Wirtschaftsforum

Im Prinzip pro Apotheke …

Das brachte die Veranstalter des Wirtschaftsforums kurz in Bedrängnis: Drei eingeladene Politiker sagten ihre Teilnahme an der gesundheitspolitischen Diskussionsrunde aus unterschiedlichen Gründen kurzfristig ab. Um das Podium dennoch abwechslungsreich zu gestalten, bat man je einen Vertreter der polnischen und der österreichischen Apotheker, über Probleme der Pharmazie in ihren Ländern zu sprechen und mitzudiskutieren.
Fotos: DAZ/diz
Politikerdiskussion Die Politik versprach, sich die belastenden Zahlen genau ansehen und gegen Belastungen und Pick up doch noch etwas unternehmen zu wollen.

Jens Spahn (CDU), Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) und Biggi Bender (Die Grünen) hielten es nicht für notwendig, der Einladung des Deutschen Apothekerverbands zu folgen und sich den Fragen der Apothekerinnen und Apotheker zu stellen. Dass keine Sitzungswoche in Berlin war, mag mit ein Grund gewesen sein, auch eine Erkältung wurde als Grund genannt, andere Gründe blieben im Dunkeln. An ihre Zusage hielten sich dagegen die FDP-Gesundheitspolitikerin Ulrike Flach und Dr. Martina Bunge, Die Linke. Sie wurden unterstützt von Piotr Bohater, Apotheker aus Polen, und Leopold Schmudermaier, 2. Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer. Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands, saß für die deutschen Apothekerinnen und Apotheker auf dem Podium, die Moderation lag in Händen von Dr. Albrecht Kloepfer.


Ulrike Flach

FDP: Nachsteuern übers GKV-Versorgungsgesetz

Es war nicht die Absicht der Regierung, die Apotheker durch das AMNOG überproportional zu belasten, gestand Ulrike Flach. "Wenn Sie uns belastbare Zahlen vorlegen, werden wir nachsteuern; das könnte über das GKV-Versorgungsgesetz geschehen", machte sie den Apothekern Hoffnung. So sei es nicht geplant gewesen, dass der Großhandel seine Belastungen an die Apotheken weitergebe. "Wir schauen da genau hin", so Flach.

Auf die Pick-up-Problematik angesprochen versuchte die Gesundheitspolitikerin dem Forum zu verdeutlichen, warum man bisher kein Pick-up-Verbot habe durchsetzen können: Man wollte "keinen Ärger mit dem Innen- und Justizministerium", die in einer Stellungnahme ein Verbot von Pick up für nicht machbar ansahen. Das Thema Pick-up-Verbot sei für sie aber dennoch nicht vom Tisch. Man arbeite jetzt an unterschwelligen Lösungen. Den erneuten Vorschlag von Fritz Becker, Pick up wenigstens über ein Versandverbot von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einzudämmen, wolle sie gerne mit in die Beratungen nehmen.

Auch beim Thema Packungsgrößenverordnung werde man genau hinsehen, wie sich diese Verordnung in der Praxis bewähre. Eine Reform der Packungsgrößenverordnung sei aber notwendig gewesen, verteidigte Flach diese Verordnung, räumte aber ein, auch hier eine Bewertung abwarten zu wollen, um dann gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen.

Becker kündigte an, sich in Kürze mit Flach treffen zu wollen, dann werden folgende Themen auf der Liste stehen:

  • die wirtschaftlichen Folgen des AMNOG und was dagegen zu tun sei,

  • die Forderung nach einer Dynamisierung des Apothekerhonorars,

  • strittige Punkte zur Apothekenbetriebsordnung wie beispielsweise Filialapotheken als Apotheken zweiter Klasse,

  • die Packungsgrößenverordnung und

  • das Thema Pick up.


Dr. Martina Bunge, Die Linke

Auf Apothekerkurs: Die Linke

Vollstes Verständnis für die Lage der Apotheken zeigte Martina Bunge, Die Linke. Sie halte es nicht für angebracht, dass Apotheken bei jeder Reform belastet worden seien. Für sie stehe eine Stärkung des Heilberufs auf der Agenda. Ginge die Politik konsequenter gegen die Pharmaindustrie vor, könnte man auf so manche Maßnahme, die die Apotheker treffe, verzichten.

Zum Thema Pick up könne sie den vorauseilenden Gehorsam von Schwarz-Gelb nicht verstehen. Warum sollte man nicht versuchen, Pick up über ein Verbot des Versands von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einzudämmen, so Bunge. Ihre Partei setze sich dafür ein, die Fähigkeiten des Apothekers stärker ins Gesundheitswesen einzubringen und zu nutzen. Es wäre besser, wenn man die Kenntnisse des Apothekers für das Gesundheitswesen nutzen würde als ihn mit Bürokratie zu überschütten. Beim Thema Apothekenzahl könnte sich Bunge vorstellen, die freie Niederlassung von Apotheken einzuschränken beispielsweise durch Kriterien wie einen Mindestabstand zur nächsten Apotheke. Und die Arzneimittelausgaben könnte man über eine Positivliste besser in den Griff bekommen.


Piotr Bohater

Polens liberales Apothekensystem

Über das derzeitige Apothekensystem in Polen konnte der polnische Apotheker Piotr Bohater kaum Gutes berichten. Es herrscht vollkommene Liberalität: Fremdbesitz, Mehrbesitz und freie Preise. Oft sind PTAs alleine in der Apotheke. Mit einer für 2012 angekündigten Gesetzesnovelle erwartet man jedoch positive Regelungen, die die Missstände abstellen. Nach seiner Auffassung sollte die polnische Regierung viel stärker die Leistungen des Apothekers anerkennen und den Apotheker ins Gesundheitswesen einbinden. Täglich besuchen 2 Millionen Menschen Polens Apotheken; durch Beratung bei Befindlichkeitsstörungen helfen die Apotheker, Arztbesuche zu reduzieren und damit Kosten zu sparen. Mit Blick auf Deutschland sagte er, dass die Duldung von Pick up durch die Politik ein großer Fehler sei ebenso wie die Zulassung des Versands von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Immerhin, in Polen ist nur der Versand von OTC-Arzneimitteln erlaubt.


Leopold Schmudermaier

Österreich: Alles ein bisschen anders

Von Ruhe im Apothekenwesen, von Planungssicherheit und einer guten Arzneimittelversorgung konnte Leopold Schmudermaier aus Österreich berichten. Österreichs Apothekenwesen sei zwar in gewisser Weise liberal, aber nicht regellos. Einen Arzneiversandhandel gebe es nicht, allerdings bereiteten derzeit Aktivitäten der Drogeriemarktkette dm, die durch die Zusammenarbeit mit einer ausländischen Versandapotheke einen Versandhandel über die Hintertür einführen wolle, Probleme. Zur positiven Apothekensituation in Österreich trage auch, so Schmudermaier, ein "bedarfsorientiertes Niederlassungsystem" bei, wonach Apotheken einen Mindestabstand von 500 Metern einhalten und eine ausreichende Einwohnerzahl nachweisen müssen. Ein Knackpunkt des österreichischen Gesundheitssystems sei das Dispensierrecht der Ärzte im ländlichen Bereich. Hier komme es mitunter zu Konflikten mit den Ärzten. Wenn sich nämlich eine Apotheke in diesem Gebiet niederlasse, müssen die Ärzte das Dispensierrecht (und damit eine ihrer Einnahmequellen) zurückgeben.



DAZ 2011, Nr. 19, S. 59

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