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Methode für die Kosten-Nutzen-Bewertung vorgelegt

KÖLN (tmb). Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat am 19. Oktober seine lange erwartete Methodik für die Kosten-Nutzen-Bewertung vorgestellt. Damit existiert in Deutschland erstmals ein Verfahren, nach dem Höchstbeträge für Arzneimittel festgelegt werden können, die gegenüber der etablierten Therapie einen anerkannten Zusatznutzen aufweisen und daher nicht in eine Festbetragsgruppe eingeordnet werden können. Angesichts der hohen Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel könnten diese Höchstbeträge bald ein sehr wichtiges neues Sparinstrument für die Krankenkassen werden.
IQWiG-Leiter Sawicki "Auch in diversen Stellungnahmerunden hat niemand einen praktikableren Alternativvorschlag unterbreitet."
Foto: DAZ Archiv

Das Methodenpapier ist das vorläufige Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses. Die letzte Entwurfsfassung war am 18. März publiziert und später in der DAZ ausführlich dargestellt worden (siehe DAZ 2009, Nr. 17, S. 67). Gegenüber diesem Entwurf enthält das neue Methodenpapier etliche Präzisierungen, aber die grundlegende Vorgehensweise blieb unverändert. Damit dürften auch die bisherigen Hauptkritikpunkte vonseiten der Pharmaindustrie und vieler internationaler Experten der Gesundheitsökonomie nicht ausgeräumt sein. In der Pressemitteilung zur Veröffentlichung der Methodik erklärte IQWiG-Leiter Prof. Dr. Peter Sawicki zu dem von ihm favorisierten Konzept der Effizienzgrenze: "Auch in diversen Stellungnahmerunden hat niemand einen praktikableren Alternativvorschlag unterbreitet." Mit Blick auf den vielfach geäußerten Vorwurf, das IQWiG beschreite einen deutschen Sonderweg, erklärte Sawicki: "Anders als einige Kritiker behaupten, machen wir auch nicht alles völlig anders als andere Länder. Unser Vorgehen unterscheidet sich deutlich von dem in Großbritannien, es gibt aber eine ganze Reihe von Parallelen zu Australien."

Festlegung von Höchstbeträgen

Mit der neuen Methodik soll das IQWiG Empfehlungen für Höchstbeträge geben. Diese wurden bereits 2007 durch das GKV-WSG eingeführt, konnten aber bisher wegen der fehlenden Methodik nicht umgesetzt werden. Auf der Grundlage der IQWiG-Empfehlungen soll der GKV-Spitzenverband demnächst Höchstbeträge, also Preisobergrenzen für Arzneimittel festlegen, wobei er auch die Entwicklungskosten berücksichtigen muss – außerdem können die Häufigkeit und die Schwere der Erkrankung in die Betrachtung eingehen. Das Verfahren betrifft nur Arzneimittel mit einem nachgewiesenen Zusatznutzen – für Arzneimittel ohne Zusatznutzen gibt es Festbeträge. Ausgeschlossen sind auch Arzneimittel, für die es bislang keine zweckmäßige Alternative gibt, beispielsweise bahnbrechende neue Substanzklassen. Damit wird verhindert, dass ein Patient aus wirtschaftlichen Gründen unbehandelt bleibt.

Effizienzgrenze bleibt zentrales Element

Grundlage der Kosten-Nutzen-Bewertung ist die zuvor vom IQWiG durchgeführte Nutzen-Bewertung, bei der ein Zusatznutzen festgestellt worden sein muss. Bereits dieses Verfahren ist methodisch umstritten, wie insbesondere die andauernde Diskussion über die Bewertung der Insulinanaloga zeigt. Bei der Kosten-Nutzen-Bewertung soll für Arzneimittel mit Zusatznutzen ein Höchstbetrag festgelegt werden, der ihrem Zusatznutzen im Vergleich zur etablierten Therapie "angemessen" ist. Bei der neuen Methodik geht es hauptsächlich darum, was in diesem Sinne "angemessen" sein soll. Das wichtigste Instrument dafür ist eine sogenannte Effizienzgrenze, die aus den bisherigen etablierten Therapien für die gleiche Indikation abgeleitet wird. Diese Effizienzgrenze soll so festgelegt werden, dass die bestehende Effizienz in einem Indikationsgebiet durch die Innovation nicht verschlechtert wird. Praktisch bedeutet dies, dass ein neues Arzneimittel ein mindestens ebenso gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zur besten bisherigen Therapie aufweisen muss, wie es diese Standardtherapie gegenüber ihrem Vorgänger hatte. Anderenfalls würde der Höchstbetrag so festgesetzt, dass der neue Preis gerade diese Bedingung erfüllt. Wenn ein Arzneimittel über mehrere nicht zusammenfassbare Nutzenaspekte verfügt, können mehrere Effizienzgrenzen nebeneinander betrachtet werden. Dann müsste zumindest in einem relevanten Nutzenaspekt die bisherige Effizienz erhalten bleiben. Für den Hersteller bestünde also eher die Chance einen höheren Preis durchzusetzen.

Die Effizienzgrenze stellt den methodischen Kern des Konzeptes dar, doch folgt als zusätzliche Bewertung eine Budget-Impact-Analyse, bei der ermittelt wird, wie die Innovation auf die Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung wirkt. Damit dürften Arzneimittel mit einem besonders großen Anwenderkreis vor einer zusätzlichen Hürde stehen.

Ausblick

In der Pressemitteilung zum neuen Methodenpapier betont das IQWiG den zwei Jahre dauernden Entwicklungsprozess der Methodik, doch habe sich die Mühe gelohnt. "Wir haben jetzt eine Methode, die sicherstellt, dass niemandem notwendige Leistungen vorenthalten werden. Das darf nicht sein – schon gar nicht, solange wir uns in der Medizin noch immer Dinge leisten, die nicht notwendig, sondern überflüssig sind," so Sawicki.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat bereits angekündigt, bald nach Fertigstellung des Methodenpapiers eine erste Kosten-Nutzen-Bewertung in Auftrag zu geben. In der Pressemitteilung des IQWiG heißt es sogar, nach einer Gesetzesänderung könnten alle Arzneimittel mit der neuen Methode bewertet werden, um so einen angemessenen Preis zu ermitteln. Auch wenn dies eine Zukunftsvision ist, macht es die möglichen großen Folgen der neuen Entwicklung deutlich. Doch zunächst wird sich die neue Methode in der Praxis bewähren müssen.

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