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Gesundheitspolitik
Zwei Monate AMNOG: Viel Frust, wenig Freude
Peter Homann, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes, sprach von einem "Vielfrontenkrieg", in dem sich die Apotheken derzeit befänden. Auch wenn die Erfahrung nicht neu sei, dass gesundheitspolitische Änderungen am Ende in der Apotheke landen – nach dem AMNOG sieht Homann die Pharmazeuten besonders gebeutelt. Zu den üblichen Erklärungen zu Rabattverträgen komme nun noch der Aufwand durch die geänderten Packungsgrößen: "Im Moment macht das gar keine Freude", so Homann. Die geänderte Packungsgrößenverordnung sei "hirnrissig", das Handling eine "Katastrophe". Jede Verordnung müsse hinsichtlich der Packungsgröße geprüft werden. Glücklicherweise verordneten die meisten Ärzte – mit Ausnahme von Zahnärzten und Orthopäden – jedoch konkrete Mengen und nicht nur unter einer N-Bezeichnung. Für die Patienten bedeute dies längere Wartezeiten in der Apotheke. Langsam mache sich bei ihnen aber auch ein gewisser "Mitleidsfaktor" bemerkbar. "Da wünscht man sich ins letzte Jahrtausend zurück", so Homann. Hinzu komme, dass das AMNOG im Schnitt mit 20.000 Euro Mindereinnahmen zu Buche schlage – dies sei für viele Apotheken nicht mehr tragbar.
Auch DAK-Chef Herbert Rebscher kann die Sorgen der Apotheker nachvollziehen. Er bezeichnete sich selbst zwar als "leidenschaftslos" beim Thema Packungsgrößenverordnung – doch aus seiner Sicht handelt es sich hier um einen klassischen Ansatz des Gesetzgebers, der keinen Blick für die Produktionspraxis von Unternehmen habe. Die Befürchtung vieler Apotheker, die fehlerhaften Herstellermeldungen und falschen Angaben in ihrer Software seien ein über ihnen schwebendes Damoklesschwert, nährt Rebscher nicht: "Kein Mensch wird retaxieren, wenn es Übergangsregelungen gibt", sagte er – und diese werde es noch eine Weile geben.
Sven Dethlefs, Geschäftsführer bei Ratiopharm und Vize-Vorstandsvorsitzender von Pro Generika, kann nur bestätigen, dass die neuen Packungsgrößenvorgaben für die Praxis nicht durchdacht seien. Er erkannte zwar an, dass sich der Gesetzgeber noch zu Übergangsfristen durchringen konnte. Dennoch bedeute die Umstellung auf die neuen N-Größen einen gewaltigen und kostspieligen Verwaltungsaufwand für die Hersteller. Dabei müsse man sich nichts vormachen: "Am Ende zahlt der Patient." Die Kosten der Umstellung gingen in die Kalkulation und damit auch in die Angebote für Rabattverträge ein.
Trotz aller Kritik: Die Bundestagsabgeordnete Karin Maag (CDU) sieht beim Thema Packungsgrößen "Licht am Ende des Tunnels". Sie betonte, dass Kassen und Apotheker in ihrem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung mittlerweile "vieles gerade gerichtet" hätten. Sollten sich weitere Probleme auftun, werde man darüber nachdenken, nochmals Hand an der Verordnung anzulegen. Größer ist Maags Hoffnung jedoch, dass sich die Umstellung nun einspielt.
Steigendes Interesse an der Mehrkostenregelung
Auch die Mehrkostenregelung bewegt weiterhin die Gemüter. Homann stellte klar, dass die Apotheker nicht gegen die Regelung schlechthin seien. Doch in ihrer jetzigen Form sei sie "sinnlos" und sollte wieder kassiert werden. Bislang ist die Nachfrage der Patienten nach dieser neuen Wahlmöglichkeit bescheiden. Die AOK Hessen habe im Januar acht Anträge verzeichnet, so Homann. Rebscher erklärte, auch bei der DAK seien es im Januar noch um die zehn Fälle gewesen – mittlerweile sei die Anzahl der Kostenerstattungsanträge jedoch auf rund 600 gestiegen, Ende März könnten es schon über tausend sein. Allerdings: Rebscher rechnet damit, dass viele Patienten die Mehrkostenregelung nur ein einziges Mal in Anspruch nehmen werden. Wenn sie sehen, dass sie von den selbst gezahlten 100 Euro nur 57 Euro von ihrer Kasse wiederbekommen – im Schnitt liegt der Erstattungsbeitrag laut Rebscher bei 55 bis 60 Prozent – würden sie sicherlich nicht noch einmal in die eigene Tasche greifen. Der DAK-Chef geht daher von einer extrem kurzen Halbwertszeit der Regelung aus. Auch die Industrie kann der Regelung nichts abgewinnen. "Wir schweigen das Thema lieber mausetot", sagte Ratiopharm-Geschäftsführer Dethlefs. Schließlich laufe es auch auf einen Imageschaden hinaus, wenn ein Patient mit einem Ratiopharm-Präparat das Verfahren der Mehrkostenregelung durchmache und am Ende frustriert zurückbleibe.
Dethlefs zeigte sich zudem enttäuscht, dass der politisch gewollte Wettbewerb durch das AMNOG nicht gefördert wurde. Dies zeige auch die aktuelle Ausschreibung der AOK. Obwohl die großen Generikahersteller "nur" einen Marktanteil von 60 Prozent erwirtschafteten, hätten sie bei dieser Tranche 82 Prozent aller Zuschläge bekommen. Als Ratiopharm-Vertreter freut sich Dethlefs hierüber – schließlich räumten Ratiopharm/Teva in der Ausschreibung besonders ab. Als Pro Generika-Vize ist er jedoch skeptisch: "Dies fördert die Konsolidierung des Marktes, schadet der Anbietervielfalt und damit auch dem Wettbewerb."
Insgesamt fiel das Fazit nach zwei Monaten AMNOG ernüchternd aus. Homann forderte ein Reparaturgesetz – Frau Maag machte ihm allerdings keine Hoffnung.
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