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- DAZ 37/2011
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Seite 3
Würden Sie noch einmal Pharmazie studieren?
Die meisten von uns, die vor wenigen und erst recht vor vielen Jahren Pharmazie studiert haben, um danach in der öffentlichen Apotheke zu arbeiten, sind seinerzeit mit einem Apothekenbild in ihren Beruf eingestiegen, das sie heute so nicht mehr vorfinden. In den letzten Jahren hat sich die Arbeit in der Apotheke verändert. Formal nehmen der Apotheker, die Apothekerin oder die PTA noch immer das Rezept des Patienten entgegen und händigen danach mit mehr oder weniger Beratung die Arzneimittel aus. Aber was dabei im Hintergrund und um diesen Vorgang herum abläuft, ist doch grundlegend verschieden von den Abläufen kurz nach der Jahrtausendwende. Dieser Wandel hat sich schleichend und leise vollzogen, aber rückblickend merklich.
Es sind vor allem die Rabattverträge, die Spargesetze wie AMNOG und die enormen wirtschaftlichen Zwänge, die das Apothekenbild nach innen und das Arbeiten in der Apotheke verändert haben. Die Rabattverträge haben den Apotheker weitgehend zum Erfüllungsgehilfen der Krankenkassen degradiert, der allein nach Vorgabe der wechselnden Rabattverträge die peinlich genaue Erfüllung dieser Verträge im Auge haben muss – ansonsten droht ihm die Retaxierung auf null oder, wie der jüngste Metoprolol-Fall zeigte, sogar eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Noch immer, mehr als vier Jahre nach den ersten Rabattverträgen, wissen viele Patienten nicht, dass sie aufgrund der Rabattverträge von Zeit zu Zeit wechselnde Präparate bekommen, je nach Vertragslage. Den Wechsel lasten sie den Apotheken an und den Unmut darüber laden sie in der Apotheke ab – mit allen Folgen für die Apotheke, bis hin zum Verlust des Kunden, der eine andere Apotheke sucht, die ihm – contra legem – sein gewohntes Präparat aushändigt. Die Krankenkassen haben es bisher kaum für nötig gehalten, ihre Versicherten deutlich, wiederholt und umfassend über das Instrument Rabattverträge und die Konsequenzen zu informieren. Und sie erachten es auch nicht für notwendig, dem Apotheker mitzuteilen, welche Hersteller die Rabattarzneimittel nicht liefern können. Durch Bestellversuche bei Großhändlern ist zu ermitteln, ob die Präparate lieferbar sind.
Die Politik erkennt die Arbeit der Apotheke an – aber nur noch in Grußworten, Statements und Sonntagsreden. Mit salbungsvollen Worten wird die Bedeutung der Apotheke für unser Gesundheitswesen herausgestellt und die Leistung der Apotheke gelobt, die flächendeckende und sichere Arzneimittelversorgung in unserem Land. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, die Politik meine dies nicht so. Aber, wenn es dann darum geht zu handeln, die Leistungen der Apotheke entsprechend zu honorieren, dann bleibt von den Bekenntnissen zur Apotheke nicht mehr viel übrig. De facto tut die Politik heute alles dafür, die Apotheke wirtschaftlich unter enormen Druck zu setzen. Schon heute erzielt der Staat höhere Einnahmen an Mehrwertsteuer auf Arzneimittel als die Apotheken für die Arzneimittelversorgung in der GKV bekommen. Eklatantes Beispiel für die Geringschätzung der apothekerlichen Arbeit ist das seit 2004 eingefrorene Honorar von 8,10 Euro. Keine Berufsgruppe, schon gar nicht die Ärzte, arbeitet heute noch zu Bedingungen, die 2004 galten. Eine Anpassung des Apothekenhonorars ist längst überfällig – aber die Politik geht in Deckung.
Rabattverträge, Retaxierungen, Erhöhung des GKV-Zwangsrabatts und Einfrieren des Apothekenhonorars, hinzu kommt eine ständig steigende Bürokratie – wen wundert es da noch, dass Apothekerinnen und Apotheker von ihrem Beruf nicht mehr so überzeugt sind. 66 Prozent der Apothekerinnen und Apotheker, die bei einer Umfrage der Apothekengewerkschaft Adexa mitmachten, gaben an, dass sie heute nicht mehr ihren jetzigen Beruf ergreifen würden. Ebenso zwei Drittel der Befragten würden ihren Kindern oder deren Freunden nicht mehr raten, eine pharmazeutische Ausbildung zu beginnen. Die Gründe: schlechte Arbeitsbedingungen, eine überbordende Bürokratie und ein unzureichendes Gehalt bzw. ein Gehalt, das in keinem Zusammenhang mit der Ausbildung steht. Es scheint sich mittlerweile herumgesprochen zu haben, dass der Arbeitsplatz in der öffentlichen Apotheke wenig erstrebenswert ist. Schon heute hat man den Eindruck, dass immer mehr Berufsanfänger bereits Arbeitsplätze in der Industrie, in der Krankenhausapotheke anstreben, aber nicht in die Apotheke wollen. In manchen Regionen Deutschlands gibt es bereits Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal für die Apotheken zu finden.
Über niedrige Gehälter klagen allerdings nicht nur angestellte Apothekerinnen und Apotheker, sondern auch PTA und PKA. Eine PKA kann heute kaum von ihrem Einkommen leben (Mindestlohn?) Apotheken ist es aufgrund der wirtschaftlichen Situation so gut wie nicht möglich, den heutigen Lebenshaltungskosten entsprechende Gehälter zu bezahlen.
Ja, Pharmazie ist eine abwechslungsreiche, äußerst interessante und anspruchsvolle Disziplin, ja, der Apothekerberuf ist ein ebenso vielseitiger, wertvoller und spannender Heilberuf – aber was haben Bürokratie und Politik daraus gemacht? Hand aufs Herz, würden Sie heute noch einmal Pharmazie studieren?
Peter Ditzel
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