Gesundheitspolitik

Landgericht weist Vitalsana in überschaubare Schranken

Wettbewerbszentrale rügt Geschäftsklauseln und bekommt teilweise Recht

Berlin (ks). Die Schlecker-Tochter Vitalsana muss bei ihrer Werbung für Arzneimittel ausdrücklich auf ihren Sitz in den Niederlanden hinweisen und auf ihren Bestell- und Abholscheinen deutlich machen, dass sie selbst – und nicht Schlecker – bei einer Bestellung Vertragspartner wird. Dies hat das Landgericht Ulm am 19. Mai entschieden. Einer deutschen (Teil-)Betriebserlaubnis bedarf die holländische Versandapotheke, die einen Teil ihrer Aktivitäten in Deutschland abwickelt, dem Urteil zufolge jedoch nicht.

Der Wettbewerbszentrale waren eine Reihe von Geschäftspraktiken der Versandapotheke zuwider gelaufen. Sie hatte daher gegen Vitalsana Klage erhoben und nun vom Landgericht Ulm in vielen Punkten Recht bekommen. Mit einigen Anträgen konnte sich die Wettbewerbszentrale jedoch nicht durchsetzen.

Irreführende Angaben zur Rechtspersönlichkeit

So moniert das Gericht in Übereinstimmung mit der Klägerin, dass die Werbung keinen Hinweis darauf enthielt, dass Vitalsana eine niederländische Firma mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit ist, und überdies in eine Schlecker-Werbedruckschrift integriert war. Hierdurch sei beim Verbraucher der unzutreffende Eindruck entstanden, die beworbenen Arzneimittel seien Angebote von Schlecker. Auch der Hinweis auf dem unteren Rand des Bestell- und Abholscheins, dass sich der Sitz der Apotheke in den Niederlanden befindet, war aus Sicht des Gerichts nicht ausreichend. Zwar sei hier nicht der flüchtige Betrachter maßgeblich, doch infolge der Integration in die Werbung müssten beide Bereiche gemeinsam betrachtet werden. Daher sei auch hier von einer Irreführung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auszugehen.

Entgeltliche Beratungs-Hotline kein Problem

Kein Problem hatten die Richter allerdings damit, dass Vitalsana seine Beratungs-Telefon-Hotline nur gegen Gebühr anbietet. Ein Unterlassungsanspruch bestehe insoweit nicht. Die Pflichten für Versandapotheken seien hinsichtlich der Beratung gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 1a letzter Satzteil AMG in Verbindung mit § 17 Abs. 2a ApBetrO und speziell die Hinweis-/Informationspflicht in der dortigen Nr. 7 "eingehend und abschließend geregelt", heißt es im Urteil. Unentgeltlichkeit sei dabei nicht vorgeschrieben. Es bestehe lediglich eine Hinweispflicht darauf, dass der Kunde, sofern er dies wünscht, eine Beratung im Wege der Telekommunikation erhält. Eine Beratungspflicht, wie sie nach § 20 ApBetrO für Präsenzapotheken gilt, bestehe für Versandapotheken nicht. Unabhängig davon enthalte aber auch § 20 ApBetrO keine Regelung zur Ent-/Unentgeltlichkeit.

Dagegen untersagten die Richter der Versandapotheke sich bei der Abwicklung von Verträgen auf eine Klausel zu berufen, derzufolge eine pharmazeutische Beratung nicht stattfinde, wenn der Kunde einer Aufzeichnung des Telefongesprächs widerspricht. Für die Kammer war dabei von entscheidender Bedeutung, dass jedenfalls für einen gewissen Teil der Kunden das Verlangen zur Zustimmung der Aufzeichnung Anlass sein wird, von einer Beratung Abstand zu nehmen. Hierdurch sei jedoch der Grundgedanke der Informations- und Beratungspflicht der Apotheken gefährdet. "Selbst wenn nur ein sehr geringer Teil der Kunden die Zustimmung verweigern sollte, so beruht dies nicht auf einer freiwilligen Entscheidung, sondern wird zumindest in vielen Fällen nach Überzeugung der Kammer nur deshalb in Kauf genommen werden, weil ansonsten keine Information und Beratung erfolgt", heißt es im Urteil. Auf diese Weise entstehe in der Hand der Beklagten eine Sammlung von Informationen über die Kunden, ohne dass diese Einfluss auf jedwede zukünftige Verwendung hätten. Hierin sehen die Richter einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Nicht zuletzt darf sich Vitalsana auch nicht auf die Klausel berufen, dass bei Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich niederländisches Recht anzuwenden sei. Da es keinen ausreichenden Hinweis darauf gebe, dass die Beklagte eine niederländische Versandapotheke ist, handele es sich um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c BGB. Nach der Norm wird die Klausel damit nicht Vertragsbestandteil.

Hilfsanträge ohne Erfolg

Hilfsweise hatte die Wettbewerbszentrale beantragt, Vitalsana zu untersagen, ohne Apothekenbetriebserlaubnis verschiedene Handlungen vorzunehmen – so etwa über eine selbstständige gewerbliche (Zweig-) Niederlassung ihre den deutschen Markt betreffende Marketingmaßnahmen zu leiten, die pharmazeutische Beratung vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen, die Rezeptverarbeitung durchzuführen bzw. durchführen zu lassen oder Arzneimittelretouren anzunehmen bzw. annehmen zu lassen. Doch eine deutsche Betriebserlaubnis hielten die Richter nicht für erforderlich, da es sich bei den genannten Tätigkeiten der Beklagten um logistische Teilbereiche eines Versandapothekenbetriebs handele. So sei das Betreiben einer selbstständigen gewerblichen Niederlassung in Deutschland eine interne Organisationsmaßnahme, die nicht über das nationale Arzneimittelrecht geregelt sei. Auch die Form der pharmazeutischen Beratung unter Einschaltung von Drittfirmen, die Mitarbeiter in Deutschland beschäftigen, sowie für die Rezeptverarbeitung und die Organisation der Arzneimittelretouren zögen nicht die Erforderlichkeit einer deutschen "Teilapothekenbetriebserlaubnis" – die es nach den nationalen Bestimmungen ohnehin nicht gebe – nach sich.

Bezugnahme auf dm-Urteil des BVerwG

Insoweit schließt sich die Kammer der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts an. Dieses hatte in seinem dm-Urteil vom 13. März 2008 zur Frage der Zulässigkeit einer Abholstelle und zu Rezeptsammelstellen im Zusammenhang mit dem Versandhandel von Arzneimitteln entschieden, dass § 24 ApBetrO (Rezeptsammelstellen) für die Entgegennahme von Arzneimitteln im Versandhandel nicht einschlägig sei. Diese Regelung gehe von der räumlichen Bindung der Arzneimittelabgabe an die Apotheke aus. Eine solche fehle aber beim Versandhandel, sodass die daran anknüpfende Bestimmung nicht anzuwenden sei. Diese Erwägungen gelten nach Ansicht der Ulmer Richter auch für die Organisation der Beklagten hinsichtlich der pharmazeutischen Beratung, der Rezeptverarbeitung und der Arzneimittelretouren.

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