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DAZ aktuell
Heilmittelwerbegesetz unbedingt reformieren
Europarechtskonforme Überarbeitung des HWG
Bereits seit langem hält Integritas eine Reform des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) für dringend geboten. Dieser Thematik war auch einer der beiden Vorträge im öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung gewidmet. Im wesentlichen geht es darum, dass der europäische Rechtskodex für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG) im Bereich der Arzneimittelwerbung als "voll harmonisiert" gilt. Dies bedeutet für das nationale Recht, dasses weder hinter den Vorgaben des Kodexes zurückbleiben noch über dessen Beschränkungen hinausgehen darf, soweit keine ausdrückliche Öffnungsklausel besteht. Rechtsanwalt Ulf Doepner erläuterte im Detail den Änderungsbedarf, der sich hieraus bei den Publikumswerbeverboten des § 11 HWG aufgrund europarechtlicher Vorgaben und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hieraus ableiten lässt. Seine Analyse ergab, dass ein erheblicher Reformbedarf besteht, und zwar nicht nur im Hinblick auf Vorschriften, die strengere Vorgaben als der Gemeinschaftskodex machen, sondern auch auf Regelungen des Gemeinschaftskodexes, die bislang nicht in nationales Recht umgesetzt wurden.
Vorsicht bei Dachmarken
Der zweite Vortrag von Dr. Ulrich Reese befasste sich mit den rechtlichen Aspekten und aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der Verwendung von Dachmarken. Kritischer Punkt hierbei ist eine mögliche Irreführung des Verbrauchers. So kann es sowohl zu einer Verwechselung eines Arzneimittels mit anderen Arzneimitteln kommen als auch zu Fehlinterpretationen der Verbraucher über die Eigenschaften eines Arzneimittels.
Informationen über Rx-Arzneimittel
Eine Frage, die die Arzneimittelindustrie seit geraumer Zeit beschäftigt, sind Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel für die Öffentlichkeit. Die so genannte Patienteninformationsrichtlinie, die diesen Komplex regeln sollte, stößt in den Mitgliedstaaten immer noch auf große Widerstände, obwohl sich das Europäische Parlament mit dem Richtlinien-/Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission beschäftigt und sich grundsätzlich zustimmend geäußert hat.
Packungsbeilage im Internet
Ebenfalls in den Bereich der Patienteninformation gehört die Frage, ob die Packungsbeilage eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels im frei zugänglichen Bereich im Internet zur Verfügung gestellt werden darf. Dies ist derzeit Gegenstand eines Verfahrens vor dem EuGH. Integritas steht dabei auf dem Standpunkt, dass es zulässig sein sollte, amtlich genehmigte Informationen wie die Packungsbeilage auch für rezeptpflichtige Arzneimittel der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, da die reine Bereitstellung zum Abruf mit einer konkreten Anfrage zumindesten vergleichbar ist. Nach derzeitigem Verfahrensstand zeichnet sich ab, dass der EuGH dieser Auffassung folgen könnte.
Werbung im Grenzbereich
Hinsichtlich der Werbung im Grenzbereich Arzneimittel/Lebensmittel zeichnen sich aufgrund der Implementierung der europäischen Claims-Verordnung derzeit große Umwälzungen ab. Inzwischen liegen erste Ergebnisse der Bewertung funktioneller Aussagen über die Wirkung von Lebensmitteln bzw. deren Inhaltsstoffen wie auch eine Reihe von Anträgen auf Genehmigung von Aussagen über die Verringerung eines Krankheitsrisikos vor. Für jede funktionelle Wirkaussage, die für die Aufnahme in die Claims-Liste vorgeschlagen wird, erstellt die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) ein Gutachten. Sowohl die Veröffentlichung der EFSA-Bewertungen als auch die Umsetzung der Claims-Entscheidung durch die Kommission in der Liste sollen dann in Tranchen erfolgen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen erscheint der betroffenen Industrie der wissenschaftliche Anspruch an den Beleg der ausgelobten Wirkung und der damit zu leistende Aufwand unverhältnismäßig hoch zu sein, weshalb die Aussichten nicht als besonders rosig eingestuft werden.
Werbenachkontrolle
Die Werbenachkontrolle macht weiterhin den größten Teil der Arbeit der Geschäftsstelle von Integritas aus. Im Berichtszeitraum wurden insgesamt 30 Beanstandungen ausgesprochen. In den meisten Fällen konnte eine gütliche Einigung dahingehend erzielt werden, dass die beanstandete Werbung nicht weitergeschaltet wurde. In einigen Fällen musste jedoch gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden.
Werbung mit "Öko-Test"-Empfehlung
Zahlreiche Fälle betrafen die Publikumswerbung mit so genannten Testsiegeln. Integritas vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass die Werbung mit einer Empfehlung von "Stiftung Warentest" oder "Öko-Test" gegen das Publikumswerbeverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG verstößt. In der überwiegenden Zahl der Fälle wurde auf die entsprechende Abmahnung seitens Integritas auch eine Unterlassungserklärung abgegeben. Umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist die Frage, ob die genannte Vorschrift im Sinne der bisherigen nationalen Rechtsprechung hinsichtlich des Grundrechtes der Berufsfreiheit insoweit einschränkend auszulegen ist, dass für einen Verstoß zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung vorliegen muss, oder ob sie aufgrund einer europarechtskonformen Auslegung als abstrakter Gefährdungstatbestand anzusehen ist. Integritas folgt der letztgenannten Auffassung.
Pappflyer auf der Arzneimittel-Umverpackung
Ein weiterer Fall betraf die Anbringung eines Pappflyers auf der Arzneimittel-Umverpackung, auf dem sich werbliche Aussagen für ein anderes Arzneimittel befanden. Nach Auffassung von Integritas sind an fest mit der Arzneimittel-Faltschachtel verbundene Beileger die gleichen Anforderungen zu stellen, wie an die Umverpackung selbst, d. h. es müssen die Anforderungen an die Pflichtangaben eingehalten werden, weshalb die Anbringung des Flyers als unzulässig eingestuft wurde. Dem ist das LG München I in der ersten Instanz gefolgt und hat den Arzneimittel-Hersteller zur Unterlassung verurteilt (Urteil vom 22. Juni 2010, Az.: 33 O 20187/09). Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Werbung mit Gewinnaussichten für Apotheken
Ein weiterer interessanter Fall betraf die Bewerbung eines Hustenmittels gegenüber Apothekern mittels eines Preisvergleichs mit Konkurrenzprodukten von Wettbewerbern. Bei dem Preisvergleich waren der "Apothekenverkaufspreis ohne Mehrwertsteuer", der "Apothekeneinkaufspreis" sowie die Gewinne, die Apotheker bei Verkauf der einzelnen Arzneimittel erzielen könnten, in einer Tabelle gegenübergestellt. Dabei wurde dem Apotheker suggeriert, mit der Abgabe des Arzneimittels des werbenden Unternehmens, bei dem es sich um das teuerste handelte, den höchsten Gewinn erzielen zu können. Integritas hat diese Werbung insbesondere unter dem Aspekt der unangemessenen unsachlichen Beeinflussung des Apothekers für unzulässig angesehen, denn sie ist dazu geeignet, den Apotheker zu veranlassen, aus Gewinnstreben das so beworbene Arzneimittel abzugeben. Darüber hinaus war die Preisgegenüberstellung nach Auffassung von Integritas nicht transparent. Dieser Beurteilung ist das LG Nürnberg-Fürth gefolgt und hat mit Beschluss vom 23. Februar 2010 (Az.: 3 O 906/10) eine einstweilige Verfügung gegen den Hersteller erlassen.
Haftung von Verlagen für Anzeigen
Aus Sicht von Integritas nicht erfolgreich zu Ende geführt werden konnte das seit mehreren Jahren anhängige Grundsatzverfahren zur Frage der Störerhaftung von Verlagsunternehmen für wettbewerbswidrige Anzeigen, hier speziell grob irreführende Inserate für Nahrungsergänzungsmittel. Die erstinstanzliche Entscheidung des LG Düsseldorf wurde am 13. Januar 2010 (Az. 12 O 508/08) und die Berufungsentscheidung des OLG Düsseldorf am 26. Oktober 2010 (Az. I-20 U 14/10) verkündet. Beide Gerichte vertreten die Auffassung, dass in dem zu beurteilenden Fall keine verschärfte Prüfungspflicht des Verlags vorgelegen habe. Aufgrund der grundgesetzlich garantierten Pressefreiheit sei es geboten, die Kontrollpflicht des Verlags auf grobe, vom Verleger oder Redakteur unschwer zu erkennende Verstöße zu beschränken.
Trotz Anregung beider Parteien in der mündlichen Verhandlung hat das OLG Düsseldorf die Revision nicht zugelassen.
Integritas hat daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH einlegen lassen und strebt eine höchstrichterliche Klärung an.
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