Dermatologie

Die Haut im pharmazeutischen Fokus

Fortbildungsveranstaltung der Apothekerkammer und DPhG Hamburg

Bericht von Müller-Bohn

Die Haut macht mit einem Gewicht von 10 bis 20 Kilogramm etwa ein Sechstel der Körpermasse aus. Mindestens ebenso groß dürfte ihr Anteil an der pharmazeutischen Praxis sein. Schwerpunkte bilden dabei die Behandlung von Hautkrankheiten, die Pflege der Altershaut, mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen an der Haut und die pharmazeutischen Herausforderungen bei der Wahl des Vehikels für topische Arzneizubereitungen. Als wichtigste Funktion bildet die Haut eine Barriere zum Schutz und zur Abwehr. Das Erfüllen dieser Aufgabe kann vergleichsweise einfach anhand des transepidermalen Wasserverlustes gemessen werden. Zusätzliche Kriterien sind die Hydratation und die Penetration von Fremdstoffen. Weitere Aufgaben der Haut sind Ausscheidung, Stoffwechsel und Sensorik. Diese Funktionen können in etwa 3000 bekannten Krankheitsbildern gestört sein.

Matthias Augustin
Fotos: DAZ/tmb

Als Beispiel für die komplexen Zusammenhänge bei der Entstehung von Hautkrankheiten stellte Prof. Dr. Matthias Augustin, Hamburg, die Neurodermitis vor. Mittlerweile seien die genetischen Ursachen gut beschrieben. Bei 20 Prozent der Patienten mit Neurodermitis, bei 80 Prozent der schweren Krankheitsfälle und bei praktisch allen Ichthyosis-Patienten liegen Mutationen des Filaggrin-Gens vor. Doch der Ausbruch der Entzündung wird vielfach durch neuropsychovegetative Trigger gesteuert. Diese können in der Haut selbst, im sympathischen Nervensystem oder im Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-System wirken. So wurde bei Neurodermitikern eine andere Form der Stressverarbeitung mit einer verminderten Cortisol-Ausschüttung und mehr Substanz P festgestellt. Daher könnten Entspannungsverfahren wie die Muskelrelaxation nach Jacobson therapeutisch erfolgreich eingesetzt werden.

Im Verlauf der Hautentzündung kann ein Mangel an antimikrobiellen Peptiden bei Neurodermitikern die Ausbildung von Superinfektionen begünstigen. Staphylococcus aureus als üblicher Erreger wirkt dann als Superantigen, das kurzfristig zu einer Antwort der TH2-Zellen, langfristig aber zu einer Antwort der TH1-Zellen führt. Dies erklärt das langfristig entstehende klinische Bild mit einem chronischen Ekzem und einer ledrig verdickten Haut.

Immunologischer Hintergrund bei Psoriasis

Eine besonders stark immunologisch determinierte Hautkrankheit ist die Psoriasis, bei der die Teilungsgeschwindigkeit der Keratinozyten stark erhöht ist. Von der Reifung bis zur Abschilferung dieser Zellen vergehen normalerweise etwa 28 Tage, bei Psoriasis manchmal nur vier bis fünf Tage.

Bei der Psoriasis werden schon in einer sehr frühen Phase Langerhans-Zellen durch äußere Reize oder Autoantigene aktiviert.

Die im Rahmen der Immunantwort entstehenden T-Zellen können jahrelang in der Haut persistieren und bei erneutem Kontakt mit dem Antigen reagieren. Dieser immunologische Mechanismus bietet Therapieoptionen für spezifisch wirksame Biologicals und erklärt deren gute Ansprechraten. Sie ermöglichen vielfach narbenfreie Abheilungen und verbessern die Lebensqualität bei einigen Psoriasisformen erheblich, erklärte Augustin. Doch gibt es bisher keinen Prädiktor, mit dem die angemessene Dauer einer systemischen Therapie bestimmt werden kann. Da die Veranlagung bestehen bleibt, kann es immer wieder zu neuen Krankheitsausbrüchen kommen.

"Die Zukunft für die Altershaut ist rosig. " 

 

Prof. Dr. Volker Steinkraus, Hamburg

Alterung mit und ohne Licht

Kein Vorgang kann das Altern der Haut aufhalten, erklärte Prof. Dr. Volker Steinkraus, Hamburg, doch stellte er etliche Ansätze vor, mit denen die Folgen des Alterns beeinflusst werden können. Die Haut altert intrinsisch wie andere Organe auch, wobei Sauerstoffradikale in großen Mengen anfallen. Diese Alterung führt zu Hautatrophie und feinen Falten. Die intrinsische Alterung wird an lichtexponierten Stellen durch die extrinsische Alterung überlagert. UV-A-Licht wirkt indirekt mutagen über Sauerstoffradikale, während UV-B-Strahlung über Thymidindimere direkt mutagene Effekte auslöst. Es aktiviert über eine Signalkaskade Matrixmetalloproteinasen, die die Kollagenproduktion verringern. Gesundes wird durch minderwertiges Kollagen ersetzt, es entsteht eine solare Elastose.

Elisabeth Stahl-Biskup und Volker Steinkraus.

Die extrinsische Alterung führt zu groben Falten, Pigmentverschiebungen und kleinen erweiterten Gefäßen (Teleangiektasien) im Gesicht. Rauchen verstärkt die Aktivierung von Matrixmetalloproteinasen und damit die Hautalterung deutlich.

 

 

Probleme der Altershaut

Die typischen Probleme der Altershaut sind die Atrophie, die bereits nach kleinsten Traumen zu Einblutungen führt, und die Austrocknung, die Juckreiz begünstigt. Die Atrophie kann nicht verhindert werden und wird durch den Einsatz von topischen Cortisonzubereitungen verstärkt.

Die Austrocknung kann durch hinreichendes Trinken und durch Rückfettung nach dem Waschen vermindert werden. Ziel ist, die Barrierewirkung als wichtigste Funktion der Haut zu verbessern. Glycerin und Urea sind hierzu besonders gut untersucht, doch bieten sich auch zahlreiche pflanzliche Öle an. Statt Seife sollte ein Duschöl verwendet werden.

Um die Hautalterung durch Licht zu verringern, sind Zubereitungen mit UV-Filtern geeignet. Mit ästhetischer Zielsetzung werden auch Antioxidanzien und eine unüberschaubare Menge kaum klassifizierbarer "Gewebsaktivatoren" eingesetzt. Gegen kleine Falten kann nach Erfahrungen von Steinkraus topisches Tretinoin in sehr niedrigen Dosierungen über lange Zeiträume eingesetzt werden.

Als Erkrankung der alten Haut ist der helle Hautkrebs weit verbreitet. Unter diesem Sammelbegriff werden Krebsformen zusammengefasst, die von den Zellen der Oberhaut ausgehen. Der Einsatz von Imiquimod bietet dabei sehr gute therapeutische Möglichkeiten.

Die deutlich gefährlicheren Melanome gehen von den Melanozyten aus – sie betreffen vor allem Patienten in der Altersgruppe von 30 bis 50 Jahren.

Im Alter treten kaum noch Allergien vom Soforttyp an der Haut auf, doch es kommen vielfach Kontaktallergien vor, die sich langsam entwickeln. Ein typischer Auslöser ist Benzalkoniumchlorid als Konservierungsmittel in Augentropfen. Unter den entzündlichen Hauterkrankungen hat im Alter insbesondere die Rosacea Bedeutung.

Unabhängig vom Alter des Patienten vertritt Steinkraus die Ansicht, im Gesicht sollte grundsätzlich kein Cortison angewendet werden. Entzündliche Hauterkrankungen können mit Cortison kurzfristig gebessert werden, doch letztlich drohen bei der Anwendung im Gesicht Sekundärprobleme. Denn Cortison kann auf der Gesichtshaut eine akneartige Entzündung auslösen, während dies an anderen Hautpartien ohne Talgdrüsen nicht zu befürchten ist.

"Anti-Aging ist ein furchtbares Wort. Das klingt wie Anti-Sonnenuntergang. " 

 

Prof. Dr. Volker Steinkraus, Hamburg

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen an der Haut

Etwa 10 bis 15 Prozent aller unerwünschten Arzneimittelwirkungen manifestieren sich an der Haut, doch es gibt keine gesicherten Daten über die absolute Häufigkeit, erklärte Priv.-Doz. Dr. Esther Coors, Hamburg. Die allergologische Diagnostik ist oft nur begrenzt aussagekräftig. Meist müssen die Patienten den Auslöser lebenslang meiden.

Ein typisches Beispiel für solche Effekte ist das Arzneimittelexanthem. Es kann insbesondere von Antibiotika, Antikonvulsiva und Neuroleptika ausgelöst werden, beginnt üblicherweise erst in der zweiten Behandlungswoche, ist meist symmetrisch, oft mit Juckreiz verbunden und kann sehr vielgestaltig aussehen. Wichtigster Aspekt der Diagnose ist die Anamnese, bei der alle verwendeten Arzneimittel zu erfassen sind. Außerdem müssen Infektionen ausgeschlossen werden.

Die allergologische Bestätigung gelingt vielfach nicht. Ein erneuter Kontakt mit dem Auslöser verläuft oft schwerer. Daher sollte der Nachweis durch eine orale Provokation zurückhaltend eingesetzt und bei naheliegendem Zusammenhang ein Allergieausweis ausgestellt werden.

 

Esther Coors

Soforttyp-Reaktionen können in sehr verschiedenen Schweregraden als IgE-vermittelte anaphylaktische Reaktion oder ohne IgE-Vermittlung als anaphylaktoide "Pseudoallergie" auftreten. Da ein Allergietest nur bei IgE-Vermittlung positiv ausfällt, bietet auch ein negatives Testergebnis keine Sicherheit. Das allergische Kontaktekzem entwickelt sich hingegen langsamer. Neben Nickel als häufigstem Auslöser gehören auch einige Bestandteile topischer Arzneimittel zu den gängigen Verursachern, insbesondere Duftstoffe, Perubalsam, Wollwachsalkohole, Neomycin, Propolis und Bufexamac.

Gegen das allergische Kontaktekzem können kurzfristig topische Steroide eingesetzt werden, langfristig ist Rückfettung hilfreich. Einen Sonderfall der Spättyp-Reaktion an der Haut stellt die Heparinallergie dar. Sie tritt etwa sechs Tage bis drei Wochen nach Heparininjektionen an den Einstichstellen auf, ist durch Allergietests zu bestätigen und stellt meist eine komplette Sensibilisierung gegen alle Heparine dar.

Die Hautreaktionen im Zusammenhang mit Lichteinwirkung sind in Phototoxizität und Photoallergie zu gliedern. Typische Auslöser sind Tetracycline, Sulfonamide, Johanniskraut, nicht-steroidale Antirheumatika und Hydrochlorothiazid. Phototoxizität kann auch beim Erstkontakt auftreten, ist dosisabhängig, setzt nach Minuten oder Stunden meist nur im besonnten Hautareal ein und sieht aus wie ein starker Sonnenbrand. Die phototoxischen Schädigungen lassen teilweise Pigmentierungsveränderungen zurück. Dagegen erscheint eine photoallergische Reaktion erst nach 12 Stunden oder später und erreicht ihr Maximum nach 72 Stunden. Sie kann an allen Körperteilen auftreten und sich als Ekzem, Bläschen oder Schuppung äußern. Photoallergische Schädigungen heilen gut ab. Die Photoallergie ist meist durch Epikutantests mit Belichtung nachweisbar.

Außerdem können Arzneimittel bestehende Hauterkrankungen verstärken oder modifizieren. Als typisches Beispiel gilt die Aktivierung einer Psoriasis durch Betablocker. Eine weitere Form unerwünschter Arzneimittelwirkungen sind akneiforme Reaktionen wie die Steroidakne, die typischerweise nach drei bis fünf Wochen auftreten kann. Einen Sonderfall stellen Tumortherapeutika dar, die als Antikörper gegen den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) wirken. Sie führen sehr häufig zu akneiformen Reaktionen, die als gutes Zeichen für das Ansprechen der Therapie gelten und daher in Kauf genommen werden.

Zu den schwersten unerwünschten Arzneimittelwirkungen gehören das Erythema exsudativum multiforme, das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxisch-epidermale Nekrolyse (TEN). Sie treten sehr selten auf, können aber tödlich ausgehen. Die TEN hat sogar eine Letalität von 5 bis 50 Prozent.

Auf das Vehikel kommt es an

Eine große Bedeutung für die erfolgreiche Arzneimittelanwendung an der Haut hat die Auswahl der angemessenen Grundlage. Denn Störungen der Barrierefunktion der Haut sind Auslöser für Hautkrankheiten – und üblicherweise nicht umgekehrt! –, erklärte Prof. Dr. Rolf Daniels, Tübingen. Wichtige Ursachen für eine gestörte Barriere können Stress, Alter, zu feuchte oder zu trockene Umgebung sein. Eine Hauterkrankung kann zu Juckreiz führen; Kratzen oder exogene Steroide schädigen dann die Barriere, wodurch die Krankheit weiter unterhalten wird. Daher müssen Barrierestörungen behoben werden, wobei die richtige Wahl des Vehikels einen wesentlichen Effekt hat. Auf einer bereits solubilisierten Lipidmatrix können hydrophile Zubereitungen diese Schädigung verstärken. So können Zubereitungen mit hydrophilen Emulgatoren die Hautlipide auswaschen, wenn die Haut kurz nach dem Auftragen erneut mit Wasser in Kontakt kommt. Dagegen können lipophile Grundlagen bei bestehender Okklusion zu einer hyperhydratisierten Lipidmatrix führen, sodass die Haut nach Wegfall der Okklusion verstärkt austrocknet.

 

Rolf Daniels

Dermatikagrundlagen lassen sich aus pharmazeutischer Sicht in flüssige und streichfähige Zubereitungen, in ein- und mehrphasige Systeme und nach der Polarität in hydrophile und lipophile Produkte gliedern. Dagegen unterscheiden Dermatologen typischerweise feste, flüssige (im Sinn von wässrig-alkoholisch) und fette Bestandteile und diverse dazwischen angesiedelte Mischformen der Zubereitungen.

Die Hersteller von Fertigarzneimitteln orientieren sich eher an der dermatologischen Nomenklatur, verwenden aber keine einheitliche Systematik, die zwischen den Anbietern vergleichbar wäre, beklagte Daniels. Sogenannte Cremes sind meist hydrophile Cremes. Die Bezeichnung als Salbe kann für lipophile Cremes oder wasseraufnehmende Salben stehen. Fettsalben können wasseraufnehmende oder hydrophobe Salben sein. Die Handelsbezeichnungen erklären den Emulsionstyp vielfach nicht. Doch nicht einmal das Mengenverhältnis zwischen Wasserphase und Lipidphase lässt diesen erkennen, wie Daniels am Beispiel der Harnstoff-Zubereitungen im NRF zeigte. Denn es kommt wesentlich auf den verwendeten Emulgator an. Öl-in-Wasser-Zubereitungen begünstigen die kurzfristige Penetration von Harnstoff in die Haut, dagegen führen Wasser-in-Öl-Zubereitungen zu einer längeren und gleichmäßigen Penetration. Doch die Zusammenhänge zwischen Vehikeleigenschaften und Wirkstoffpenetration sind so komplex, dass noch immer keine aussagekräftigen Vorhersagemodelle existieren.

Außerdem geht die Suche nach neuen galenischen Konzepten weiter. Aus eigenen Erfahrungen berichtete Daniels über "Betulsionen", die nur aus Wasser, Öl und Birkenkorktrockenextrakt bestehen. Letzterer enthält das Triterpen Betulin, das das streichfähige Oleogel erfolgreich stabilisiert und zugleich antimikrobiell wirkt. Als weitere interessante Entwicklung beschrieb Daniels Schaumcremes, die eine kosmetisch elegante Hautpflege ohne Okklusion versprechen.

Erfolgreiche Zusammenarbeit


Am 20. Februar besuchten etwa 120 Teilnehmer das 14. gemeinsame Fortbildungsseminar der Apothekerkammer Hamburg und der Landesgruppe der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Unter der Moderation von JProf. Dr. Dorothee Dartsch nahmen sie die Haut in den "pharmazeutischen Fokus". Das Thema Haut "beschäftigt uns in der Apotheke regelmäßig, wenn nicht gar jeden Tag mehrmals", erklärte Kammerpräsident Rainer Töbing. Neben der Themenwahl sieht Töbing den Erfolg der gemeinsamen Veranstaltung in den handelnden Personen, die die Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis herstellten. Untrennbar mit der Idee der gemeinsamen Fortbildung sei das Engagement von Prof. Dr. Elisabeth Stahl-Biskup verbunden, die acht Jahre lang der DPhG-Landesgruppe vorstand. Es sei ihr stets gelungen, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zu vermitteln und die Brücke zur Berufspraxis zu schlagen. Töbing dankte ihr für den Einsatz in der Fortbildung: "Sie haben nach dem Grundsatz gehandelt, dass die wissenschaftlich fundierte Pharmazie alle Apothekerinnen und Apotheker verbindet und dass dies auch in den Angeboten unserer Fachgesellschaft zum Ausdruck kommen muss."

Kammerpräsident Rainer Töbing dankt Prof. Dr. Elisabeth Stahl-Biskup für die Organisation der gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung der Apothekerkammer und der DPhG-Landesgruppe Hamburg.

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