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BAK-Leitlinien: Für Qualität und Praktikabilität

LÜBECK (tmb). Die Apothekerkammer Schleswig-Holstein wird beim Deutschen Apothekertag in Düsseldorf einen Antrag einbringen, der den Gesetzgeber auffordert, für die Herstellung von Arzneimitteln im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs die Leitlinien der Bundesapothekerkammer als verbindlichen Standard vorzuschreiben. Damit soll noch weiter reichenden Forderungen die Grundlage entzogen werden. Das Anliegen erscheint auf den ersten Blick als Reaktion auf Auslegungsdifferenzen zwischen Krankenhausapotheken und Aufsichtsbehörden über die Leitlinien der Pharmaceutical Inspection Convention (PIC). Doch bei näherer Betrachtung erweist sich das Problem als potenzieller Sprengsatz für die Rezepturtätigkeit aller Apotheken und als neue Kostenfalle. Daher ist der Antrag für die Tätigkeit aller Apotheken bedeutsam.
Harald Erdmann, Krankenhausapotheker und Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Schleswig-Holstein

Die Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein hatte bereits bei der Beschlussfassung über den Antrag am 16. März ausführlich über das Thema diskutiert (siehe DAZ 2011, Nr. 12, S. 102). Über die Hintergründe des Antrags sprachen wir mit Harald Erdmann. Er ist Krankenhausapotheker in der Apotheke des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, und hat als Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Schleswig-Holstein wesentlich an der Formulierung des Antrags gearbeitet.


DAZ: Welche Entwicklung veranlasst gerade die Apothekerkammer Schleswig-Holstein, dieses Thema aufzugreifen?

Erdmann: Im Zusammenhang mit den tragischen Todesfällen in der Uniklinik Mainz sind die Rahmenbedingungen für die aseptische Arzneimittelherstellung in die Diskussion geraten.

Hierbei werden bundesweit unterschiedliche Maßstäbe angelegt, welche Leitlinien dem Stand von Wissenschaft und Technik genügen und wie diese im Einzelnen umzusetzen sind.

Die Forderung ausschließlich den PIC/S-Guide PE 010-3 zugrunde zu legen erscheint wenig praxistauglich. Dies wird jedoch von einigen Aufsichtsbehörden erwartet, so auch in Schleswig-Holstein. Die Kammerversammlung hat deshalb bereits im März einen Antrag für den Deutschen Apothekertag formuliert, um eine Vereinheitlichung der Vorgaben zu erreichen und eine praxisgerechte Lösung zu etablieren. Die Leitlinien der Bundesapothekerkammer sollen hierbei als praxisgerechter Stand von Wissenschaft und Technik festgeschrieben werden.


DAZ: Worin bestehen die wesentlichen praxisrelevanten Unterschiede zwischen den PIC-Leitlinien und den Leitlinien der Bundesapothekerkammer?

Erdmann: Die Leitlinien der PIC werden international formuliert und haben das Ziel, GMP-Standards länderübergreifend zu harmonisieren. Sie haben also als Adressaten primär die Arzneimittelherstellung in der pharmazeutischen Industrie. Mit der Formulierung des PIC/S-Guide PE 010-3 wendet sich die PIC jedoch an "Einrichtungen im Gesundheitswesen". Die Formulierungen und Kernpunkte des Leitfadens greifen hierbei aber erkennbar deutlich auf die für die pharmazeutische Industrie erlassenen Bedingungen zurück.

Die wesentlichen Unterschiede gegenüber den Leitlinien der Bundesapothekerkammer ergeben sich in drei Bereichen: Erstens werden andere Anforderungen an Technik und Ausstattung, z. B. Reinraumklassen, gestellt. Dies führt zu hohen finanziellen Aufwendungen, ohne dass ein Zusatznutzen erwiesen ist. Zweitens fehlen konkrete Handlungsempfehlungen zur Durchführung. Aufgrund der Ähnlichkeit der Prozesse in den Apotheken sind spezifische Vorgaben nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll. Dies ist in der BAK-Leitlinie z. B. bei der Risikobewertung in Anlehnung an die USP abgebildet und praktisch besser durchführbar.

Und drittens wird kein Unterschied zwischen den unterschiedlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens, z. B. Krankenhäusern, Arztpraxen, Apotheken, gemacht. Die Leitlinien der Bundesapothekerkammer richten sich hingegen ausschließlich an Apotheken, die z. B. durch das pharmazeutische Personal besondere Grundvoraussetzungen für die Herstellung von Arzneimitteln bereits mitbringen.


Foto: ZL
Leitliniengerecht arbeiten Die Apothekerkammer Schleswig-Holstein wird beim Deutschen Apothekertag einen Antrag einbringen, der den Gesetzgeber auffordert, für die Herstellung von Arzneimitteln im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs die Leit­linien der Bundesapothekerkammer als verbindlichen Standard vorzuschreiben.

DAZ: Können Sie dies an einem Beispiel verdeutlichen?

Erdmann: Ein Beispiel bei dem der "industrielle Ursprung" des PIC/S-Guide deutlich wird, ist die Validierung: Industriell werden überwiegend eher wenige Prozesse mit großem Produktionsumfang durchgeführt. Hier ist die Notwendigkeit eine detaillierte Prozessvalidierung mit einem großen Validierungsumfang durchzuführen, nachvollziehbar. In der Apotheke werden aber überwiegend viele verschiedene Prozesse mit eher geringem Produktionsumfang durchgeführt. Hier führt eine industrieadaptierte Prozessvalidierung dazu, dass mit enormem Aufwand Prozesse validiert und mindestens jährlich revalidiert werden müssen, obwohl der betreffende Prozess – beispielsweise eine Augentropfenherstellung – in der Apotheke nur wenige Male vorkommt. Es wäre für jeden Herstellungsprozess jeweils eine Validierung durchzuführen. Dies überfordert die Möglichkeiten bei der Herstellung in der Apotheke.


DAZ: Betrifft dies nur sterile oder auch andere Arzneiformen?

Erdmann: Es sind auch alle nichtsterilen Lösungen, Cremes und Salben von dem PIC/S-Guide erfasst. Damit betrifft die Entscheidung, welche Regeln für die Arzneimittelherstellung zugrunde gelegt werden auch nicht nur zytostatikaherstellende Apotheken oder Krankenhausapotheken, sondern das Thema geht alle Apotheken an. Es wären also auch alle Apotheken von den zusätzlichen Kosten betroffen. Interessanterweise ist die Herstellung der übrigen Arzneiformen wie z. B. Kapseln aber bisher nicht beschrieben.


DAZ: Wie ist Ihr Antrag mit der Forderung vereinbar, dass individuell hergestellte Arzneimittel die gleichen Qualitätsansprüche erfüllen müssen wie industriell produzierte Fertigarzneimittel?

Erdmann: Es gilt die Anforderungen des Arzneibuchs zu erfüllen. Dazu sind die Vorgaben der BAK-Leitlinien hinreichend und für die öffentliche Apotheke am besten geeignet. Dass es zur Erreichung dieses Ziels unterschiedliche Wege gibt, zeigt sich letztlich auch darin, dass der Gesetzgeber Apotheken im AMG bewusst von dem Erwerb einer Herstellungserlaubnis ausnimmt und ihnen dafür in der Apothekenbetriebsordnung besondere andere Pflichten, z. B. zum Personaleinsatz, auferlegt.


DAZ: Wie stellen Sie sich eine praxisgerechte Lösung vor, die zugleich in die rechtliche Systematik passt?

Erdmann: Letztlich geht es darum, den Stand von Wissenschaft und Technik zu definieren. In einem anderen Zusammenhang werden im Transfusionsgesetz ausdrücklich die Richtlinien der Bundesärztekammer als verbindliche Grundlage für den Stand von Wissenschaft und Technik genannt. Eine ähnliche Regelung sollte in der Apothekenbetriebsordnung für die Herstellung von Arzneimitteln festgeschrieben werden.


DAZ: Welche Konsequenzen befürchten Sie für den Fall, dass die jüngsten verschärften Forderungen der Aufsichtsbehörden zum bundesweiten Maßstab werden?

Erdmann: Neben der Qualität, die ein Arzneimittel erfüllen muss, gibt es einen weiteren wesentlichen Aspekt: die Versorgungssicherheit. Es besteht die Gefahr, dass die Rezepturherstellung für Apotheken nicht mehr organisierbar und nicht mehr finanzierbar wird. Dann müsste diese Aufgabe von spezialisierten Herstellungsbetrieben übernommen werden. Doch ein Herstellungsbetrieb ist anders als jede Apotheke in keinem Fall verpflichtet eine Arzneimittelherstellung durchzuführen. Herstellungsbetriebe können nach rein wirtschaftlichen Aspekten entscheiden, ob sie einen Auftrag annehmen oder nicht. Sie haben keinen Kontrahierungszwang. Eine ähnliche Entwicklung kann bereits bei selten benötigten Fertigarzneimitteln festgestellt werden. So sind viele der Medikamente aus den Notfalldepots der Kammern in Deutschland mittlerweile gar nicht mehr erhältlich. Sollte auch die Rezepturherstellung vollständig in Herstellungsbetriebe verlagert werden, weil die Anforderungen für Apotheken nicht mehr erfüllbar sind, fürchte ich erhebliche Versorgungsengpässe für die Bevölkerung.


DAZ: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Erdmann.



DAZ 2011, Nr. 38, S. 16

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