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Octagam 5% darf vorerst nicht mehr angewendet werden

STUTTGART (du). Schon im August diesen Jahres sind zwei Chargen des Immunglobulin-Präparates Octagam 5% wegen eines erhöhten Risikos für thromboembolische Komplikationen zurückgerufen worden. Jetzt hat das Paul-Ehrlich-Institut mit Bescheid vom 15. September 2010 das befristete Ruhen der Zulassung bis zum 31. März 2011 sowie den sofortigen Rückruf aller im Verkehr befindlichen Chargen angeordnet.

Diese Maßnahme sei notwendig, so das Paul-Ehrlich-Institut, da der begründete Verdacht besteht, dass die Arzneimittel Octagam 5% bzw. Octagam 50 mg/ml schädigende Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen, so dass sie ein ungünstiges Nutzen/Risiko-Verhältnis aufweisen. Bei Octagam 5% und Octagam 50 mg/ml handelt es sich um Dublettenzulassungen mit identischem Inhalt, deren Gegenstand ein und dasselbe Produkt mit lediglich unterschiedlicher Bezeichnung ist.

Häufung thromboembolischer Komplikationen

Octagam 5% ist ein Immunglobul-G-Präparat, dass zur Substitutionstherapie bei angeborenen oder erworbenen Immunmangelkrankheiten indiziert ist. Zu den Indikationen zählen u. a. eine kongenitale Agamma- und Hypogammaglobulinämie, Myelom oder CLL mit schwerer sekundärer Hypogammaglobulinämie und rezidivierenden Infekten oder allogene Knochenmarktransplantationen.

Schon im August hatte die Firma Octapharma im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut zwei Chargen ihres Immunglobulin-Präparates Octagam 5% zurückgerufen, da die Berichtshäufigkeit von thromboembolischen Ereignissen wie Schlaganfall, Herzinfarkt und Lungenembolie nach Gabe dieser Charge deutlich höher war als in der Fachinformation angegeben. Das Paul-Ehrlich-Institut verweist darauf, dass schwere thromboembolische Komplikationen nach der Gabe von Immunglobulinen sehr seltene Ereignisse (< 1 Fall auf 10.000 behandelte Patienten) sind, sodass eine Häufung dieser Nebenwirkung (5 Fälle bei einer Charge) als ein deutlich erhöhtes Risiko anzusehen ist.

Neun Fälle in Deutschland

In Deutschland sind im Jahr 2010 bislang neun Fälle von thromboembolischen Ereignissen nach Octagam 5% bekannt geworden. Auch in mehreren anderen Ländern wurden vergleichbare Fälle unter anderen Chargen gemeldet, so dass das Paul-Ehrlich-Institut zu dem Schluss gekommen ist, dass das Risiko für thrombembolische Ereignisse nicht auf einzelne Chargen beschränkt ist. Die Anzahl der gemeldeten thromboembolischen Komplikationen und die Bewertung von vorläufigen Laboruntersuchungen werden als nicht vertretbares Risiko gewertet.

Hersteller fahndet nach Ursache

Die genaue Ursache für das vermehrte Auftreten von thromboembolischen Ereignissen ist laut Mitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts bisher nicht bekannt. Es müsse aber die Anwesenheit bzw. die erhöhte Konzentration von Substanzen angenommen werden, die die Blutgerinnung aktivieren und bei einzelnen Patienten zur Bildung multipler Thromben führen können.

Auf Anfrage der DAZ teilte die betroffene Herstellerfirma Octapharma mit, dass inzwischen ein Thrombogenitätstest zur Ermittlung belasteter Chargen validiert worden sei. Dieser Test sei jedoch nicht Bestandteil der Zulassung und die Ursachensuche im Produktionsprozess noch nicht abgeschlossen.

Man bemühe sich um rasche Klärung, um die Versorgung der Patienten so schnell wie möglich wieder aufnehmen zu können. Das Paul-Ehrlich-Institut hat die Octapharma GmbH aufgefordert, die Ursache für das erhöhte thrombogene Potenzial von Octagam 5% zu ermitteln und durch eine entsprechende Veränderung des Herstellungsverfahrens bis zum
31. März 2011 zu beheben.

Gesicherte Versorgung?

Das Paul-Ehrlich-Institut erwartet trotz des Rückrufs von Octagam 5% keinen Versorgungsengpass mit Immunglobulin-Präparaten, da zur Behandlung andere Immunglobulin-Präparate zur Verfügung stehen, für die es keine Hinweise auf ein vergleichbar hohes Risiko für das Auftreten von thromboembolischen Ereignissen gebe.
Die Octapharma GmbH ist jedoch nach eigenen Angaben mit einem Anteil von ca. 30% Marktführer im Bereich der Immunglobulin-Präparate und will daher nicht ausschließen, dass es zunächst zu einem Versorgungsengpass kommt. Davon betroffen wären dann neben Patienten mit angeborenem oder erworbenem Immunglobulinmangel auch Patienten, die an Autoimmunerkrankungen leiden, so der Hersteller.

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