Gesundheitspolitik

Geforderte Senkung des Mehrwertsteuersatzes kostet die Apotheken Ertrag

Von Klaus G. Brauer und Uwe Hüsgen

Neben Deutschland erheben innerhalb der EU nur Bulgarien und Dänemark den vollen Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel. Die Forderung, auch in Deutschland nur den reduzierten Satz (7%) auf Arzneimittel zu erheben, ist populär – auch auf Apothekertagen war sie häufig zu hören. In einer aktuellen Pressemeldung der ABDA (1. 2. 2010) wird diese Forderung erneut aufgegriffen (vgl. DAZ.online am 2. 2. 2010).

In der Tat: Krankenkassen und Patienten wären dadurch in 2008 in der GKV um rund 3 Mrd. Euro entlastet worden1.

Übersehen wird allerdings gern, dass die Mehrwertsteuerabsenkung – ohne Kompensationsmaßnahmen – die Apotheken teuer zu stehen käme. Ursache ist der Kassenrabatt, der Abschlag, den die Apotheken den gesetzlichen Krankenkassen für jedes zu Lasten der GKV abgegebene Arzneimittel gewähren müssen (§ 130 SGB V). Bei dem gegenwärtig noch erhobenen Kassenabschlag von 2,30 Euro je verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittelpackung läge für 2009 der Verlust in der Durchschnittsapotheke bei 6300 Euro pro Jahr; würde der Kassenrabatt, wie von der Schiedsstelle entschieden, auf 1,75 Euro je Packung abgesenkt, ergäbe sich durch eine Mehrwertsteuerabsenkung von 19% auf 7% immer noch ein Verlust von 4800 Euro pro Jahr.

Die Hintergründe in Zahlen und Fakten

Nach Angaben der ABDA sind in 2009 in Apotheken auf Kassenrezept rund 450 Mio. Rezepte mit etwa 736 Millionen Packungen Arzneimittel, Hilfsmittel sowie OTC-Medikamente für Kinder abgegeben worden.

Unterstellt man, dass von diesen verordneten 736 Mio. Packungen ein dem Vorjahr entsprechender Anteil auf verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel entfallen ist, so kommt man auf knapp 629 Mio. Packungen.

Die Folgen einer Mehrwertsteuerabsenkung von 19% auf 7% – einmal auf der Basis des Kassenrabattes von 2,30 Euro je Packung, einmal auf der Basis von 1,75 Euro – zeigt die Modellrechnung in der Tabelle.

Konsequenzen

Es ist legitim, wenn die Apotheker eine – sinnvolle – Senkung des Mehrwertsteuersatzes mit der Forderung verbinden, dadurch entstehende Rohertragsverluste der Apotheken über eine Anpassung des Rabattes, den die Apotheken den gesetzlichen Krankenkassen nach § 130 SGB V gewähren müssen, zu kompensieren. Der Rabatt von 1,75 Euro müsste zum Beispiel um gut 0,17 Euro reduziert werden, damit die Mehrwertsteuersenkung von 19% auf 7% den Ertrag der Apotheken nicht beeinflusst.

Korrespondenzadresse:Dipl. Math. Uwe Hüsgen, Bremerstraße 30, 45239 Essen, E-Mail: uwe.huesgen@web.de
Auswirkungen einer Absenkung der Mehrwertsteuer von 19% auf 7% auf die Erträge der öffentlichen Apotheken
(bezogen auf 2009)
2
1
Apothekenrabatt je GKV-Rx-Fertigarzneimittel (FAM)
1,75 €
1,75 €
2,30 €
2,30 €
2
Mehrwertsteuersatz
19%
7%
19%
7%
3
Zahl der Rx-FAM zulasten der GKV in Mio.
628,8
628,8
628,8
628,8
4
Rohertragsverlust aus Apothekenrabatt
je GKV-Rx-FAM in €3
1,47 €
1,64 €
1,93 €
2,15 €
5
Rohertragsverlust der Apotheken durch GKV-Rx-FAM
in Mio. €, im Vergleich 19% und 7% MWSt.-Satz4
924,7 €
1.028,4 €
1.215,3 €
1.351,6 €
6
Zusätzlicher Rohertragsverlust der Apotheken
bei Reduzierung der MWSt. von 19% auf 7%
103,7 Mio. €
136,3 Mio. €
7
Zahl der Apotheken (Jahresdurchschnitt 2008)5
21.586
21.586
21.586
21.586
8
Rohertragsverlust durch GKV-Rx-FAM je Apotheke in €
42.838 €
47.643 €
56.302 €
62.616 €
9
Zusätzlicher Verlust durch MWSt.-Reduzierung
je Apotheke in €
= 4.805 €
= 6.314 €

Quelle: ABDA Zahlen, Daten, Fakten 2008; Eigene Berechnungen

1 GKV-Arzneimittelumsatz der Apotheken in 2008: 29,3 Mrd. €; (29,3 Mrd.: 1,19) x 1,07= 26,3 Mrd. €; Differenz 3 Mrd. €

2 vorläufig

3 Zum Beispiel berechnet für den Kassenrabatt von 2,30 Euro: Bei 19% MWSt. wird die Apotheke netto durch 1,93 € je Packung belastet (2,30: 1,19 = 1,93); bei 7% MWSt. steckt in den 2,30 eine Nettobelastung der Apotheke in Höhe von 2,15 €

4 Zum Beispiel 1,47 € x Packungszahl (628,8 Mio.)

5 Der Jahresdurchschnitt 2009 ist noch nicht verfügbar. Er wird aber voraussichtlich nur unerheblich vom Jahresdurchschnitt 2008 abweichen.

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