Arzneimittel und Therapie

Problemgruppen: Kinder und ältere Menschen

In der aktuellen Ausgabe von Lancet befassen sich mehrere Autoren mit der Asthmatherapie von Kindern und älteren Menschen. Für beide Personengruppen gilt, dass zu wenige Studiendaten vorliegen, Unsicherheiten bei der Diagnose bestehen und die Therapie häufig nicht den Bedürfnissen angepasst ist. Durch ein multimodales Vorgehen könnten die Therapieerfolge deutlich verbessert werden, so das Fazit der Autoren.

Die Datenlage zur Therapie des schweren Asthmas bei Kindern ist dürftig. Die derzeitigen Behandlungsempfehlungen beruhen auf begrenzten Forschungsergebnissen, auf Extrapolationen der Daten für Erwachsene oder auf Studien, in denen die Erkrankung nur gering bis mäßig ausgeprägt war. Darüber hinaus fehlt es an randomisierten Studien zum Vorgehen bei einem therapieresistenten Asthma.

Asthma bei Kindern: oft falsche Diagnose

Daher sichteten zwei Experten die vorhandene Literatur, um Empfehlungen zur Therapie schwerer Asthmaerkrankungen im Kindesalter aufzustellen. Dabei flossen auch ihre eigenen klinischen Erfahrungen mit ein. Aus der Tatsache, dass häufig eine falsche Diagnose vorliegt oder bei einer korrekten Diagnose die Therapie oftmals falsch ausgeführt wird, leiteten die Experten die Notwendigkeit einer multidisziplinären Vorgehensweise ab.

Erster Schritt: richtige Diagnose

Ein erster Schritt sichert die Diagnose, legt den Schweregrad der Erkrankung fest (starkes oder therapieresistentes Asthma) und forscht nach möglichen Komorbiditäten wie etwa Adipositas, gastro-ösophagealem Reflux, Rhinosinusitis, Atemstörungen oder Nahrungsmittelallergien.

Die klinische Untersuchung umfasst die Erhebung spirometrischer Daten, bei Einnahme von Prednisolon oder Theophyllin die Bestimmung der Blutspiegel, die Suche nach allergischen Auslösern und in Einzelfällen einen HRTC-Scan (HRTC = High Resolution Computed Tomography). Bei einer Inspektion des häuslichen Umfelds sollen das Rauchverhalten der Umgebung, psychosoziale Faktoren und die Belastung mit potenziellen Allergenen beurteilt werden. Des Weiteren muss geklärt werden, ob die verordneten Medikamente richtig angewandt werden und die Inhalationstechnik beherrscht wird. Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Faktoren (falscher Umgang mit den Applikationshilfen, falsche Dosierungen, mangelnde Compliance, Allergenexposition, Tabakrauch, Stress, Ängste und Depressionen) häufig die Schwere der Erkrankung bestimmen.

Die Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme sollten in einem multidisziplinären Team besprochen werden, um dann einen Behandlungsplan aufzustellen. Bei etwa der Hälfte aller Betroffenen kann durch eine Korrektur krankheitsfördernder Noxen und durch die richtige Applikation der Medikamente eine Standardtherapie erfolgreich durchgeführt werden.

Tab. 1: Therapiestrategien bei schwerem Asthma im Kindesalter
ProblemTherapiemöglichkeiten
persistierende 
chronische Symptome
hoch dosierte inhalative Corticosteroide; SMART-Regime; eventuell niedrig dosierte orale Corticosteroide; bei entsprechender Indikation Omalizumab; eventuell steroidsparende Wirkstoffe (Methotrexat, Azathioprin, Cyclosporin)
Brittle Asthma* Typ 1 (erhebliche Peak-flow-Variabilität)inhalative Corticosteroide mit einem hoch dosierten langwirkenden β2-Agonisten (Formoterol) oder mit einer kontinuierlichen subcutanen Gabe von Terbutalin
wiederholte schwere ExazerbationenVerringern einer Allergenexposition; hoch dosierte inhalative Corticosteroide und/oder Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten
Brittle Asthma* Typ 2 (plötzlich einsetzende Anfälle bei sonst gut kontrolliertem Asthma)

inhalative Corticosteroide;

Epinephrin im Autoinjektor als Notfallmedikament

persistierende Obstruktion der AtemwegeTherapie auf ein Minimum reduzieren
tägliche orale 
Steroideinnahme
bei entsprechender Indikation Omalizumab; steroidsparende Wirkstoffe (Methotrexat, Azathioprin, Ciclosporin)

 

* Brittle-Asthma: Verlaufsform mit immer wieder einsetzenden, schweren und lebensbedrohlichen Asthmaanfällen ohne vorausgehende Anzeichen einer Verschlechterung des Krankheitszustandes

Zweiter Schritt: individueller Behandlungsplan

Bei den kleinen Patienten, die nicht standardmäßig behandelt werden können, wird ein individueller Therapieplan entwickelt, der sich an der klinischen Symptomatik und der pathophysiologischen Charakteristika der Erkrankung orientiert. Dabei kommen gängige Substanzen wie etwa hoch dosierte inhalative Steroide, das SMART-Regime mit Budenosid und Formoterol (SMART = the Symbicort maintenance and reliever therapy) oder eine Anti-IgE-Therapie infrage. Weniger häufig (und teilweise außerhalb der Zulassung) sind Therapien mit Methotrexat, Azathioprin, Cyclosporin und subkutane Infusionen mit Terbutalin. Neue Optionen sind der Einsatz monoklonaler Antikörper und die bronchiale Thermoplastie. Innovative Ansätze dürfen indes die Tatsache nicht in den Hintergrund stellen, dass die wichtigste Voraussetzung einer jeden Behandlung die richtige Diagnosestellung und der korrekte Einsatz herkömmlicher Therapien ist. Das Befolgen dieser Behandlungsgrundsätze ist die wichtigste Maßnahme, mit der bereits ein großer Teil der betroffenen Kinder adäquat therapiert werden kann, so das Resümee der Autoren.

Asthma bei alten Patienten

Die Prävalenz für Asthma bei älteren Patienten (über 64 Jahre alt) liegt zwischen 6 und 10%. Die krankheitsbezogene Mortalität (7,3 auf 100.000 bei Männern und 9,9 auf 100.000 bei Frauen) ist in dieser Altersgruppe sehr viel höher als bei jüngeren Patienten und weist auf eine unzureichende Behandlung hin. Die derzeit unbefriedigenden Therapieergebnisse haben mehrere Ursachen. Dies sind

  • eine ungenaue Diagnose,
  • fehlende Studiendaten,
  • bestehende Komobiditäten sowie
  • kein Ausschöpfen der therapeutischen Möglichkeiten.

Man schätzt, dass rund die Hälfte aller Asthmaerkrankungen bei älteren Patienten nicht diagnostiziert wird. Die Beschwerden werden anderen Erkrankungen oder dem Alter zugeschrieben und nicht mithilfe spirometrischer Messungen oder anderer Verfahren verifiziert. Erschwert wird die Diagnose durch die häufige Überlappung von Asthma und COPD.

In den meisten randomisierten Studien werden ältere Probanden und Patienten mit Komorbiditäten ausgeschlossen, was dazu führt, dass wenig Daten vorliegen, die die Realität (älterer Asthmapatient mit weiteren Erkrankungen) widerspiegeln. Ferner wird bei Studien und Therapieempfehlungen oft zwischen Patienten mit Asthma und Patienten mit COPD unterschieden, für die häufig auftretende Vergesellschaftung beider Krankheiten liegen wenig brauchbare Daten vor.

Ältere Patienten häufig untertherapiert

Derzeit werden viele ältere Asthmapatienten untertherapiert, was sich vor allem bei den Verordnungen inhalativer Corticosteroide zeigt. Hinzu kommt, dass ältere Patienten häufig die Inhalationstechnik nicht oder unvollständig beherrschen. So wurde in einer Untersuchung mit Pulverinhalatoren gezeigt, dass 40% der über 60-Jährigen und 60% der über 80-Jährigen die Inhalation nicht beherrschen (als Vergleich: bei jungen Erwachsenen sind es 10 bis 15%). Ferner können eine mangelnde Krankheitseinsicht, kognitive oder manuelle Beeinträchtigungen und eine fehlende Compliance den Therapieerfolg beeinträchtigen.

Aus diesen Gründen wird eine multimodale Therapie vorgeschlagen, die das soziale Umfeld, mögliche Komorbiditäten, den körperlichen und geistigen Zustand der Betroffenen, das Eliminieren von Risikofaktoren (Zigarettenrauchen) und individuelle Fähigkeiten berücksichtigt. Angesichts der immer älter werdenden Bevölkerung ist es an der Zeit, entsprechende Behandlungsempfehlungen zu entwickeln, um ältere Asthmapatienten optimal zu therapieren, so das Resümee der Autoren.

Quelle Bush A., et al.: Management of severe asthma in children. Lancet (2010) 376, 814 – 825. Gibson, P., et al: Asthma in older adults. Lancet (2010) 376, 803 – 813.

 


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Tab. 2: Multimodaler Ansatz bei der Therapie älterer Asthmapatienten

Problem
Interventionsmöglichkeiten
Pharmakotherapie
  • Atemwegsobstruktion
lang wirksamer Bronchodilatator
  • Entzündung der Atemwege
Corticosteroide, Makrolide
  • systemische Entzündung
eventuell Statine
Risikofaktoren
  • Rauchen
Unterstützung bei der Entwöhnung
  • Übergewicht
Schulung zur Gewichtsreduktion
  • körperliche Inaktivität
Stärkung der Lungenfunktion
Self management
  • Inhalationstechnik
Auswahl eines geeigneten Systems, Schulung
  • Compliance
Schulung, Aufklärung
  • Exazerbationen
schriftliche Anweisung für das
Vorgehen
Komorbiditäten
  • gastro-ösophagaler Reflux
Protonenpumpen-Blocker,
diätetische Maßnahmen
  • Schlafstörungen, Schlafapnoe
nasale CPAP-Therapie (CPAP = continuous positive airway pressure)
  • Katarakt
Verordnung der niedersten, noch wirksamen Corticoiddosis;
chirurgische Maßnahmen
  • Osteoporose
Verordnung der niedersten, noch wirksamen Corticoiddosis, körperliche Aktivität; Supplementation von Calcium und Vitamin D

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