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"Sanfter" Preiswettbewerb – wollen wir das?

Peter Ditzel

Die Apothekenlandschaft ist für die Monopolkommission, die sich um Wettbewerbspolitik kümmert, schon lange ein Stein des Anstoßes. Die Kommission sieht bei den Apotheken mehr als Nachholbedarf, wie deren Vorsitzender Justus Haucap unlängst auf dem Kongress der Versandapotheker wissen ließ. Schon in ihrem Jahresgutachten 2006 hatte die Monopolkommission Vorschläge unterbreitet, wie mehr Wettbewerb in den Apothekenmarkt einziehen könnte. Seitdem meldet sich Haucap in unregelmäßigen Abständen zu Wort, um seine Ansichten über einen wünschenswerten Wettbewerb im Apothekenmarkt kundzutun. Bisher tut er dies allerdings vergeblich. Denn die Bundesregierung, deren Berater die Monopolkommission ist, sieht keine Notwendigkeit, den Anregungen der Kommission zu folgen, und keinen Handlungsbedarf – außer bei den Pick-up-Stellen, die sie, im Gegensatz zur Monopolkommission, verbieten lassen möchte. Aber ein Verbot von Pick-up-Stellen sähe Haucap sogar als Rückschritt ebenso wie das Festhalten am Fremd- und Mehrbesitz.

Das Gedankengut der Monopolkommission, das Haucap skizzierte, lässt erkennen, dass sich die Ökonomen prinzipiell wenig darum scheren, ob man es mit dem Markt von Telekom, Bahn oder Strom zu tun hat oder mit dem Arzneimittelmarkt. Immerhin hat die Kommission dazugelernt, dass im Arzneimittelmarkt einige besondere Regulierungen gerechtfertigt sind. Verschreibungspflicht, Berufszugangsregelungen oder eine grundsätzliche Preisregulierung für verschreibungspflichtige Arzneimittel – dafür haben die Monopolkommissare inzwischen Verständnis.

Doch schon das Selbstbedienungsverbot für OTC-Arzneimittel erscheint dem Ökonomen Haucap übertrieben zu sein. Der Preiswettbewerb sei dadurch erschwert, da Sonderpreise beim Apotheker erfragt werden müssten. Wohl kaum, denn Sonderpreise werden in aller Regel groß herausgestellt. Außerdem: Wenn ein Kunde heute per Internet oder Katalog in einer Versandapotheke bestellt: Was ist das anderes als Arzneimittelshopping mit Selbstbedienung? Keine Versandapotheke nimmt Kontakt mit dem Kunden auf, rät ab oder warnt vor Vielgebrauch.

Mit Unverständnis reagiert die Monopolkommission nach wie vor auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot bei Apotheken, sie hält es für übertrieben. Kettenbildung sei doch per se nicht "etwas Furchtbares". Haucap schränkt jedoch selbst ein: Man müsse aufpassen, dass es nicht zur Monopolisierung regionaler Märkte komme. Aber das könne man mit schärferen Fusionskontrollen in den Griff bekommen. Na fein, möchte man ausrufen, zuerst Wettbewerb und Ketten um jeden Preis, um sie dann zu kontrollieren und einzuschränken? Um das zu verstehen, muss man schon richtig durchökonomisiert denken, wettbewerbspolitisch durchinfiziert sein und jeden Sinn für Arzneimittelsicherheit verloren haben.

So auch der Essener Ökonom und Politikberater Jürgen Wasem, der ebenfalls für mehr Wettbewerb bei Apotheken plädiert. Wie Haucap sieht er keine Belege, dass die Zulassung von Ketten die Arzneimittelsicherheit gefährdet. Auch hierauf ist zu sagen: Warum will man nicht anerkennen, dass Arzneimittel und deren Anwendung am Menschen etwas grundlegend anderes ist als der Kauf einer anderen Ware oder Dienstleistung? Und: Muss man denn alles ausprobieren und gut funktionierende Systeme über Bord werfen, nur um Belege dafür zu haben, dass es früher besser war?

Kassenabschlag gesenkt – vorläufig


Die gute Nachricht: Die Entscheidung der Schiedsstelle kann umgesetzt und der Kassenabschlag von 2,30 auf 1,75 Euro gesenkt werden. Die Apotheken werden in Kürze Gutschriften erhalten.

Aber: Die erfolgreiche Klage des Deutschen Apothekerverbands gegen die aufschiebende Wirkung der Klage des GKV-Spitzenverbands ist vorläufig. Sollte die endgültige Entscheidung dann zugunsten der GKV ausgehen, müssten die Apotheken die Auszahlungen rückabwickeln.


Und was ist von dem Vorschlag Haucaps zu halten, dass der Apotheker sein Honorar bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln von 8,10 bzw. 5,80 Euro zur Disposition stellen kann? Sprich: der Apotheker soll aus seinem 5,80 Euro-Honorar dem Versicherten einen Rabatt gewähren oder ihm die Zuzahlung erlassen dürfen (was einige Apotheken über Gutscheine und andere Werbemethoden bereits versuchten und abgemahnt wurden). Nach Haucaps Meinung könnte daraus ein "sanfter Preiswettbewerb unter Apotheken" entstehen. Da kennt er die Apotheken schlecht. Ein Blick auf den tobenden Preiskampf im OTC-Markt zeigt, wo’s dann lang ginge: Nach zunächst zögerlichem Einsatz dieser Möglichkeit würden sich einige Apotheken mit Rabatten und Nachlässen an die Kunden überbieten – bis zum Selbstruin. Mitarbeiter würden entlassen, die Beratungsqualität würde sinken, der sinnvolle Wettbewerb um Dienstleistungen eingestellt – Wildwest im Apothekenmarkt. Das können wir nicht wollen. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass es durchaus sinnvoll sein kann, wenn es eine Preisbindung gibt und dass ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel in jeder Apotheke zum selben Preis erhältlich ist – ohne Gutscheine oder Rabatte.

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