Selbstmedikation

Leitliniengerechter Einsatz von Schmerzmitteln

Kombinationspräparate zur Behandlung von Kopfschmerzen wurden lange Zeit sehr kritisch betrachtet. Nach neueren Auffassungen werden zur Selbstmedikation bei Migräne und Spannungskopfschmerzen die Kombination von Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein empfohlen. Mehrere Studien haben die therapeutische Wirksamkeit gezeigt, jedoch fehlen noch Langzeitdaten zum Abhängigkeitspotenzial. Prinzipiell sollte die Auswahl eines Wirkstoffes immer unter Berücksichtigung der Begleiterkrankungen und Begleitmedikation erfolgen.

In den vergangenen Jahren wurden coffeinhaltige Kombinationspräparate auf der Grundlage aktueller Studiendaten neu bewertet: Waren 1995 in der Therapie der Migräne noch die Monopräparate 1. Wahl, so werden seit 2002 coffeinhaltige Analgetikakombinationen empfohlen. Vor allem eine zerebrale Vasokonstriktion sprach für den Zusatz von Coffein. Es gilt als nachgewiesen, dass Coffein den Wirkungseintritt von ASS und Paracetamol beschleunigt sowie ein geringes analgetisches Eigenpotenzial besitzt. Es wirkt antagonistisch an zentralen Adenosin-A1-Rezeptoren und verstärkt die inhibitorische glycerinerge Übertragung. Gegen Coffein spricht eine psychotrope Wirkung und ein diskutiertes Nephropathierisiko. Eine Metaanalyse ergab jedoch keine schlüssigen Beweise dafür, dass Coffein in Kombinationsarzneimitteln das Risiko einer Nephropathie erhöht bzw. ein Abhängigkeitspotenzial zeigt. Insgesamt wird die Datenlage aber als dünn eingeschätzt, ein Fehlen von Beweisen heißt nicht, dass es keine gibt: das Risiko ist nicht klar erkennbar, aber auch nicht eindeutig belegt. Andere nicht-verschreibungspflichtige Analgetika wie Diclofenac, Naproxen oder Naratriptan werden in den Selbstmedikationsleitlinien gar nicht erwähnt, da klinisch relevante Therapiestudien nicht vorliegen.

Paracetamol ist sicher, aber nicht ungefährlich!

Paracetamol wird in der Regel – im Gegensatz zu den sauren Analgetika – mit einem niedrigeren Risiko für Ulcera assoziiert. Dabei treten auch unter Paracetamol erosive Schleimhautschäden auf, das Nebenwirkungsspektrum der beiden Analgetikagruppen unterscheidet sich vor allem in quantitativer Hinsicht und weniger in qualitativer. Es darf nicht vergessen werden, dass alle COX-Hemmer (auch Paracetamol) ein Potenzial für Blutdrucksteigerungen, kardiovaskuläre Ereignisse oder Bronchokonstriktion besitzen. Wichtig ist in der Apotheke bei der Auswahl eines Analgetikums eine umfassende Medikamentenanamnese. 38% der bekannt gewordenen Paracetamol-Überdosierungen resultierten aus einer Kombination paracetamol-haltiger Präparate. Besonderes Augenmerk gilt hier den paracetamolhaltigen Grippemitteln. Diese Begleitmedikation muss unbedingt erfragt werden! Um Überdosierungen zu vermeiden müssen auch konsequent die Kontraindikationen und Wechselwirkungen beachtet werden: Akute Hepatitis, Leberinsuffizienz und Alkoholismus sind als Kontraindikationen strikt zu beachten. Das Risiko einer Leberschädigung unter Paracetamol kann bei der chronischen Einnahme von Enzyminduktoren wie Isoniazid, Rifampicin oder Phenoarbital gesteigert sein. Den gleichen Effekt kann eine eingeschränkte Gluthathionreserve bewirken, wie sie bei anorektischen oder bei kachektischen Patienten auftreten kann. Und gerade bei Senioren mit Untergewicht und einer sehr geringen Muskelmasse ist eine Kachexie nicht selten. Bemerkenswert ist, dass 10% der Fälle mit akutem Leberversagen bei therapeutischen Dosen auftraten! Daher ist die Dosierung stets präzise anzugeben – alters- und am besten gewichtsbezogen. Es sollte genau notiert werden, wie oft wie viel Paracetamol genommen wurde. Frühestens nach sechs bis acht Stunden darf nachdosiert werden. Es gilt, Paracetamol sobald wie möglich abzusetzen.

Selbstbehandlung bei Kopfschmerzen
Kopfschmerzen
vom Spannungstyp
akute Migräneattacken
mit und ohne Aura
Mittel der 1. Wahl sind:
Einzeldosis mit
1000 mg Acetylsalicylsäure

Einzeldosis mit 400 mg Ibuprofen

Einzeldosis der fixen Kombination aus 500 mg Acetylsalicylsäure + 500 mg Paracetamol + 130 mg Coffein*
Einzeldosis mit
1000 mg Acetylsalicylsäure

Einzeldosis mit 400 mg Ibuprofen

Einzeldosis mit 1000 mg Paracetamol

Einzeldosis der fixen Kombination aus 500 mg Acetylsalicylsäure + 500 mg Paracetamol + 130 mg Coffein*
Mittel der 2. Wahl ist:
Einzeldosis mit 1000 mg Paracetamol
* In Deutschland steht derzeit kein Kombinationspräparat mit einer identischen Zusammensetzung zur Verfügung. Es sind jedoch Präparate mit einer nur geringfügig abweichenden Zusammensetzung erhältlich.

Schmerztagebuch führen!

Nach Einschätzung von Dr. Eric Martin, Marktheidenfeld, ist Paracetamol ein schwaches Analgetikum ohne substanzielle Vorteile, aber hoher Toxizität bei Fehlgebrauch: Insbesondere bei allen chronischen Schmerzen sollte der Gebrauch genau abgewogen werden und die Gabe auf drei Tage beschränkt werden. Auch bei chronischen Schmerzen sollten die Patienten darauf hingewiesen werden, dass sie Paracetamol nicht öfter als an zehn Tagen im Monat anwenden. In der Kombination mit ASS und Coffein ist Paracetamol wirksam, es hat vermutlich kein Abhängigkeits- und Nephropathiepotenzial, die Verträglichkeitsvorteile sieht Martin jedoch nicht als belegt an. Martin wies darauf hin, dass die Risiken beim Einsatz von Analgetika dosiskorreliert sind. Alle Analgetika mit einer Zulassung für die Selbstmedikation sind sicher bei bestimmungsgemäßem und sporadischem Einsatz. Um den Bedarf an Schmerzmitteln zu objektivieren, sollten die Kunden im Rahmen einer guten pharmazeutischen Betreuung dazu angehalten werden, ein Schmerztagebuch zu führen.

Quelle

Dr. Eric Martin, Marktheidenfeld: Analgetika in der Selbstmedikation – Was gibt es Neues?, 12. Februar 2009, Pharmacon Davos.


ck

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