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Arzneimittel und Therapie
Pirfenidon verlangsamt Lungenfibrose-Progression
Pirfenidon ist ein Orphan Drug und steht daher unter erweitertem Patentschutz, der ein zehnjähriges exklusives Vermarktungsrecht bis 2021 sichert.
Tödliche Erkrankung
Die idiopathische pulmonale Fibrose (idiopathic pulmonary fibrosis, IPF) ist eine chronische fibrotische und entzündliche Lungenerkrankung. Dabei wird zwischen den Lungenbläschen (Alveolen) und den sie umgebenden Blutgefäßen vermehrt Bindegewebe angelagert, es kommt zu einer Vernarbung des Gewebes. Dadurch versteift sich die Lunge, und es wird mehr Kraft benötigt, um die Lungenflügel ausreichend zu belüften, damit ein Gasaustausch stattfinden kann. Dieser wird zusätzlich durch das vernarbte Gewebe gestört. Als Folge nimmt der Sauerstoffanteil im Blut ab (Hypoxämie).
Charakteristisch für die Fibrosierung der Lungen sind andauernde Müdigkeit, geringe körperliche Belastbarkeit, Husten. Die Atemfrequenz steigt zunächst unter Belastung, später auch in Ruhe (Dyspnö), die körperliche Leistungsfähigkeit wird fortschreitend eingeschränkt.
Ursache unbekannt
Eine Lungenfibrose kann durch Auslöser wie Allergene oder das Einatmen von Schadstoffen wie Asbest oder Quarzstaub entstehen. Bei der idiopathischen Form der Erkrankung (IPF) ist die Ursache unbekannt.
In Europa sind etwa 80.000 bis 135.000 Patienten von dieser Atemwegserkrankung betroffen, in Deutschland sind es 12.000 bis 22.000. Die geschätzte Überlebensrate nach fünf Jahren beträgt 20%, die mediane Überlebenszeit liegt zwischen zwei und fünf Jahren. Somit führt die Lungenfibrose häufig sogar früher zum Tod und verläuft schwerwiegender als viele Krebserkrankungen.
Aktivierung der Fibroblasten
Die Krankheit entsteht unter dem Einfluss proinflammatorischer Zytokine, darunter Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha) und Interleukin-1-beta (IL-1-beta). Verschiedene Botenstoffe wie der transformierende Wachstumsfaktor beta (TGF-beta) aktivieren Fibroblasten. TGF-beta ist ein chemischer Mediator, der zahlreiche Zellfunktionen wie Proliferation und Differenzierung steuert und bei der Entstehung der Fibrose eine Schlüsselrolle spielt.
Hemmung von Entzündungs-Botenstoffen
Pirfenidon ist ein oral einzunehmender, niedermolekularer Wirkstoff, der antifibrotisch und antiinflammatorisch wirkt. Es kann die Krankheitsprogression bei der idiopathischen Lungenfibrose verlangsamen und sowohl Lungenfunktion als auch die körperliche Belastbarkeit länger erhalten.
Pirfenidon hemmt die Synthese mehrerer Zytokine, die an Entzündungs- und fibrotischen Prozessen beteiligt sind. Einer davon ist der transformierende Wachstumsfaktor-beta (TGF-beta). Pirfenidon hemmt außerdem die Synthese von TNF-alpha, das aktiv an Entzündungsprozessen beteiligt ist.
Dadurch reduziert Pirfenidon sowohl die Aktivität von Entzündungszellen als auch die Fibroblastenproliferation. Die Produktion von fibroseassoziierten Proteinen und Zytokinen wird verlangsamt, ebenso die Biosynthese und Ansammlung von extrazellulärer Matrix.
Einnahme mit Nahrung
Die empfohlene Tagesdosis beträgt drei Kapseln zu 267 mg Pirfenidon dreimal täglich, damit liegt die Gesamtdosis bei 2403 mg/Tag. Nach Beginn der Behandlung sollte die Dosis über einen Zeitraum von 14 Tagen auf die empfohlene Tagesdosis von neun Kapseln pro Tag erhöht werden. Der Hersteller empfiehlt folgendes Vorgehen:
- Tag 1 bis 7: eine Kapsel, dreimal täglich (801 mg/Tag)
- Tag 8 bis 14: zwei Kapseln, dreimal täglich (1.602 mg/Tag)
- ab Tag 15: drei Kapseln, dreimal täglich (2.403 mg/Tag)
Für die Phase der Auftitration wird die Verordnung der 2-Wochen-Anfangspackung (63 Kapseln) empfohlen. Diese Packung ist entsprechend des Titrationsschemas mit jeweils einer Kapsel, dreimal täglich für die erste Woche, sowie zwei Kapseln, dreimal täglich für die zweite Woche gepackt. Anschließend sollte die Therapie mit der 1-Wochen-Behandlungspackung (252 Kapseln) fortgeführt werden.
Bei Einnahme zusammen mit Nahrung verlangsamt sich die Resorptionsgeschwindigkeit von Pirfenidon. Dadurch treten weniger Nebenwirkungen, wie Übelkeit und Schwindel, auf. Deshalb wird empfohlen, Pirfenidon zusammen mit Nahrung einzunehmen.
Verlangsamt Krankheitsprogression
Basis der Zulassung sind die Daten von insgesamt vier randomisierten placebokontrollierten Studien mit mehr als 1100 Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose. Dabei zeigte sich, dass die Substanz einen positiven Therapieeffekt auf die Erhaltung der Lungenfunktion und der körperlichen Belastbarkeit hat. Pirfenidon verhinderte im Vergleich zu Placebo akute Exazerbationen signifikant und verzögerte außerdem die Verschlechterung der Lungenfunktion.
So verbesserte der neue Wirkstoff die minimale arterielle Sauerstoffsättigung während eines modifizierten 6-Minuten-Gehtests und verringerte den Abfall der Vitalkapazität nach neun Monaten. Dies spiegelt sich in den Veränderungen des Sollwerts der forcierten Vitalkapazität (FVC) und der Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest wider.
Außerdem wurde in einer Metaanalyse ermittelt, dass Pirfenidon das Risiko des Todes oder der Krankheitsprogression um 30% reduzierte (p = 0,002). Eine gepoolte Überlebensanalyse von zwei Phase-III-Studien zeigte, dass die Mortalitätsrate sank: Unter der Therapie mit Pirfenidon lag sie bei 7,8% im Vergleich zu 9,8% unter Placebo (HR = 0,77; 95-KI 0,47 bis 1,28).
Nebenwirkungen: Übelkeit und Photosensibilität
Die Sicherheit von Pirfenidon wurde in klinischen Studien mit 1345 gesunden Probanden und Patienten untersucht. Die häufigsten Nebenwirkungen (≥ 1/10) waren Übelkeit (32,8% gegenüber 13,3% unter Placebo), Hautauschlag (28,7 vs. 8,6%), Müdigkeit (22,3 vs. 13,3%), Durchfall (21,7 vs. 13,5%), Dyspepsie (16,8 vs. 5,5%) und Photosensibilitätsreaktion (12,2 vs. 1,7%). Die Nebenwirkungen waren meist leicht bis mäßig, traten vorübergehend auf und gingen bei einer Dosisreduktion oder nach einer Therapieunterbrechung zurück.
Während der Behandlung mit Pirfenidon sollte der Aufenthalt im direkten Sonnenlicht und auch im Solarium vermieden oder auf ein Minimum beschränkt werden. Die Patienten sollten ein Sonnenschutzmittel verwenden, vor Sonnenlicht schützende Kleidung tragen und andere photosensibilisierende Arzneimittel meiden. Bei Photosensibilitätsreaktionen oder Hautausschlägen können Dosisanpassungen oder ein vorübergehendes Absetzen der Behandlung erforderlich sein.
Abbau über CYP1A2
Pirfenidon wird zu etwa 48% durch CYP1A2 metabolisiert; andere CYP-Isoenzyme tragen jeweils weniger als 13% zum Abbau bei. Rund 80% einer oral verabreichten Dosis werden innerhalb von 24 Stunden nach der Einnahme im Urin ausgeschieden, zum größten Teil in Form des Metaboliten 5-Carboxy-Pirfenidon (> 95% der wiedergefundenen Menge).
Patienten, die gleichzeitig Fluvoxamin anwenden, einen starken CYP1A2-Inhibitor, dürfen Pirfenidon nicht einnehmen. Der Konsum von Grapefruitsaft führt zur Hemmung von CYP1A2 und sollte während der Behandlung mit Pirfenidon vermieden werden.
Vorsicht ist auch geboten, wenn CYP1A2-Inhibitoren zusammen mit potenten Inhibitoren eines oder mehrerer weiterer CYP-Isoenzyme angewendet werden, die am Stoffwechsel von Pirfenidon beteiligt sind. Dazu gehören CYP2C9 (z. B. Amiodaron, Fluconazol), 2C19 (z. B. Chloramphenicol) und 2D6 (z. B. Fluoxetin, Paroxetin). Die Patienten sollten vor und während der Behandlung mit Pirfenidon nicht rauchen, denn Rauchen kann die Produktion von CYP1A2 induzieren und so den Abbau von Pirfenidon beschleunigen.
Regelmäßige Leberfunktionstests
Vor Beginn und während der Behandlung sollten Leberfunktionstests (ALT, AST und Bilirubin) durchgeführt werden. Bei einem erheblichen Anstieg der Lebertransaminasen sollte die Dosis von Pirfenidon angepasst oder die Behandlung abgesetzt werden. Bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Leberfunktionsstörung ist Vorsicht geboten. Diese Patienten sollten engmaschig auf Anzeichen für toxische Wirkungen überwacht werden, besonders wenn sie gleichzeitig einen CYP1A2-Inhibitor einnehmen.
Bei schwerer Leberfunktionsstörung oder terminaler Leberinsuffizienz ist Pirfenidon kontraindiziert, ebenfalls bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Creatinin-Clearance < 30 ml/min) oder dialysepflichtiger terminaler Niereninsuffizienz.
PirfenidonHandelsname: Esbriet Hersteller: InterMune Deutschland GmbH, Berlin Einführungsdatum: 15. September 2011 Zusammensetzung: 1 Hartkapsel enthält 267 mg Pirfenidon. Sonstige Bestandteile: Kapselinhalt: mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Povidon, Magnesiumstearat; Kapselhülle: Unterteil: Indigocarmin (E 132), Titandioxid (E 171), Gelatine; Kapselhülle: Oberteil: rotes Eisenoxid (E 172), gelbes Eisenoxid (E 172), Titandioxid (E 171), Gelatine, Druckfarbe; braune Druckfarbe S-1-16530 mit den Bestandteilen Schellack, Eisenoxidschwarz (E 172), Eisenoxidrot (E 172), Eisenoxidgelb (E 172). Packungsgrößen, Preise und PZN: 63 Hartkapseln, 901,90 Euro, PZN 881655; 252 Hartkapseln, 3463,28 Euro, PZN 8881661. Stoffklasse: Immunsuppressiva. ATC-Code: L04AX05. Indikation: Zur Behandlung von Erwachsenen mit leichter bis mittelschwerer idiopathischer pulmonaler Fibrose (IPF). Dosierung: Langsame Dosissteigerung auf drei Kapseln dreimal täglich (2403 mg/Tag); Einnahme zusammen mit Nahrung. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile; schwere Leberfunktionsstörung oder terminale Leberinsuffizienz; schwere Nierenfunktionsstörung oder dialysepflichtige terminale Niereninsuffizienz; gleichzeitige Einnahme von Fluvoxamin. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Übelkeit, Hautauschlag, Müdigkeit, Durchfall, Dyspepsie, Photosensibilitätsreaktion. Wechselwirkungen: Vorsicht bei gleichzeitiger Einnahme von CYP1A2-Hemmstoffen oder Hemmstoffen anderer CYP-Isoenzyme; Rauchen induziert CYP1A2, daher sollten die Patienten vor und während der Behandlung mit Pirfenidon nicht rauchen. Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Vor Beginn und während der Behandlung sollten Leberfunktionstests durchgeführt werden; bei einem erheblichen Anstieg der Lebertransaminasen sollte die Dosis von Pirfenidon angepasst oder die Behandlung abgesetzt werden. Während der Behandlung mit Pirfenidon sollte der Aufenthalt im direkten Sonnenlicht und auch im Solarium vermieden oder auf ein Minimum beschränkt werden; die Patienten sollten ein Sonnenschutzmittel verwenden, vor Sonnenlicht schützende Kleidung tragen und andere photosensibilisierende Arzneimittel meiden; bei Photosensibilitätsreaktionen oder Hautausschlägen können Dosisanpassungen oder ein vorübergehendes Absetzen der Behandlung erforderlich sein. Pirfenidon kann zu Schwindelanfällen und Müdigkeit führen und dadurch Tätigkeiten beeinträchtigen, die geistige Wachheit oder Koordinationsfähigkeit erfordern. |
Quelle
hel
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