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Management
Zwei Motivationshebel: Führen mit Schmerzen und Freude
Ein Mensch kann motiviert werden, indem man ihm vor Augen führt, welche unerwünschten Konsequenzen sein Verhalten hat. Grundgedanke dieser Motivationsstrategie ist, dass der Mitarbeiter schließlich, um "Schmerzen" zu vermeiden, bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legt.
Die zweite Strategie beruht auf folgender Überlegung: Ein Mensch lässt sich motivieren, indem ihm ein Ziel oder eine Vision veranschaulicht wird, das er durch sein Verhalten erreichen kann. Er lässt sich motivieren, indem ihm die Erreichung eines Ziels in Aussicht gestellt wird, das ihm "Freude" und ein gutes Gefühl bereitet.
Beide Hebel betätigen
So einfach dieses psychologische Modell ist, so bestimmend ist es für die Führungspraxis vieler Apotheker, die allzu oft nur einen der Hebel betätigen – den "Schmerzhebel" oder den "Freudehebel". Dann heißt es: "Mein Team braucht Druck, damit es gute Leistungen erbringt." Oder es wird der Ausspruch von Antoine de Saint-Exupéry zitiert: "Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommele nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten und Aufgaben zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem endlosen Meer."
Die Kunst modernen Führens besteht darin, bei der Mitarbeitermotivation beide Aspekte zu berücksichtigen – den "Schmerz-" und den "Freudehebel" – und flexibel auf die Motivationslage des Mitarbeiters einzugehen.
Verschiedene Gesprächssituationen
Ein Beispiel zeigt die Bedeutung des flexiblen Einsatzes der Führungs- und Motivationsinstrumente auf: Der Apotheker muss zwei wichtige Gespräche führen:
Da ist zunächst einmal der Mitarbeiter Wolfgang Müller. Durch seine Unaufmerksamkeit ist es zu einer vermeidbaren und sehr ärgerlichen Verzögerung bei der Aussendung eines Medikamentes gekommen, das ein Kunde dringend benötigt. Wolfgang Müller ist ein eher lethargischer Mitarbeiter, der konkrete Arbeitsanweisungen und Unterstützung benötigt. Da er zur Zeit private Schwierigkeiten hat und ihm nicht zuletzt deswegen des Öfteren Fehler unterlaufen, ihm aber ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen Privat- und Berufsleben sehr wichtig ist, reagiert er derzeit empfindlich auf Kritik. Er befindet sich in einem "Demotivationsloch".
Danach erwartet der Apotheker seine Spitzenkraft Christa Pagel. Sie arbeitet eigeninitiativ und drängt stets von selbst darauf, mit ihrem Vorgesetzten konkrete Ziele zu vereinbaren. Neben ihrem persönlichen Ziel, im Frei- und Sichtwahlbereich durch eine exzellente Kundenberatung den Umsatz zu steigern, verfolgt sie das Ziel, den Ruf der Apotheke zu verbessern. Sie möchte gerne "in der besten Apotheke am Ort" arbeiten. Andererseits führt ihre hohe Eigenmotivation dazu, dass sie manchmal ein wenig verächtlich auf diejenigen Kollegen herabsieht, die sich nicht so zielstrebig wie sie engagieren. Deswegen kommt es regelmäßig zu Spannungen innerhalb des Apothekenteams.
Auf den Apotheker kommen also zwei vollkommen verschiedene Gesprächssituationen mit zwei äußerst verschiedenen Persönlichkeiten zu, wobei jedes Gespräch von einer anderen Zielsetzung bestimmt ist:
– ein Kritik- und Motivationsgespräch mit dem zur Zeit sehr dünnhäutigen Mitarbeiter Müller, der einerseits kritisiert, andererseits motiviert werden muss.
– Und ein Zielvereinbarungsgespräch mit der intrinsisch motivierten Spitzenkraft Pagel, bei dem der Apotheker auch auf die Konfliktsituation mit den Kollegen eingehen möchte.
Verschiedene Strategien
Würde der Apotheker in beiden Gesprächen dieselbe Strategie einsetzen, wäre das Fiasko wohl vorprogrammiert. Setzt er am Druckhebel an, erreicht er vielleicht etwas bei Herrn Müller. Bei Frau Pagel jedoch führt diese Vorgehensweise zur Demotivation. Verlässt er sich auf das Führen mit Zielen und Visionen, ist das Gespräch mit Herrn Müller zum Scheitern verurteilt. Aber leider ist die Angelegenheit noch komplizierter. Denn selbst, wenn der Apotheker personenspezifisch vorgeht und hier den "Druckhebel" und dort den "Freudehebel" als grundsätzliche Gesprächsstrategie anwendet, wird er der spezifischen Situation seiner beiden Mitarbeiter kaum gerecht werden können.
Obwohl die Vermutung nahe liegt,
bei Wolfgang Müller eher Druck auszuüben, ihn klar auf seine Versäumnisse hinzuweisen und eindeutige Anweisungen zu geben, wie Fehler in Zukunft vermieden werden können, und
bei Christa Pagel das Führen mit Visionen und Zielen zu beherzigen und ihr aufzuzeigen, wie sehr ihr Potenzial dazu beiträgt, die Apotheke voranzubringen,
greift die personenorientierte Variante zu kurz. Denn es ist zumindest überlegenswert, ob der Apotheker bei dem Mitarbeiter aufgrund seiner privaten Situation nicht Elemente des Führens mit Visionen einsetzen sollte, bei Frau Pagel hingegen auch den "Druckhebel" ins Spiel bringen müsste, um ihr Verhältnis zu den Kollegen zu verbessern. Flexibilität und die Beachtung der Charaktere der Mitarbeiter sowie der Situation, in der diese sich befinden – diese Aspekte muss der Apotheker gleichermaßen berücksichtigen.
Prinzip Schmerz und Freude
Das Beispiel zeigt: Der Apotheker sollte situationsangemessen und personenabhängig vorgehen, um seine Gesprächsziele zu erreichen – dies könnte so aussehen:
Der Apotheker macht den Mitarbeiter Müller auf seine hohe Fehlerquote aufmerksam, beschreibt die negativen Folgen für die Apotheke und ihn selbst und erarbeitet mit ihm Lösungsmöglichkeiten zur Fehlervermeidung. Außerdem berücksichtigt er dessen spezifische Situation: "Wir werden für Sie einen Ziel- und Zeitplan aufstellen, den ich genau kontrollieren kann, damit wir Fehler möglichst ausschließen können. Außerdem berücksichtigen wir Ihre private Situation, so dass Ihnen Zeit bleibt, sich darum zu kümmern und zugleich Ihre Aufgaben zu erfüllen. Denn ich glaube, Sie können am meisten für uns leisten, wenn Sie sich beruflich und privat wohl fühlen." So verabreicht der Apotheker eine Portion "Schmerz" und zieht zugleich die Tatsache ins Kalkül, dass für Wolfgang Müller private Ziele zumindest derzeit auch wichtig sind.
Im Gespräch mit seiner Spitzenkraft Pagel vereinbart der Apotheker zum einen wieder hoch gesteckte Ziele. Zum zweiten appelliert er an ihre Kooperationsbereitschaft: "Mithilfe dieser Ziele tragen Sie dazu bei, die Apotheke weiter nach vorn zu bringen, Frau Pagel, vielen Dank. Bedenken Sie jedoch, dass wir nur als Team stark sind. Nur wenn auch Ihre Kollegen besser werden, lassen sich unsere ambitionierten Ziele erreichen. Vielleicht können Sie die Kollegen dabei unterstützen?"
Der Apotheker betätigt ausgiebig den "Freudehebel" und verdeutlicht im selben Atemzug, dass Frau Pagel ihre Ziele nur erreichen kann, wenn sie sich kooperationsbereiter zeigt und bereit ist, Teamgeist zu zeigen.
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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