- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 35/2010
- Nalfurafine – neuer ...
Arzneimittel und Therapie
Nalfurafine – neuer Therapieansatz bei urämischem Pruritus
Die meisten Dialysepatienten leiden unter dem Symptombild des urämischen Pruritus. Der quälende Juckreiz tritt besonders nachts oder während der Dialysebehandlung auf. Er beeinflusst das Arbeits- und Schlafverhalten der Patienten und damit ganz entscheidend ihre Lebensqualität. In mehreren Studien konnte ein Zusammenhang zwischen der Eliminierung endogener Substanzen, der Wahl der Dialysematerialien, der Harnstoffclearance und dem Auftreten des Juckreizes gezeigt werden. So klagten Patienten, die mit biokompatiblen Membranen und Schlauchsystemen dialysiert wurden, seltener über den Juckreiz. Auch eine Erhöhung der Harnstoffclearance erwies sich in einigen klinischen Studien als juckreizlindernd.
Ungleichgewicht im körpereigenen Opioidsystem
Für die Sinneswahrnehmung "Jucken" sind eigene Leitungsbahnen in der Haut verantwortlich. Hierbei handelt es sich um langsam leitende periphere C-Fasern, die eine Reizweiterleitung zum Zentralnervensystem ermöglichen. Die freien Nervenendigungen der sensorischen, marklosen C-Fasern befinden sich im Papillarkörper der Haut und in der Epidermis als Nozizeptoren. Von dort aus können sie durch physikalische, mechanische und auch chemische Mediatoren den Pruritus vermitteln. Die Ursache des chronischen Juckreizes bei Dialysepatienten ist noch nicht genau aufgeklärt. Es scheint ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie beispielsweise Hauttrockenheit, Harnstoffclearance und zentralnervöser Veränderungen zu sein. Die derzeitigen Therapieempfehlungen zum urämischen Pruritus sind deshalb symptomatisch bzw. polypragmatisch. Sie beruhen auf der Gabe von Aktivkohle, topischer Anwendung fetthaltiger Cremes sowie Ölbäder sowie der oralen Gabe von Antihistaminika. Auch im zentralnervösen Bereich ergeben sich Ansatzpunkte in der Therapie des Pruritus. So konnte man bei Hämodialysepatienten ein Ungleichgewicht im körpereigenen Opioidsystem beobachten. Die Bedeutung von Veränderungen des ZNS beim urämischen Pruritus ist aber ungeklärt. Werden µ-Opioid-Rezeptoren aber durch einen Agonisten wie Morphin stimuliert, kann ein Pruritus hervorgerufen werden. Eine Stimulation von κ-Opioid-Rezeptoren hingegen inhibiert die Effekte der µ-Opioid-Rezeptoren. In diesen Mechanismus greift Nalfurafine als hochselektiver κ-Rezeptoragonist ein. In Tierversuchen konnten deutliche antipruritische Eigenschaften beobachtet werden. In zwei placebokontrollierten klinischen Studien konnte eine Minderung des subjektiven Juckreizes nach zweiwöchiger Infusions-Behandlung beobachtet werden. Das Nebenwirkungspotenzial beschränkte sich dabei auf Placeboniveau; weitere Studien, insbesondere Langzeitstudien, stehen zurzeit jedoch noch aus.
Seit Januar 2009 wird Nalfurafine in Japan zur oralen Therapie eingesetzt. Der Wirkstoff ist dort als 2,5 µg Kapsel verfügbar und wird einmal täglich vor dem Schlafen eingenommen. In besonders schweren Fällen kann die Dosierung auf maximal 5 µg täglich erhöht werden.
Zusätzlich wird der Wirkstoff bei anderen Erkrankungen untersucht, die häufig zu schwerem Juckreiz führen. Zu diesen zählen Leberzirrhose, Psoriasis, neurologisch und hormonell bedingten Störungen sowie Ekzeme.
Quelle Durrant-Finn et al.: Pruritus und Hauttrockenheit bei chronischer Niereninsuffizienz und Dialysepatienten – eine Übersicht. Wien Med Wochenschr (2009) 159; 317-326. Kumagai H et al.: Effect of a novel kappa-receptor agonist, nalfurafine hydrochloride, on severe itch in 337 haemodialysis patients: a Phase III, randomized, double-blind, placebo-controlled study. Nephrol Dial Transplant (2010) 25(4); 1251-1257. Wikström B et al.: -Opioid System in Uremic Pruritus: Multicenter, Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Clinical Studies. J Am Soc Nephrol (2005) 16; 3742-3747. www.sundoc.bibliothek.uni-halle.de/diss-online/08/08H026/index.htm
Apothekerin Simone Kruse
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.