ergänzung der Arzneimittelpreisverordnung vorgeschlagen werden.
  • Der Gesetzgeber soll den hohen Verwaltungsaufwand in Apotheken verringern.
  • Regelungen zur Abwicklung des Herstellerabschlages sind so auszugestalten, dass Streitigkeiten darüber zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen nicht zulasten der Apotheken gehen.
  • Der GKV-Spitzenverband soll ein einheitliches und verbindliches Verzeichnis der Institutionskennzeichen der Krankenkassen erstellen.

    diz

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