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Gesundheitspolitik
Celesio: Oesterle muss gehen
Als die knappe Meldung aus der Stuttgarter Firmenzentrale über die Nachrichtenticker ging, schoss der Aktienkurs von Celesio zeitweise um drei Prozent in die Höhe: Kein schmeichelhaftes Urteil des Börsenparketts über die Arbeit Oesterles. Vielleicht aber auch nur das Signal, dass Mehrheitsgesellschafter Haniel seinen 54,6 Prozent-Anteil mit Nachdruck zum Verkauf anbietet.
"Im besten Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat", teilte der Pharmahändler Celesio wortkarg mit, scheide Vorstandschef Fritz Oesterle aus dem MDax-Konzern aus. Der Aufsichtsrat habe gegenüber Oesterle "seinen großen Dank und seine besondere Anerkennung für dessen unternehmerische Leistungen und Erfolge in der Führung des Unternehmens" zum Ausdruck gebracht.
So lauten die Formeln, mit denen man in Unternehmerkreisen Meinungsverschiedenheiten und Konflikte über die strategische Ausrichtung übertüncht. Denn in letzter Zeit häuften sich die Indizien für einen tiefer gehenden Riss zwischen der Stuttgarter Konzernzentrale und dem in Duisburg residierenden Haniel-Familienclan.
Weil sich in Deutschland die Renditen im Pharmagroßhandel kaum weiter nach oben treiben ließen, suchte Oesterle sein unternehmerisches Glück im Ausland, drängte darauf, für Zukäufe in Schwellenländern eine Milliarde Euro freizugeben. Doch die Gesellschafter im Ruhrgebiet hatten anderes im Sinn. Selbst notorisch hoch verschuldet, suchte Haniel einen Käufer für seinen 54,6 Prozent-Anteil – zunächst in den USA, später in China. Haniel-Chef Jürgen Kluge soll an Oesterle vorbei mit dem Konzern Shanghai Pharmaceutical verhandelt haben. Das muss Oesterle als Affront verstanden haben.
Zunächst spornten die anhaltenden Querschüsse des Mehrheitsaktionärs den Kampfgeist Oesterles an: In mehreren Interviews pries der Celesio-Chef seine Arbeit an. Rief seine DocMorris-Apotheken zur Kernmarke für den weiteren Ausbau des Europa-Apothekengeschäfts aus. Das Joint Venture mit dem US-Pharmakonzern Medco sollte die Tür in eine neue Ära im deutschen und europäischen Gesundheitsgeschäft aufstoßen.
Stirnrunzeln löste Oesterle mit einem "Welt"-Interview aus, in dem er sich mit Kettensäge in der Hand als Hobby-Wochenend-Waldarbeiter outete. Das Bild gefiel nicht überall: Wer Sonntags mit einer Kettensäge durch den Wald läuft, löst nicht nur positive Assoziationen aus. Der offenkundige Aktivismus Oesterles stand offenbar in direkter Korrelation zu den wachsenden Problemen. Kurz vor seinem Rauswurf zeigte sich Oesterle im kleinen Kreis offen frustriert über ständige Querelen mit Haniel.
Gut möglich aber auch, dass Oesterle nur als "Bauernopfer" für Haniel-Chef Jürgen Kluge herhalten muss. Der von Kluge angekündigte Konzernumbau bei Haniel stockt. Konflikte gibt es nicht nur mit der Celesio-Beteiligung. Auch beim Handelskonzern Metro, an dem Haniel nur eine Minderheitsbeteiligung besitzt, kommt Kluge nicht voran. Ein im Sommer bekannt gewordenes Strategiepapier, das eine Umschichtung der Haniel-Beteiligung in renditestärkere Anlagen ankündigte, wurde rasch verworfen.
Der Duisburger Familienkonzern Haniel müsse in den nächsten Jahren alle zwölf Monate um rund acht Prozent im Wert steigen, erklärte Finanzvorstand Stefan Meister in einem Interview der "Börsen-Zeitung". Denn genau um diesen Betrag wachse im Schnitt die Zahl der Haniel-Gesellschafter, also der Familienmitglieder. Damit diese auf Dauer den gleichen Gewinn erhalten können, sei das genannte Wachstum notwendig. Auch Jürgen Kluge steht also unter erheblichem Erfolgsdruck und muss Taten vorweisen: Oesterles Rauswurf könnte eine davon sein.
Wie es jetzt mit Celesio und seinen 46.000 Mitarbeitern weitergeht, steht in den Sternen. Dass sich rasch ein Käufer oder Investor findet, halten Branchenkenner angesichts der mageren Rendite von drei Prozent für unwahrscheinlich. Wer neuer Celesio-Chef wird, ist ebenfalls noch nicht bekannt: "Die Suche nach einem Nachfolger läuft intern wie extern", sagte ein Haniel-Sprecher.
Ob Stefan Meister, 45, eine neue Chance erhält, ist keineswegs gewiss. Meister, derzeit Vorstand bei Haniel in Duisburg, hatte vor zwei Jahren im Streit mit Oesterle den Celesio-Vorstand verlassen. Doch sein Wirken in Stuttgart ist nicht unumstritten. Meister zeichnete bei Celesio verantwortlich für das Apothekengeschäft – und damit auch für den Zukauf von DocMorris, der sich kurz darauf als Flop erwies. Nach Meisters Abgang schrieb Celesio in der Apothekensparte nahezu eine halbe Milliarde Euro ab.
Bis zum Vertragsende im Sommer will Oesterle seinen Vorstandsposten bei Celesio ausfüllen. Soviel war aus der Stuttgarter Konzernzentrale zu erfahren. Das könnte schon diesen Mittwoch spannend werden. Dann will der Vorstand des Pharmahändlers auf einer Bilanzpressekonferenz seine aktuellen Geschäftszahlen präsentieren – offenbar mit Oesterle. Die Fragen dürften sich dann nicht nur um Soll und Haben drehen.
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