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Aus Kammern und Verbänden
Apotheke und Arzneimitteltherapiesicherheit
Arzneimitteltherapiesicherheit ist nur erfüllbar, wenn interdisziplinär eine gemeinsame Begleitung des Patienten erfolgt, so Engelen in seiner Begrüßung. Genau diesen Gedanken verfolge das ABDA-KBV-Konzept. Patienten, die mehr als fünf Wirkstoffe erhalten, benötigen mehr Aufmerksamkeit, um Risiken zu erkennen und die Therapie gegebenenfalls anzupassen. Die besondere Beratung und Therapiebeobachtung müsse jedoch honoriert werden. Hier biete das gemeinsam von ABDA und KBV ausgearbeitete Betreuungskonzept aus medizinischer, pharmazeutischer und auch wirtschaftlicher Sicht eine gute Basis, die Arzneimitteltherapiesicherheit zu steigern. Der Arzt soll leitlinienkonform aus einem Medikationskatalog die Wirkstoffe verordnen und dabei die Dosierung, Menge und Darreichungsform festlegen, während der Apotheker unter Berücksichtigung der individuellen Patientenbedürfnisse und der Wirtschaftlichkeit die geeigneten Präparate auswählt. Arzt und Apotheker kümmern sich gemeinsam für jeweils ein Jahr um das Medikationsmanagement des Patienten, um auf diese Weise eine höhere Compliance und damit zugleich eine bessere Arzneimitteltherapiesicherheit zu erreichen. Bei einem Honorar von 360 Euro, aufgeteilt zwischen Arzt und Apotheker für ein gemeinsames einjähriges Medikationsmanagement, könnte die GKV nach derzeitigen Berechnungen dennoch rund 2,1 Milliarden Euro einsparen.
Auch die Vorsitzende des Fortbildungsausschusses Annette van Gessel betonte in ihrer Einführung, dass ein Arzneimittel nur dann sicher und hilfreich sein kann, wenn der Patient sich compliant verhält. Auch die Krankenkassen sehen zunehmend das Problem und unterbreiten den Patienten im Internet Beratungs- und Betreuungsangebote, aber ohne die Patienten wirklich zu kennen.
Fehler oft Folge von Wissensdefiziten
Aus der Sicht des Krankenhauses berichtete Prof. Dr. Thilo Bertsche, Leipzig, wie sich Arzneimitteltherapiesicherheit im Versorgungsalltag auf Stationen umsetzen und verstetigen lässt. Studien haben gezeigt, dass vermeidbare unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu 56% durch die Verordnung selbst, zu sechs Prozent durch die Übertragung des Rezeptes, zu vier Prozent durch die Bereitstellung und zu 34% durch die Anwendung des Patienten auftraten. Im Krankenhaus habe es sich bewährt, einen Risikoscore zu erstellen, um häufige und schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelereignisse zu identifizieren. Für diese sollen dann Empfehlungen und Leitlinien erarbeitet werden. "Man kann nicht alle Fehler eliminieren, aber eine Reduktion häufiger und schwerwiegender Fehler steigert die Arzneimitteltherapiesicherheit", sagte Bertsche. Viele Fehler resultierten schlicht aus Wissensdefiziten. Als Beispiele nannte er die Versorgung von Patienten mit parenteral zu verabreichenden Arzneimitteln, die Gabe von Fertigarzneimitteln durch die Sonde oder das Teilen von Tabletten.
Honorierung ist kein Garant für Erfolg
Der Landesbeauftragte für Pharmazeutische Betreuung der Apothekerkammer Nordrhein, Manfred Krüger, legte dar, welche Erwartungen Patienten, Ärzte, Pflegeeinrichtungen und Krankenkassen an das Medikationsmanagement in der öffentlichen Apotheke stellen und wie sich die Apothekerschaft auf diese neuen Anforderungen vorbereiten muss. Erfahrungen aus anderen Ländern sind nicht ermutigend. So haben in der Schweiz, wo die Honorierung von Medikationschecks bereits geregelt ist, lediglich 44 von 280 angeschriebenen Apotheken insgesamt 140 Medikationschecks durchgeführt.
Eine Studie zum Medikamentenmanagement für Patienten mit Diabetes zeigte, dass Patienten mit einem HbA1c > 9,0 davon profitieren. Dabei stimmten die Medikationspläne von Apotheke und Arzt anfangs nur in 19% der Fälle überein, später waren es immerhin 36% der Fälle.
Schließlich stellte Krüger ein "Coaching zum Medikationsmanagement" für Pflegende und Angehörige des durch seine Apotheke versorgten Pflegeheims vor. Für diese Dienstleistung wurde eine spezielle Vergütung vereinbart.
Priscus-Liste – Hilfe zur Wirkstoffauswahl
Einen Baustein zur Steigerung der Arzneimitteltherapiesicherheit älterer Patienten stellen Listen mit für sie potenziell inadäquaten Medikamenten dar. Als solche wurde 2010 in Deutschland die Priscus-Liste vorgestellt. Dr. Stefanie Holt-Noreiks vom Lehrstuhl für Klinische Pharmazie in Witten-Herdecke ging speziell auf Psychopharmaka ein, denn in Pflegeheimen erhalten zwischen 30 und 80% aller Bewohner regelmäßig Psychopharmaka, obwohl sie viele Risiken bergen: Sie lösen vermehrt Stürze, orthostatische Hypotonie, Sedierung und extrapyramidale Bewegungsstörungen aus. Trizyklische Antidepressiva und Neuroleptika haben deutlich anticholinerge Nebenwirkungen, die von Mundtrockenheit, Obstipation, Mydriasis über Harnverhalt, Arrhythmien, Verwirrtheitszustände, kognitive Beeinträchtigungen bis hin zu Halluzinationen, Schwindel und Delir reichen. Bei Demenzpatienten steigern insbesondere Neuroleptika die Mortalitätsrate.
Mehr Mithilfe der Pflegenden
Über Erfahrungen mit dem Aufbau eines Pflegenetzwerks in Nordhessen berichtete Prof. Dr. Henny Annette Grewe vom Fachbereich Pflege & Gesundheit der Hochschule Fulda.
Um die Versorgung der Patienten zu verbessern, haben die Pflegenden ihre Wissensdefizite im Umgang mit Arzneimitteln artikuliert. Darauf wurde für die zwölf am häufigsten eingesetzten Arzneistoffe eine jeweils einseitige Zusammenfassung aller wichtigen Informationen erarbeitet. Weiterhin wurde ein Dokumentationsbogen entwickelt, in dem die Pflegenden Auffälligkeiten und Beobachtungen notieren, um den behandelnden Arzt genauer informieren zu können. Die ersten Erfahrungen mit den Kurzinformationen und Dokumentationsbogen sind positiv.
Demente Heimbewohner inadäquat betreut
Von 1994 bis 2005 stieg in Pflegeheimen der Anteil der Bewohner mit einer Demenzerkrankung von 30 auf 48%, wie Dr. Gabriele Müller-Mundt, Bereich Versorgungsforschung und Pflegewissenschaften der Universität Bielefeld, berichtete. Gemäß der S3-Leitlinie Demenz sollten diese Patienten prioritär eine psychosoziale Therapie und erst in zweiter Linie eine medikamentöse Therapie erhalten. Doch bei über 90% der Bewohner von Pflegeheimen ist eine inadäquate Psychopharmakaverordnung festzustellen.
Pflegende wünschen sich, wie Umfragen zeigen, von der Apotheke eine Überprüfung der Arzneimittelverordnungen sowie Informationen zur Dosierung und Anwendung der Präparate. Insgesamt empfinden sie die Beratung durch die Vertragsapotheken als positiv, aber noch ausbaufähig. Auch Pflegende in ambulanten Pflegedienste wünschen sich eine ähnliche Unterstützung durch Apotheken.
InternetDie Priscus-Liste www.priscus.net Medikationsmanagement von Diabetikern: www.abda.de > Die Apotheke > Qualitätssicherung > Kooperationen |
Dr. Constanze Schäfer MHA
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