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- DAZ 26/2010
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Arzneimittel und Therapie
"Die Sicherheit ist nicht erwiesen!"
DAZ: Herr Professor Sawicki, wie bewerten Sie die neue Fall-Kontroll-Studie von Mannucci et al., die ebenfalls auf eine dosisabhängige Erhöhung des Tumorrisikos unter Insulin Glargin hinzuweisen scheint?
Sawicki: Die Studie weist in die gleiche Richtung wie unsere Studie, ist allerdings wesentlich kleiner. Sie liefert ebenso wie unsere Studie einen Hinweis dafür, dass sich das Tumorrisiko unter Insulin Glargin dosisabhängig erhöht. Auch sie kann den letzten Beweis dafür nicht erbringen, dazu wären randomisierte kontrollierte klinische Studien notwendig, die sicher so nie durchgeführt werden können, weil sie schon an der Genehmigung von Ethikkommissionen scheitern würden. Diese Hinweise ergänzen allerdings die Beobachtungen, die in Zell- und Tierversuchen gemacht worden sind. Danach bindet Insulin Glargin an den Insulin-like-growth-Faktor-Rezeptor (IGF) und stimuliert so das Wachstum der Krebszellen. Das war schon bei der Zulassung bekannt. Hier hätten die Behörden mit Auflagen reagieren müssen, was nicht geschehen ist.
DAZ: Wie sieht die Situation bei anderen Insulinanaloga aus?
Sawicki: Insulin Detemir bindet im Vergleich zu Humaninsulin nicht stärker an den IGF-1-Rezeptor, so dass hier theoretisch kein erhöhtes Tumorrisiko zu erwarten ist. Die kurz wirksamen Insulinanaloga haben zwar eine etwas höhere IGF-1-Rezeptorbindung als Humaninsulin, allerdings haben sie eine deutlich geringere Affinität als Insulin Glargin zu diesem Rezeptor. In unserer Studien haben wir kein erhöhtes Krebsrisiko für kurz wirksame Insulinanaloga festgestellt.
DAZ: Vor einem Jahr wurde in einer schwedischen Untersuchung über eine Erhöhung des Brustkrebsrisikos unter Insulin Glargin berichtet, diese erhöhte Brustkrebsinzidenz soll nach zwei Jahren aber nicht mehr nachweisbar gewesen sein (s. a. Stellungnahme von Prof. Dr. G. Ehninger, S. 33 – 34).
Sawicki: Das stimmt so nicht. Die Daten sind zwar noch nicht publiziert, sie liegen uns aber vor, so dass ich das mit Gewissheit verneinen kann.
DAZ: Nach wie vor steht der Vorwurf im Raum, dass Sie in Ihrer Studie nur durch einen unangebrachten Adjustierungsschritt eine dosisabhängige Erhöhung der Tumorinzidenz unter Insulin Glargin feststellen konnten.
Sawicki: In nichtrandomisierten Studien muss man adjustieren und unsere Methodik war nicht "unangebracht" sondern üblich. Allerdings haben wir als Reaktion auf verschiedene methodische Kritikpunkte an unserer Arbeit inzwischen unsere Daten nach allen uns von verschiedenen Seiten angetragenen Möglichkeiten ausgewertet, immer mit dem gleichen Ergebnis: Das Tumorrisiko steigt unter Insulin Glargin dosisabhängig!
DAZ: Danach gibt es aus Ihrer Sicht keine Entwarnung. Welche Konsequenzen müssen denn Ihrer Meinung nach jetzt gezogen werden?
Sawicki: Die Patienten, die mit Insulin Glargin behandelt werden oder werden sollen, müssen über die unbefriedigende Situation aufgeklärt werden. Sie müssen wissen, dass es Hinweise für ein erhöhtes Krebsrisiko unter Insulin Glargin gibt, sie müssen wissen, dass der letzte Beweis dafür nicht zu erbringen sein wird. Und dann müssen sie zusammen mit ihrem Arzt abwägen, ob das Spritzen von Insulin Glargin für sie so viel besser ist als das von Humaninsulin, dass sie dieses Risiko in Kauf nehmen wollen. Die Zulassungsbehörden haben sich auf die Formel verständigt, dass weder die Sicherheit noch die Unsicherheit von Insulin Glargin überzeugend belegt sind. Die Patienten sollten also wissen, dass sie mit Insulin Glargin ein Insulinanalogon verwenden, dessen Sicherheit nicht erwiesen ist.
DAZ: Herr Professor Sawicki, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Prof. Dr. Peter Sawicki
Instiut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
Dillenburger Straße 27
51105 Köln
Interview Dr. Doris Uhl, Stuttgart
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