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Feuilleton
Aus dem Alltag der Osterhasen
Die Frage, seit wann Hasen zu Ostern bunte Eier legen, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Der Hase war schon in der Antike ein Symbol für Fruchtbarkeit. Der Kirchenvater Ambrosius von Mailand (339 – 397) deutete den jahreszeitlichen Farbwechsel des Schneehasen Lepus timidus als Symbol für die Auferstehung. In der byzantinischen Tiersymbolik war der Hase eine Allegorie für Jesus Christus.
Vom Osterei zum Osterhasen
Eier symbolisierten auf den keltischen Ostara-Festen Fruchtbarkeit und Neubeginn. Insbesondere im Osten Europas wurde es später zum christlichen Osterfest üblich, das Leben auch farbig zu versinnbildlichen, indem man die Eier rot bemalte. Der Frankfurter Arzt Johannes Richier behauptete indessen, dass der Genuss der Ostergaben nicht ungefährlich sei. In seiner 1682 in Heidelberg erschienenen Dissertation "De ovis paschalibus / Von Oster-Eyern" berichtete er, dass die hartgekochten Eier bei Jung und Alt wiederholt heftige Magen- und Darmstörungen hervorgerufen haben. Ein Franziskaner sei sogar durch ein Osterei ums Leben gekommen, denn er habe "ein rothes Ey ganz wollen hinein schlucken, es ist aber das Ey zu gross und sein Halß zu klein gewesen, dass er alsobald daran ersticket".
Der Heidelberger Medizinprofessor Georg Franck von Franckenau hatte im selben Jahr versichert, einen Hasen beim Eierlegen beobachtet zu haben. Francks Abhandlung gilt heute als ältester schriftlicher Beleg über die Existenz des "Lepus paschalis".
Erst 1755 wurde abermals über die für Säugetiere ungewöhnliche Fähigkeit des Hasen, Eier zu legen, berichtet. Der Förster Johann Friedrich Fuhrmann aus Solnhofen hatte einen verwaisten Junghasen mit nach Hause genommen und aufgezogen. Nachdem ein Jahr vergangen und das Tier geschlechtsreif geworden war, entdeckte der Förster zur Osterzeit in dessen unmittelbarer Nähe ein weißes Ei. Über jegliche Selbstzweifel erhaben, sagte er später unter Eid aus, dass nur der Hase das Ei gelegt haben könne.
Zuckerbäcker machten den Osterhasen populär
Nach der Überlieferung waren Osterhasen ursprünglich nur in der Region vom Oberrhein bis Westfalen verbreitet. In anderen Gegenden Deutschlands glaubte man hingegen, dass Hennen, Kraniche, der Kuckuck oder sogar der Storch zu Ostern die Kinder beschenken.
Als im frühen 19. Jahrhundert der einstige Luxusartikel Zucker für immer mehr Menschen erschwinglich wurde, weil er in großen Mengen aus heimischen Zuckerrüben hergestellt wurde, witterte die Zunft der Zuckerbäcker ein lukratives Saisongeschäft mit dem Osterhasen. Schnell wurden Osterhasen aus Schokolade und Marzipan über Deutschland hinaus populär.
Die in Oschatz ausgestellten Osterhausen aus der Sammlung der Leipziger Ethnologen und "Leporologen" Dr. Birgit Scheps-Bretschneider und Klaus Glöckner zeigen eine enorme Vielfalt der Formen. Typisch ist der hockende Hase – zuweilen mit Schleife und Glocke um den Hals; aber der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. So gibt es zahlreiche Exemplare von "Lepus paschalis var. erectus", also aufrecht gehenden Langohren mit zuweilen sehr menschlichen Verhaltensweisen.
Heute kreiert die Designerin Brunhild Senger für etwa achtzig Prozent aller österlichen "Hohlfiguren aus Schokolade" die Bekleidung aus Alufolie. Die meisten Figuren sind "klassisch" gewandet. Auf besonderen Wunsch entwirft Senger aber auch innovative, trendige Hasenfiguren. Als Beispiel sei nur ein Hase mit roter Weihnachtsmannmütze erwähnt.
Während der Flower-Power-Welle Anfang der 70er Jahre wurden Langohren bunt wie Hippies eingekleidet. Später soll Boris Becker Vorbild für die Kreation eines Tennis-spielenden Hasen gewesen sein.
Hasen als Spielzeug …
Auch die Spielzeugmacher erkannten im 19. Jahrhundert die Zeichen der Zeit und stellten Osterhasen aus Holz, Pappmaché und anderen Materialien her. Dabei verliehen sie ihm – im Gegensatz zum echten Hasen – einen ausgeprägten Familiensinn. So gibt es in der Ausstellung ein Hasenkind, das sein Geschwisterchen in einer Eierschale spazierenfährt, ein Hasenkind mit Hasenpüppchen oder eine Hasenmutter mit Baby im Kinderwagen.
Wer fleißig Eier legt, sie bemalt und zu Ostern versteckt, verdient für den Rest des Jahres eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung. Dies belegen Darstellungen von Hasen, die im Spielmannszug musizieren. Olbernhauer Drechsler haben "Meister Lampe" beim Skilaufen und Snowboardfahren, aber auch beim winterlichen Sonnenbad im Liegestuhl beobachtet. Natürlich ist das Computerzeitalter auch bei "Lepus paschalis" angekommen. Und eine kleine hölzerne Figurengruppe mit "Starenkasten" und zwei langohrigen Polizisten zeigt, dass auch autofahrende Osterhasen Geschwindigkeitsbeschränkungen einzuhalten haben.
… und in Kinderbüchern
Auch das Verlagswesen profitierte von der zunehmenden Popularität des Osterhasen im 19. Jahrhundert. Autoren und Illustratoren begannen Bücher zu verfassen, die zur Osterzeit Bestseller wurden. Einer der wohl bekanntesten Titel dieses Genres ist die "Häschenschule" mit Reimen von Albert Sixtus und Illustrationen von Fritz Koch-Gotha. 1924 erstmals erschienen, wird das Bilderbuch heute noch immer wieder nachgedruckt.
Gruß vom Osterhasen
Seit fast 200 Jahren ist es Brauch, zu Ostern Grußkarten mit Hasenmotiven zu versenden. Viele von ihnen spiegeln die gesellschaftliche und politische, aber auch die wirtschaftliche Situation und technische Neuerungen wider. Das Spektrum reicht von Szenen mit "Lepus paschalis" in der Postkutsche oder im Flugzeug bis zu Osterhasen in farbenprächtigen Militäruniformen. Nostalgie verbreitet die gute Stube, in der Herr Hase im Hausmantel mit Fes und meterlanger Meerschaumpfeife zusammen mit seiner biedermeierlich gekleideten Gattin beschaulich am Kaffeetisch sitzt.
Reinhard Wylegalla
AusstellungStadt- und Waagenmuseum Frongasse 1, 04758 Oschatz Tel. (0 34 35) 92 02 85, Fax 98 76 11, www.oschatz-erleben.de Geöffnet: Dienstag bis Donnerstag 10 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 14 bis 17 Uhr |
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