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DAZ aktuell
Langfristig keine Ruhe für Apotheken
Was alles auf die Apotheken zukommen kann, erläuterte Wille bei der Tagung des Quedlinburger Kreises am 31. Oktober. Langfristig sieht er drei große Herausforderung: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot werde wohl in den nächsten vier Jahren nicht angetastet, die Diskussion sei aber nicht dauerhaft vom Tisch. Dies gelte auch für die Abschaffung der doppelten Facharztversorgung. Wenn alle Fachärzte an Krankenhäusern konzentriert würden, wäre dies eine starke Einbuße für die Apotheken. Die dritte Herausforderung sei die Integrierte Versorgung, bei der sich Apotheken an Anbieternetzen beteiligen müssten.
Einnahmeproblem bleibt
Kurzfristig sieht Wille die größten Probleme bei der finanziellen Situation der GKV. Dies könne bald zu einem Vorschaltgesetz mit Einsparungen bei Arzneimitteln führen. Auf weitere Steuerzuschüsse für die GKV sei kaum zu hoffen, weil bereits viele Steuern in die GKV fließen und der Staat mittlerweile zu einer echten dritten Säule der Finanzierung geworden ist. Langfristig könnte nur eine neue tragfähige Finanzierung vor weiteren Einschnitten auf der Ausgabenseite schützen.
Im internationalen Vergleich seien die Kosten des deutschen Gesundheitswesens nur durchschnittlich und keineswegs auffällig. Die Generikapreise seien sogar besonders niedrig, die Innovationen dagegen teurer als in Ländern mit Preisregulierung. Die hohen Ausgaben für neue Arzneimittel seien das größte Problem im Arzneimittelbereich, darum solle das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen den Zusatznutzen der Innovationen ermitteln.
Angemessene Regulierung
Den Gesundheitsfonds sieht Wille neutral, dies sei nur ein "Instrument des Geldeinsammelns". Durch die Maßnahmen rund um den Fonds nehme der Wettbewerb nicht ab, sondern sogar zu, weil sich Ausschüttung und Zusatzbeiträge in einem absoluten Geldbetrag bei den Arbeitnehmern niederschlagen. Zum übrigen gesundheitspolitischen Instrumentarium äußerte sich Wille, der selbst als Vorsitzender des Sachverständigenrates für das Gesundheitswesen die Politik an zentraler Stelle berät, dagegen teilweise sehr kritisch. Insbesondere beklagte er die unüberschaubare Vielfalt der Regulierungsinstrumente, die sich teilweise gegenseitig beeinträchtigen oder sogar erübrigen oder deren Effekte sich duplizieren. Es würden immer wieder neue zusätzliche Regeln eingeführt, ohne die Wechselwirkungen mit bestehenden Regeln zu prüfen. Die meisten Regeln würden beim Arzt ansetzen, aber indirekt auch die Apotheken treffen. Früher habe das französische System mit Preisverhandlungen und vereinbarten festen Preisen als ordnungspolitisch problematisch gegolten, doch inzwischen sei dies wohl besser als das Durcheinander in Deutschland.
Eine gewisse Regulierung sei im Gesundheitswesen nötig, um Fehlanreize zu vermeiden, doch sollten dabei Leitbilder wie Effizienz, Zielorientierung, Solidarität und Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Wille habe ein System mit nur vier Instrumenten vorgeschlagen. Rabattverträge sieht er allerdings als geeignet an, weil sie eine marktwirtschaftliche Lösung seien. Doch würden einige Rabattverträge in Verbindung mit Zuzahlungsbefreiungen die Grundidee der Beitragsentlastung konterkarieren, so seien sie zu einem Marketinginstrument geworden.
Neue Wettbewerbsmöglichkeiten
Großen Handlungsbedarf sieht Wille an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Die demografische Entwicklung und der medizinische Fortschritt böten dort große Chancen für Wettbewerb, es gebe auch Instrumente dafür, beispielsweise Medizinische Versorgungszentren. Doch habe es die Regierung versäumt, die Rahmenbedingungen anzupassen. Unterschiedliche Finanzierungs- und Zulassungsregeln würden zu Fehlanreizen führen.
Im Bereich der Integrierten Versorgung und der Disease-Management-Programme erwartet Wille in den nächsten zwei bis drei Jahren wenig Dynamik, weil die Anreize durch den neuen morbiditätsabhängigen Risikostrukturausgleich entfallen seien. Dagegen würden sich Selektivverträge weiter entwickeln. Diese würden die Versorgung aber nicht zu einem Flickenteppich machen, sondern den Wettbewerb in den Kassenärztlichen Vereinigungen fördern.
Letztlich werde die demografische Entwicklung die Nachfrage im Gesundheitswesen erhöhen. Die große Zahl der Alten könne in manchen Regionen zu einem Versorgungsproblem werden, weil nicht genügend Pflegepersonal vorhanden ist und junge Ärzte unattraktive Gebiete meiden werden. Die Apotheker bräuchten sich nicht um ihre Nachfrage zu sorgen, sie müssten aber immer wieder neue Reformen erwarten. Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Quedlinburger Kreises, gab aber zu bedenken: "Das Gesundheitssystem ist nur ein Lehen des Staates, das jederzeit entzogen werden kann."
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