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Arzneimittel und Therapie
WHO stoppt Studie zur Anti-Baby-Spritze für den Mann
Die Erforschung zur Entwicklung hormoneller Kontrazeptiva auch für Männer hat eine mehr als 35-jährige Geschichte und immer wieder mussten prognostizierte Termine zur Markteinführung entsprechender Produkte verschoben oder abgesagt werden.
Firmen stellten Projekte ein
Von 2002 bis 2006 hatten Schering und Organon gemeinsam an einem Präparat gearbeitet, dessen Darreichungsform jedoch Probleme zeigte. Um eine Kombination von Gestagen und Testosteron sinnvoll zu dosieren, waren sowohl ein Implantat als auch alle drei Monate eine Spritze notwendig. Die Markteinführung war zunächst schon für 2005, später dann für 2009 avisiert worden. Nach der Übernahme der Schering AG durch die Bayer AG wurde das Forschungsprojekt im Jahr 2007 eingestellt.
WHO forschte weiter
In zwei Studien mit weltweit mehr als 600 Paaren hatte die WHO die grundsätzliche Möglichkeit einer reversiblen, hormonellen Kontrazeption bei Männern aufgezeigt. In den Studien der WHO wurde bei mehr als 90% der ostasiatischen Teilnehmer eine ausreichende Unterdrückung der Spermienproduktion erreicht, aber nur bei zwei Dritteln der Probanden mit weißer Hautfarbe. Die Effektivität der Verhütungsmethode ließ sich jedoch mit der Kombination eines Testosteronpräparates und GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon)-Antagonisten und den Gestagenen Desogestrel und Norethisteron steigern, und auch das Injektionsintervall konnte verlängert werden [2]. In ersten klinischen Studien am Centrum für Reproduktionsmedizin Münster (CeRA) wurden lediglich leichte Nebenwirkungen beobachtet.
Ende 2009 startete die WHO daraufhin eine weltweite Studie in acht Ländern mit zunächst 400 Probanden. Auch in Halle nahmen 43 Männer teil. Alle Teilnehmer im Alter zwischen 18 bis 45 Jahren lebten in fester Partnerschaft, und die Frauen hatten ihr Einverständnis zur Teilnahme an der Studie gegeben. Sie erhielten eine Kombination von Testosteron und Gestagen alle zwei Monate per Spritze. In den Versuchsreihen stellte sich die Behandlung anfänglich – von einer verminderten Hodengröße abgesehen – als nahezu nebenwirkungsfrei heraus.
10% ungewollte Schwangerschaften
Im März dieses Jahres wurde die Studie der WHO abgebrochen, da die Anti-Baby-Spritze nur in 90% der Fälle vor einer ungewollten Schwangerschaft schützte. Auch klagten etwa 10% der Probanden über erhebliche Nebenwirkungen. Neben Akne und Gewichtszunahme entwickelten sich bei einigen Teilnehmer Depressionen. Das endgültige Studienergebnis soll erst im Oktober 2011 veröffentlicht werden. Der Leiter der Studie Michael Zitzmann, Androloge und Endokrinologe am Zentrum für Reproduktionsmedizin der Universität Münster, rechnet nicht mehr mit der Markteinführung einer Verhütungsspritze für den Mann innerhalb der nächsten fünf Jahre, und auch die Pharmaindustrie ist zurückhaltend. "In den nächsten 10 bis 15 Jahren gibt es dafür keine Marktchancen", so Friederike Lorenzen von der Bayer HealthCare Pharmaceuticals der Bayer Pharma AG. Keine der im Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) organisierten 43 Pharmafirmen forschen derzeit an hormonellen Kontrazeptiva für den Mann.
Quelle[1] dpa-Meldung vom 1. 8. 2011[2] Nieschlag, E.: Entwicklungsstand der hormonellen männlichen Kontrazeption. Dtsch. Ärzteblatt 2005; 102(50): A 3006-A 3011.
Dr. Hans-Peter Hanssen
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