Gesundheitspolitik

FDP: "Pick-up-Verbot steht ganz oben auf der Prioritätenliste"

Ulrike Flach, FDP: "Wir wollen die Freiberuflichkeit der Apotheker stärken"

BERLIN (lk). Deutliche Worte von der gesundheitspolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Ulrike Flach im AZ-Interview: Der feste Wille der Koalition: "Das Verbot der Pick-up-Stellen steht in diesem Jahr auf unserer Prioritätenliste ganz oben." Und: "Wir wollen die Apotheken in ihrer heutigen Form halten und stützen." Auf welchem Weg dieser feste Wille umzusetzen ist, ist noch offen. Über ein Verbot der Versandapotheken dürfte er allerdings nicht laufen. Was unser AZ-Korrespondent Lothar Klein außerdem im Gespräch mit der gesundheitspolitischen Sprecherin der FDP erfuhr, lesen Sie im nachfolgenden Interview.

Ulrike Flach
Foto: FDP/Frank Ossenbrink

AZ: FDP und Union haben im Koalitionsvertrag ein Verbot der Pick-up-Stellen angekündigt. Es mehren sich auch beim Koalitionspartner CDU/CSU die Zweifel, dass dies gesetzgeberisch umsetzbar ist. Was sagen Sie?

Flach: Das haben wir bewusst und im Wissen um die Schwierigkeiten in den Koalitionsvertrag geschrieben. Und deswegen steht das Verbot der Pick-up-Stellen in diesem Jahr auf unserer Prioritätenliste ganz oben. Das ist unser fester Wille. Die FDP steht da im Wort. Auch wenn die Umsetzung im Detail nicht ganz leicht werden wird. Wir wollen die Freiberuflichkeit der Apotheker in der heutigen Form stärken. Wir wollen eine ordentliche Beratung für die Menschen. Wir wollen, dass die Menschen in der Apotheke kompetente Ansprechpartner finden. Auch unter Kosten-Nutzen-Erwägungen bringt dies für das gesamte Gesundheitswesen große Vorteile.


AZ: Rechtsexperten sehen einen Zusammenhang zwischen Pick-up-Stellen und Versandapotheken. Oder wollen Sie auch Versandapotheken verbieten?

Flach: Auf keinen Fall wollen wir Versandapotheken verbieten. Wie wir das Verbot der Pick-up-Stellen regeln, kann ich im Detail noch nicht beantworten. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler prüft zurzeit alle Möglichkeiten. In absehbarer Zeit werden wir Ergebnisse erhalten.


AZ: Falls ein Verbot scheitern sollte, sehen Sie den zweitbesten Weg darin, Pick-up-Stellen durch strenge Auflagen auf ein Mindestmaß zu begrenzen?

Flach: Solange ich die Ergebnisse der Rechtsprüfung nicht kenne, denke ich nicht über Alternativen nach. Mir liegen zudem keine Informationen vor, dass ein Verbot nicht möglich sein sollte. Klar ist: Wir wollen die Apotheken in ihrer heutigen Form halten und stützen. Sie sind ein Qualitätsmerkmal für Deutschland.


AZ: Der EuGH hat mit seinem Urteil zum Mehrbesitzverbot Deutschlands Apothekenrecht gestärkt. Wie sieht das eine FDP-Politikerin, die sich immer für mehr Wettbewerb und freie Märkte einsetzt?

Flach: In einem immer komplexeren Gesundheitssystem mit beinahe täglich neuen Arzneimitteln, mit einem steigenden Bedarf an kompetenten Kosten-Nutzen-Bewertungen bei Medikamenten, wird die Rolle des Apothekers immer wichtiger. Dafür brauche ich den Qualitätsstempel des Apothekers und seiner Ausbildung. Das wollen wir schützen. Daher kann ich das Mehrbesitzverbot mit meiner liberalen Seele gut vereinbaren.


AZ: Wie stehen Sie denn zum Thema Kettenapotheken?

Flach: Unter dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherung müssen wir uns sicher mit allen Vertriebsmodellen auseinandersetzen. Trotzdem kann ich mir jetzt Kettenapotheken in Deutschland nicht vorstellen. Es liegen dafür keine zielführenden Konzepte auf dem Tisch, über die wir diskutieren könnten.


AZ: Versprochen hat die Koalition ebenso, die Wechselfrist für Versicherte von den gesetzlichen zu den privaten Krankenkassen wieder von drei auf ein Jahr zu verkürzen. Bleibt es dabei?

Flach: Darauf haben wir uns geeinigt. Das wird noch in diesem Jahr so kommen. Ab 2011 soll wieder die einjährige Wechselfrist gelten.


AZ: Was halten Sie von der sogenannten Mehrkostenregelung für Arzneimittel?

Flach: Ich glaube, dass dies ein richtiger Weg ist, den Patienten trotz geltender Rabattverträge für Generika die Einnahme ihres Wunschpräparates dadurch zu ermöglichen, dass sie mögliche Preisdifferenzen selbst bezahlen. Darüber waren wir uns in der Koalition rasch einig. Das ist aber nur ein Aspekt. Vor allem müssen wir uns um die teuren, neuen und innovativen Arzneimittel kümmern. Da laufen die Arbeiten auf Hochtouren.


AZ: Wie soll das funktionieren?

Flach: Auf jeden Fall müssen wir das Instrument der Kosten-Nutzen-Bewertung viel stärker nutzen und den Krankenkassen Spielraum für Preisverhandlungen einräumen. Auf der anderen Seite müssen wir aber darauf achten, dass die Patienten neue, hilfreiche Arzneimittel so schnell wie möglich erhalten. Sonst bekommen wir an dieser Stelle eine schwierige ethische Debatte. Das macht diese Debatte so schwierig. Deshalb müssen wir auch die pharmazeutische Industrie in diese Überlegungen mit einbeziehen. Eine Lösung haben wir noch nicht. Wir sollten diese hochemotionale Debatte auf jeden Fall in Ruhe führen.


AZ: Die Koalition will mit Anreizen den Ärztemangel auf dem Land bekämpfen.

Flach: Ich glaube nicht, dass wir das Problem allein mit finanziellen Anreizen lösen, wie dies einige Vertreter aus der Ärzteschaft vorschlagen. Wir werden aber Anreize setzen müssen, möglicherweise über die Bedarfsplanung. Auch die medizinischen Versorgungszentren (MVZ) spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Oder wir arbeiten mit "Flying Doctors". Auch das ist eine Option. Aber Geduld: Die Koalition regiert gerade erst seit 100 Tagen. Wir können noch nicht auf jede Frage Antworten präsentieren. Wir werden aber noch im ersten Halbjahr 2010 Vorschläge auf den Tisch legen.


AZ: Dafür tobt in der Koalition die Diskussion über die Gesundheitsprämie umso heftiger. Vor allem die CSU präsentiert sich als Gegenspieler von Gesundheitsminister Rösler. Welche Chancen besitzt die Kopfprämie überhaupt noch?

Flach: Trotz aller Begleittöne haben wir in der Koalition zwischen den Gesundheitspolitikern ein sehr harmonisches Miteinander. Im Koalitionsvertrag haben wir die Gesundheitsprämie mit Sozialausgleich vereinbart. Wir gehen davon aus, dass sich unser Koalitionspartner daran hält. Sonst wird es schwierig.


AZ: Das hört sich nach langwierigen Debatten an.

Flach: Im Gegenteil: Wir werden rasch Vorschläge für den Sozialausgleich auf den Tisch legen. Wir wollen unseren ambitionierten Zeitplan einhalten. Zum 1. Januar 2011 soll das neue Finanzierungssystem für die gesetzlichen Krankenkassen starten. Im Frühsommer wollen wir mit der Gesetzgebung ins Parlament gehen.


AZ: Dann haben Sie schon fertige Modelle in der Schublade liegen?

Flach: In meiner Schreibtischschublade liegen keine Modelle. Aber Gesundheitsminister Philipp Rösler hat Modelle. Wir müssen uns in der Regierungskommission auf die richtige Variante einigen. Das wird schwierig genug. Aber die FDP wird aufs Tempo drücken.


AZ: Frau Flach, vielen Dank für das Gespräch.

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