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Arzneimittel und Therapie
Früherkennung von Belastungen bei Geschwisterkindern
Chronische Krankheiten oder Behinderungen bei Kindern belasten die ganze Familie. Auch die gesunden Geschwisterkinder sind betroffen und entwickeln nicht selten in der Folge psychosoziale und/oder gesundheitliche Probleme. Die Zahl der betroffenen Familien ist laut Priv.-Doz. Dr. Michael Kusch, Bochum, groß: "Mehr als 20% der Kinder und Jugendlichen hierzulande leiden an einer chronischen Erkrankung oder Behinderung", erläuterte er bei einer Pressekonferenz in Frankfurt, veranstaltet von der Initiative FamilienBande der Novartis-Gruppe Deutschland.
Jedes dritte gesunde Geschwisterkind ist auffällig
In jeder fünften Familie wachsen die erkrankten oder behinderten Kinder zusammen mit gesunden Geschwisterkindern auf. Die gesunden Kinder erfahren dabei häufig deutlich weniger Aufmerksamkeit als die kranken Geschwister. Außerdem lastet auf ihnen ständig der Druck, funktionieren zu müssen, weil Bruder oder Schwester per se die Familie stark fordern. Nicht alle Kinder halten dieser Belastung stand, so die Angaben der Initiative FamilienBande, die sich gezielt um die betroffenen Geschwisterkinder kümmert.
Denn längst nicht immer stecken die Familien die mit der Erkrankung eines Kindes verbundenen Beeinträchtigungen problemlos weg: 14% der Familien geben bei Befragung vielmehr an, dass die Versorgung des kranken oder behinderten Kindes mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden ist, und 27% der Familien erklären, aufgrund des Versorgungsaufwandes eine hohe Belastung zu erleben. Die meisten Familien können trotzdem ein weitgehend normales Leben führen, wie Kusch in Frankfurt darlegte. Bei rund einem Drittel der gesunden Geschwisterkinder ist dies jedoch nicht möglich. Es kommt bei ihnen vielmehr zu Einschränkungen in der Freizeit, und es resultieren oft Schulschwierigkeiten, ein nur eingeschränktes Krankheitsverständnis und Probleme der Geschwisterbeziehung.
Fragebogen als Screeninginstrument
Solche Situationen frühzeitig zu erkennen und den betroffenen Kindern gezielt Hilfe anzubieten, ist laut Kusch Ziel des Projektes "Lares Geschwisterkinder", benannt nach Lares, dem römischen Schutzgott der Familie. Dreh- und Angelpunkt ist ein von der Initiative FamilienBande eigens für Fachkräfte aus dem Gesundheits- und Sozialwesen entwickelter Fragebogen. Dieser soll als Screening-Fragebogen Kindern und deren Eltern vorgelegt und von diesen ausgefüllt werden. Anhand der Beantwortung lässt sich dann erkennen, ob die betreffenden Kinder psychisch über Gebühr belastet sind, ob es bereits Probleme in der Schule, im Umgang mit Gleichaltrigen und in der Geschwisterbeziehung gibt, wie ausgeprägt das Krankheitswissen bei den Kindern ist und wie diese die familiäre Situation erleben.
Der Lares-Fragebogen wird seit 2010 im Rahmen einer Studie mit 141 Eltern-Kind-Paaren evaluiert, wobei die Studie laut Kusch insgesamt zeigt, dass die Eltern und die gesunden Geschwisterkinder allgemein einen guten Gesundheitszustand aufweisen und auch eine gute Lebensqualität berichten. Auffälligkeiten zeigten sich lediglich bei rund einem Drittel der gesunden Geschwisterkinder in Form von psychischen Belastungen, die in engem Zusammenhang mit dem Versorgungsaufwand in den Familien stehen. "Lares ist so konzipiert, dass diesen Kindern und ihren Eltern anhand der Befragungsergebnisse unmittelbar und gezielt Beratungsangebote gemacht und auch weitergehende Hilfen vermittelt werden können", so Kusch. "Es muss keine Strafe sein, jemanden an seiner Seite zu haben, der nicht so ist wie man selbst. Geschwisterkindern sollte aber die Möglichkeit gegeben werden, diese Situation als Bereicherung zu erfahren und zu empfinden", plädierte Claudia Kleinert, TV-Wettermoderatorin und selbst "Geschwisterkind" in Frankfurt.
Bedarfsgerechte Unterstützungsangebote
Das Projekt Lares wurde gemeinsam mit Wissenschaftlern und Partnern aus dem Gesundheits-, Sozial- und Familienbereich von der Initiative Familien Bande entwickelt. Die Initiative wurde im Jahr 2010 von der Novartis-Gruppe Deutschland ins Leben gerufen, um Geschwister von chronisch kranken und/oder behinderten Kindern in ihrer besonderen Familiensituation zu unterstützen. Ziel ist es dabei, über die Thematik zu informieren, die Öffentlichkeit für die bestehenden Probleme zu sensibilisieren und das vorhandene Knowhow und die Angebote für die Kinder zu vernetzen und weiterzuentwickeln. Zum Angebot der Initiative gehört unter anderem die Möglichkeit der Vermittlung bedarfsgerechter Angebote per Email (infoline@initiative-familienbande.de) oder auch über eine telefonische Info-Hotline. Weiterführende Informationen gibt es außerdem auf der Webseite der Initiative unter www.initiative-familienbande.de.
Dass die Thematik von Ärzten und Apothekern als relevant erachtet wird, hat eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens GFK in Apotheken und medizinischen Praxen ergeben. Dabei zeigen sich 88% der befragten Apotheker sowie 80% der praktischen Ärzte und 85% der Pädiater bereit, sich gezielt für Geschwisterkinder und ihre Familien zu engagieren.
Christine Vetter, Medizinjournalistin
DAZ 2011, Nr. 50, S. 46
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