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Gesundheitspolitik
Jetzt reicht’s: Prüfwut der Kassen stoppen!
Mittlerweile sind dem LAV rund 300 Fälle bekannt, in denen Krankenkassen Rezepte auf Null retaxieren – meistens wegen vermeintlicher oder unbedeutender Formfehler auf der Verordnung: Ärzte haben beispielsweise bestimmte Felder (Aut-idem-Feld) handschriftlich angekreuzt, Gebrauchsanweisungen wurden nicht peinlich genau formuliert oder im Arztstempel fehlt die Telefonnummer. Die Verluste für Apotheken durch die Retaxationen belaufen sich auf insgesamt 126.000 Euro. Auch andere Bundesländer, beispielsweise Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, sind von der Retaxationswut der Kassen betroffen. Allein in Nordrhein-Westfalen sind über 800 Fälle bekannt geworden.
Besonders häufig lassen folgende Kassen Rezeptkontrollen durch ihre Dienstleister (z. B. Protax) durchführen und retaxieren: Novitas BKK, BKK vor Ort, BKK Hoesch, BIG direkt gesund, BKK Gesundheit West BKK Gildemeister.
Der Höhepunkt: 35.000 Euro Retaxation
Der vorläufige Höhepunkt der Retaxationswelle: der Fall des baden-württembergischen Apothekers Joachim Gädeke, Uhlberg-Apotheke in Filderstadt. Er hatte eine Retaxation von der "Big direkt gesund" erhalten, weil der Arzt auf fünf T-Rezepten, auf denen das Präparat Revlimid verordnet war, handschriftlich ein Kreuz aufgetragen hatte und dies nicht gegenzeichnete. Der Apotheker ist sich nicht bewusst, einen Fehler bei der Belieferung der Rezepte begangen zu haben. Er wandte sich daher umgehend an den LAV und die Presse, um Gegenschritte einzuleiten und dieses Vorgehen der Kasse publik zu machen: "Ein unhaltbarer Vorwurf, wir werden uns das nicht gefallen lassen", so Gädeke.
Juristische Schritte
In der Geschäftsführerin des LAV, Ina Hofferberth, findet er eine Mitstreiterin. Sie macht deutlich: Nirgendwo sei verankert, dass ein Kreuz auf dem Rezept maschinell aufgebracht werden müsse und nicht handschriftlich ausgeführt werden dürfe. Manche Arztsoftware beherrsche zudem nicht, Kreuze auf T-Rezepten zu drucken. Retaxationen der Kassen, die wegen handschriftlich gesetzter Kreuze vorgenommen werden, suggerierten zudem den Vorwurf der Rezeptfälschung (nachträglich vom Apotheker aufgebrachtes Kreuz). Das wolle man sich nicht mehr gefallen lassen und habe daher Einspruch eingelegt. Man wolle, so Hofferberth, diese Fälle wenn nötig durch höchste Gerichte klären lassen, denn die Vorwürfe seien juristisch nicht haltbar und Retaxationen auf Null hier nicht gerechtfertigt.
Geargwöhnt wird bereits, dass manche, vor allem leicht angeschlagene Krankenkassen krampfhaft nach Gründen suchen, Rezepte retaxieren zu können, um nicht bezahlen zu müssen: "Da steckt System dahinter."
Mittlerweile hat der LAV bereits Handzettel an die Apotheken verteilt zur Weitergabe an die Apothekenkunden. Aus den Informationen geht hervor, welche Kassen kleinste Formfehler bei BtM-Rezepten beanstanden und weshalb daher die Versorgung mit Betäubungsmitteln aktuell unter erschwerten Bedingungen abläuft.
Ziel: Kein Retax auf Null
Um zukünftige Retaxationen und Streitereien mit den Kassen zu vermeiden, müssten vertragliche Leitplanken eingezogen werden. Hofferberth denkt dabei an eindeutige Regelungen in den Lieferverträgen zwischen Kassen und LAV. Ziel für den Verband ist es, Retaxationen auf Null gänzlich auszuschließen.
Gädeke schaltete bereits die Politik ein. Er wandte sich mit einer Petition an den Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich (CDU) und trug ihm sein Anliegen vor. Hennrich griff das Gesuch auf und bat die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Dr. Doris Pfeiffer, zur Abrechnungspraxis solcher Kassen Stellung zu nehmen.
Die Retaxationspraxis der Kassen hat in den letzten Jahren merklich zugenommen. Allein die auf Retaxationen spezialisierte Abteilung des LAV prüfte im vergangenen Jahr rund 3300 Fälle und legte Widerspruch ein. Dabei ging es insgesamt um die Summe von 600.000 Euro, die von den Krankenkassen einbehalten worden war. Etwa die Hälfte davon konnte der LAV für die Apotheken zurückholen, weil die Retaxationen zu Unrecht erfolgt waren.
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