Aus Kammern und Verbänden

Biotechnologisch hergestellte Arzneistoffe

Das Vorsymposium der Fachgruppe Pharmazeutische Biologie im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft in Jena legte den Schwerpunkt auf die gen- und biotechnologische Herstellung von Proteinen. In sieben Vorträgen stellten Mitarbeiter verschiedener Firmen einzelne Arzneistoffe biogenen Ursprungs vor und gingen auf die Probleme bei ihrer Herstellung ein. Denn Qualität und Reproduzierbarkeit des Endproduktes hängen entscheidend vom Herstellungsprozess ab: "The process is the product."
Die Bilder ähneln sich: sowohl die isoelektrische Fokussierung der Proteinwirkstoffe (links) als auch die Dünnschichtchromatographie flavonoidhaltiger Arzneipflanzenextrakte (rechts) ist geeignet, die Reproduzierbarkeit des ­Herstellungsprozesses von Wirkstoffen biogenen Ursprungs zu zeigen. Bei Präparationen unterschiedlicher Hersteller oder weniger gut kontrol­lierter Prozesse sehen die Bandenmuster weniger homogen aus.
Quellen: A. Roche Diagnostics; B. Bionorica AG

Biosynthese in E. coli, …

Dr. Seidel von der Wacker Biotech in Jena, einem Tochterunternehmen der Wacker Chemie AG, stellte das neu entwickelte Expressionssystem Esetec® E. coli Sekretionstechnologie vor. Mit diesem System können Proteine, statt als unlösliche Einschlusskörper anzufallen oder in relativ geringen Mengen im Periplasma zu akkumulieren, direkt als korrekt gefaltete Moleküle durch die äußere Membran des Bakteriums ins Kulturmedium sezerniert werden.

… in Verozellen …

Ein wesentlich komplizierteres Expressionssystem zur Herstellung von viralen Impfstoffen stellte Dr. Grillberger von Baxter Innovations in Orth vor. Es basiert auf Verozellen, einer Nierenzelllinie der Grünen Meerkatze, die adhärent in Zellkultur wachsen. Ein entsprechendes System zur Herstellung eines pandemischen H5N1-Influenzaimpfstoffes wurde bereits von der EMEA zugelassen; die Zulassung des H1N1-Impfstoffes selbst steht bevor.

… und in Quadrupelzellen

Ebenfalls in einer Säugerzelllinie, und zwar in einer sogenannten Quadrupelzelllinie, wird ein erst kürzlich zugelassener Wirkstoff synthetisiert: der monoklonale Antikörper Catumaxomab (Removab®). Er wurde von Trion Pharma in München entwickelt und auf dem Symposium von PD Dr. Hess vorgestellt. Die Quadrupelzelllinie ist aus der Fusion zweier Hybridomzelllinien entstanden und produziert ein Gemisch von zehn verschiedenen Kombinationen der Antikörperketten aus den beiden ursprünglichen Hybridomzellen. Die eine Hybridomzelle produziert einen Maus-IgG2a-Antikörper, der gegen das tumorassoziierte Antigen EpCAM gerichtet ist. Die andere Zelllinie produziert einen Ratten-IgG2b-Antikörper gegen das Pan-T-Oberflächenprotein CD3. Durch geeignete Reinigungsschritte kann der gesuchte bispezifische Hybridantikörper isoliert werden. Catumaxomab bindet sowohl an EpCAM als auch an CD3 und aktiviert dadurch T-Zellen, aber auch Makrophagen und Natürliche Killerzellen in der Nähe von Tumorzellen, die daraufhin die Tumorzellen gezielt eliminieren.

Erythropoetin, Trastuzumab und Taxol

Einen Überblick über die gentechnische Herstellung von Proteinen und die Herausforderungen bei der Produktreinigung gab Prof. Kresse von Roche Diagnostics, Penzberg. Er zeigte am Beispiel der komplexen glykosylierten Proteine Erythropoetin und Trastuzumab, dass die Kulturbedingungen einen entscheidenden Einfluss auf die Ausbeute an korrekt glykosyliertem Produkt haben.

Ähnliche Effekte, allerdings für ein ganz anderes Produkt, stellte Dr. Heckenmüller von Phyton Biotech in Ahrensburg vor. Dort werden jährlich 600 kg Taxol – das sind drei Viertel der Weltproduktion – in Pflanzenzellkultur hergestellt. Nach einem zehnjährigen Entwicklungsprozess wird nunmehr eine recht stabile Zelllinie der Eibe Taxus chinensis vorgehalten, aus der das unverzichtbare Zytostatikum gewonnen wird.

Konventionelle Phytopharmakaherstellung

Dr. Plescher, Geschäftsführer der Pharmaplant Arznei- und Gewürzpflanzen-Forschungs- und Saatzucht GmbH, erörterte das Problem, dass hin und wieder unterschiedliche Pflanzenspezies fälschlich derselben taxonomischen Art zugeordnet werden. In solchen Fällen ist es für den Arzneimittelhersteller aufwändig, das richtige Ausgangsmaterial zu identifizieren. Weiterhin muss das Material den klaren Vorgaben des Arzneibuchs u. a. bezüglich der mikrobiellen Reinheit, der erlaubten Höchstmengen von Pestiziden und der Mindestgehalte wirksamer Inhaltsstoffe entsprechen.

Ebenfalls aus der Praxis der Phytopharmakaherstellung berichtete Dr. Gudrun Abel von der Bionorica AG in Neumarkt. Sie legte dar, dass die Qualität eines Arzneipflanzenextraktes sowohl von der Qualität der Pflanze als auch von der Art der Extraktherstellung abhängt. Meistens ist die Wirkung des Extrakts aufgrund von Synergismen stärker als die Summe der Wirkungen seiner einzelnen Bestandteile.

Pharmazeutische Biologie an den Universitäten

Die Diskussion über die Lehrinhalte der Pharmazeutischen Biologie an den verschiedenen Universitätsinstituten machte deutlich, dass die Schwerpunkte zum Teil sehr unterschiedlich gesetzt werden und die neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Pharmazeutischen Biotechnologie meistens – auch aus Mangel an Lehrzeit – nur unzureichend berücksichtigt werden. Es wurde angeregt, ein Curriculum zu erstellen, das sowohl die klassische Pharmakognosie als auch – möglichst in Zusammenarbeit mit den anderen Pharmazeutischen Fächern – die gen- und biotechnologische Herstellung von (Protein-) Wirkstoffen lehrt. Die an den einzelnen Standorten unterrepräsentierten Lehrinhalte könnten externe Dozenten in Block-Lehrveranstaltungen anbieten.

Die Durchführung des Fachgruppensymposiums wurde freundlicherweise durch eine großzügige Spende der Bionorica AG finanziell unterstützt.


Ilse Zündorf, Thomas Winckler, Werner Knöss

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