Aus Kammern und Verbänden

Information und Kommunikation in der Apotheke

Welchen Beitrag kann die Apotheke zur Lösung gesundheitlicher Probleme der Bevölkerung leisten? Dies war die zentrale Frage auf dem 16. International Social Pharmacy Workshop vom 23. bis 26. August in Lissabon. Etwa 300 Teilnehmer aus 57 Ländern präsentierten und diskutierten in 72 mündlichen Beiträgen und 104 Postern Fragen der Zusammenarbeit von Apothekern mit anderen Heilberuflern sowie mit Patienten und Verbrauchern.

In den Workshops zur Aus- und Weiterbildung ging es u. a. darum, wie man die zukünftigen Apotheker möglichst früh für die sozialen Aspekte des Berufs sensibilisieren kann. So sollten sie lernen, dass sie in der Apotheke je nach Standort auf ganz unterschiedliche soziodemografische und kulturelle Situationen treffen werden, was sich wiederum auf die Beratung zur rationalen Anwendung von Arzneimitteln auswirkt.

Prof. Ian Bates, University of London, plädierte dafür, engagierten Mitarbeitern von Apotheken mehr berufliche Perspektiven zu eröffnen. Die Apotheke dürfe keine berufliche Sackgasse sein und dadurch Gefahr laufen, wichtiges Personal zu verlieren. Die Berufsorganisationen sollten Fortbildungen und Projekte initiieren und unterstützen, die Apothekenmitarbeiter in die Lage versetzen, in lokalen und überregionalen Public-Health-Netzwerken Funktionen zu übernehmen.

Public Health

In Großbritannien ermöglicht das "Yellow-Card-System" den Verbrauchern, Berichte über unerwünschte Arzneimittelwirkungen direkt an die zentrale Erfassungsstelle zu schicken. Die Auswertung der Berichte ergab, dass sie als Ergänzung zu den Meldungen von Ärzten und Apothekern wichtig sind. Dies gilt vor allem für die Anwendung von Psychopharmaka und Schmerzmitteln.

Ein Workshop erörterte, wie sehr sozialen Determinanten (Bildung, Einkommen, Arbeitslosigkeit, soziale Eingebundenheit usw.) die Gesundheit beeinflussen und wie die Apotheken genutzt werden können, um benachteiligte Menschen für Projekte zur Prävention und Gesundheitsförderung zu erreichen.

Wissenschaftler der Johns Hopkins University, Baltimore, legten dar, dass den Heilberuflern meistens die richtige Sprache (auch Körpersprache) für eine erfolgreiche Kommunikation mit Menschen unterschiedlicher Lebensweise fehlt und dass sie sie in spezifischen Trainings erlernen sollten.

Versorgungsforschung

In vielen Ländern wird untersucht, wie sich die Sicherheit der Arzneimittelversorgung in Alten- und Pflegeheimen verbessern lässt und ob das Neuverblistern von Arzneimitteln zur individuellen Therapie Vorteile mit sich bringt. So fanden belgische Wissenschaftler heraus, dass nach der Einführung einer automatisierten Verblisterung Informationsverluste des Pflegepersonals, Zeitverluste beim Management der Blister in Kombination mit den nicht zu verblisternden Arzneimitteln und Fehler bei der Beschickung der Blister auftraten. Andererseits fand das Heimpersonal die Blister hygienischer.

Pharmaceutical Care

Zur Pharmazeutischen Betreuung von Patienten mit Diabetes, Hypertonie oder Asthma wurden neueste Forschungsergebnisse vorgestellt. Ein Workshop thematisierte die Einführung und den Nutzen von Medication Use Reviews bei Patienten mit dialysepflichtigen chronischen Nierenerkrankungen. Aufbauend auf früheren Forschungen, die gezeigt hatten, dass pro eingesetztem Dollar in spezifische pharmazeutische Dienstleistungen vier Dollar bei der Arzneimittelversorgung eingespart werden konnten, legten neuseeländische Forscher dar, wie man die Medikation erfolgreich managen kann.

Methodische Fragen

Ein schon seit vielen Jahren diskutiertes Problem der Information und Kommunikation stand auch in Lissabon wieder auf der Tagesordnung: die Packungsbeilage von Arzneimitteln. Während die Packungsbeilage in vielen Ländern obligatorisch ist und dort niemand daran zweifelt, dass Patienten ein Recht darauf haben, umfassend über ihre Medikamente informiert zu werden, ist dies in anderen Ländern keineswegs selbstverständlich. So versenden australische Versandapotheken Arzneimittel nur in Ausnahmefällen mit einer Packungsbeilage.

In Belgien entwickelte man ein Informationssystem, das die Informationsblätter, die die Patienten zusammen mit ihren Arzneimitteln erhalten, in automatisierter Form individuell anpassen kann. Dabei werden Anwendungs- und Warnhinweise so modifiziert, wie es für den jeweiligen Patienten sinnvoll ist. Auch die Sprache kann den Voraussetzungen des Patienten angepasst werden. Das System gibt es derzeit nur in niederländischer Sprache, es soll aber demnächst auch in englischer Sprache getestet werden.

Zur Rolle des Apothekers

Ein Thema der Sozialpharmazie ist die Rolle der Apotheke und des Apothekers in der Gesellschaft. Eine Forschungsgruppe im Vereinigten Königreich fragte Rugby-Spieler, ob sie sich in öffentlichen Apotheken über nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel informieren. Das Ergebnis war ernüchternd: Nur in den seltensten Fällen nutzten die Befragten den Rat aus der Apotheke, eher fragten sie Freunde, Ärzte, Physiotherapeuten oder informierten sich im Internet.

In Brasilien ist der Apotheker, wie eine Untersuchung ergab, nach der Meinung vieler Menschen in erster Linie am Verkauf von Waren und nicht an heilberuflichen Aufgaben interessiert. Das liegt daran, dass die Apotheker nur wenig Kontakt mit den Patienten haben und die Abgabe von Arzneimitteln fast ausschließlich der PTA-ähnlichen Berufsgruppe überlassen. Fehlendes Vertrauen zum Apotheker ist die Folge. Dabei könnten sich die Befragten durchaus eine wichtigere Rolle der Apotheker als Heilberufler vorstellen.

In der Ukraine fragten Sozialpharmazeuten über 400 Apothekenbesucher, welches Ansehen und welche Bedeutung Apotheker bei ihnen bzw. für sie haben. Die Antworten waren überwiegend positiv. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Patienten in der Ukraine fast die gesamten Arzneimittelkosten aus eigener Tasche bezahlen und insofern eine möglichst unabhängige Beratung durch die Apotheker erwarten.

Resümee

Insgesamt zeigte der Kongress ein breites Forschungsspektrum zu sozialpharmazeutischen Fragestellungen. Dabei dominierten (wie schon bei früheren Veranstaltungen dieser Art) die Wissenschaftler aus Großbritannien, den USA, Neuseeland und den nordeuropäischen Ländern. Besonders bemerkenswert war der Auftritt der starken Vertretung aus Australien. Offensichtlich hat man dort in den letzten Jahren intensiv in diesen Wissenschaftsbereich investiert. Aus Deutschland, der Schweiz und Österreich waren nur sehr wenige Vertreter anwesend.

Der nächste Internationale Sozialpharmazie-Workshop findet 2012 in Thailand statt.


Dr. Udo Puteanus

Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit NRW; udo.puteanus@liga.nrw.de

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