Apothekensterben

Aus und vorbei

Abschied von einem Stück Apothekenkultur

Reinhild Berger | Immer mehr Apotheken schließen zurzeit aus wirtschaftlichen Gründen ihre Türen für immer. Manchmal sind es historische Kleinode, die dabei auf der Strecke bleiben. Auch wenn man der Meinung sein kann, das sei der Lauf der Zeit und im Wettbewerb zähle Tradition eben nur bedingt, so geht doch ein Stück Apothekenkultur in Deutschland verloren. Die DAZ-Redaktion hat mit den Besitzern von drei alten, ehrwürdigen Apotheken gesprochen, in denen im Januar 2012 endgültig das Licht ausging.

Die Jan von Werth-Apotheke in Köln

Die Jan von Werth-Apotheke am Alten Markt war Kölns älteste, noch existente Apotheke. Erst im Oktober 2010 wurde sie von Valeska Pritz-Gottschall, Inhaberin der Anno-Apotheke in Köln, käuflich erworben und seitdem als Filiale betrieben. "Es war ein Liebhaberobjekt", sagt die Apothekerin. "Aber ich hatte doch Hoffnung, finanziell klarzukommen." Als echte Kölnerin fühlt sich Pritz-Gottschall den "alten Schätzen", die in der 1584 gegründeten, historisch wertvollen Apotheke zu finden waren, heimatlich verbunden. Ende Januar musste sie die Jan von Werth-Apotheke nun doch schließen. "Bittere Pille nach fast 430 Jahren" kommentiert die Online-Ausgabe der "Kölnischen Rundschau" die Apothekenschließung und berichtet, dass vermutlich "schon im 13. Jahrhundert dort Kräuter und andere Heilmittel verkauft" wurden. Und überhaupt sei die Jan von Werth-Apotheke "eine Kölner Institution".

Valeska Pritz-Gottschall schwärmt im Gespräch mit der DAZ von den schönen Einrichtungsgegenständen, die sie nun zum Teil selbst behalten, zum Teil an pharmaziehistorisch Interessierte verkaufen wird. Doch die Schwärmerei weicht schnell einem Gefühl von Trauer: "Schade", sagt sie, "es war so eine schöne Apotheke."

Leider hatte sich nach dem Kauf und dem zunächst ambitioniert betriebenen Neustart als Filiale herausgestellt, dass die Kundenfrequenz der Jan von Werth-Apotheke zu gering war, um schwarze Zahlen schreiben zu können. "Der Standort war nicht ideal", sagt Pritz-Gottschall. Außerdem befand sich eine U-Bahn-Baustelle direkt vor der Tür und schreckte Kunden ab.

Bis zum Jahr 1995 gehörte die Apotheke dem heute 87-jährigen Franz-Egon Proenen, der hier 40 Jahre lang tätig war. 1955 hatte er die Apotheke von seinem Vater Josef übernommen, der die Rechte an der alten Apotheke 1912 gekauft hatte. Nach 1995 hatte die Apotheke wechselnde Besitzer, bis sie 2010 von Valeska Pritz-Gottschall erworben wurde.

Nicht nur die Einrichtung der Apotheke ist demnach traditionsreich, auch die Führung lag im 20. Jahrhundert 83 Jahre lang in der Hand einer Apothekerfamilie. Welch stolze Geschichte, die nun ein Ende gefunden hat!


Blick auf die Burg-Apotheke in Ovelgönne in den 1960er Jahren.

Die Burg-Apotheke in Ovelgönne

Die älteste Apotheke der Wesermarsch wurde im Jahr 1677 in Ovelgönne gegründet. 1958 übernahm Harald Läer in dritter Generation die Apothekenleitung von seinem Vater Anton Läer, der 1920 Eigentümer wurde, nachdem er die Tochter seines Vorgängers geheiratet hatte. 54 Jahre lang führte Harald Läer die "Burg-Apotheke", wie er die Ovelgönner Apotheke bereits in den 50er Jahren umbenannte, zusammen mit seiner Frau Hildegard, die ebenfalls Apothekerin ist. Das Paar lernte sich während des Studiums in Münster in der Zeit von 1951 bis 1954 kennen. Heute ist Harald Läer 87 Jahre alt und wirkt im Telefongespräch mit der DAZ sehr vital, wenn auch bedrückt. Zum 31. Januar 2012 mussten er und seine Frau die Burg-Apotheke nun endgültig schließen: Aus Altersgründen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen. Für die Bevölkerung in der Nähe der Apotheke klafft nun eine Versorgungslücke. Harald Läer beklagt "das Versagen des Berufsstands, wo die Ellenbogenpolitik regiert". Jahrelang hatte er einen Nachfolger gesucht, aber keinen gefunden. Ein Neffe, der die Apotheke ursprünglich hatte übernehmen wollen, sei tragischerweise gestorben.

54 Jahre lang, bis Ende Januar 2012, leitete Harald Läer die 1677 gegründete Burg-Apotheke in Ovelgönne. Neben ihm seine Frau, Apothekerin Hildegard Läer, und Neffe Dr. Christoph Läer, der als Apotheker in Kanada tätig ist.

Ein weiterer Neffe, Dr. Christoph Läer, früher Sonnen Apotheke in Hildesheim, ist mit seiner Familie nach Ottawa/Kanada ausgewandert, weil, so sagt Dr. Christoph Läer, dort das Konzept Pharmaceutical Care in der öffentlichen und Krankenhausapotheke stärker gelebt und umgesetzt wird. In Kanada hat es der Berufsstand verstanden, über die letzten 20 Jahre als gleichberechtigter Partner gesehen und wertgeschätzt zu werden. Die Apotheker werden von den anderen Berufsgruppen und der Politik besonders auch wegen der "kognitiven Dienstleistungen" geschätzt.

Eine Nichte sei zwar auch Apothekerin, habe aber ihr Leben anders geplant. Nach Läers Aussage finde mit der Schließung der Burg-Apotheke auch eine "alte Apothekerdynastie" in Ovelgönne ihr Ende. Denn von seinen eigenen vier Geschwistern seien außer ihm auch noch zwei andere Apotheker geworden, die inzwischen verstorben seien.

Im Laufe ihrer mehr als dreihundertjährigen Geschichte befand sich die Ovelgönner Apotheke dreimal im Besitz von Apothekerdynastien zu je drei Generationen. Zunächst war es die Familie Kelp, danach die Familien Docius und Fischer, seit dem Ende des 19. Jahrhunderts dann die Familien Meyer und Läer. Ein Lebenswerk von Harald Läer war der Umbau der Burg-Apotheke im Jahr 1978, wobei die alte Giebelfront aus dem 18. Jahrhundert erhalten blieb.


Die Einhorn-Apotheke in Bremen erhielt in den 1920er Jahren eine Einrichtung aus edlem Massiv-Mahagoni-Holz.





















Die Einhorn-Apotheke in Bremen

Auch eine der ältesten Apotheken Bremens ist zum Jahresende 2011 verschwunden: die Einhorn-Apotheke an der Ecke Am Dobben/Humboldtstraße, die 1640 als Apotheke "Zum güldenen Einhorn" in der Langenstraße ihren Anfang nahm. Inhaber Klaus Hofmann, 75 Jahre alt, und seine Frau Ilse Hofmann, gleichfalls Apothekerin, haben die Einhorn-Apotheke 50 Jahre lang geführt. Nun verabschiedeten sie sich in den Ruhestand.

Trotz intensiver Suche haben sie keinen Nachfolger für die Apotheke finden können. Der hohe Mietpreis und die geringe Rendite hätten jeden Interessenten abgeschreckt, sagt Hofmann. Die eigene Tochter sei zwar Apothekerin geworden, aber durch einen familiären Schicksalsschlag habe sie ihre Lebensplanung ändern müssen und konnte die Apotheke ihrer Eltern nicht weiter-führen. 

Klaus Hofmann und seine Frau Ilse Hofmann haben die 1640 gegründete Einhorn-Apotheke in Bremen 50 Jahre lang geführt.

Knapp 26 Jahre lang war er Vizepräsident der Bremer Apothekerkammer, erzählt Hofmann im Gespräch mit der DAZ. Das Abschiednehmen vom Beruf fällt ihm nicht leicht. Die Pharmazie und seine Apotheke sind ihm auch jetzt noch, mit 75 Jahren, eine Herzensangelegenheit, das spürt man, wenn man sich mit ihm unterhält. Liebevoll berichtet Hofmann auch von der schönen und wertvollen Originalausstattung der Einhorn-Apotheke aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Damals wurden in Bremen auch die heutigen Gebäude der bereits seit dem Mittelalter bestehenden Böttcherstraße erbaut, die aufgrund ihrer Architektur zu den Kulturdenkmalen und Touristenattraktionen in Bremen zählt. Bauherr war der Kaffeekaufmann Ludwig Roselius, der sich für seine Bauwerke Handwerker aus dem Schwarzwald holte. Einer der Handwerker mit Namen Birkle, der später in Bremen das Geschäft "Leisten-Birkle" gründete, fertigte die Inneneinrichtung der Einhorn-Apotheke im Art-Deco-Stil. Verwendet wurde edles Massiv-Mahagoni-Holz. Während seiner Zeit als Apothekeninhaber pflegte Klaus Hofmann die wertvolle Einrichtung und ließ sie auch teilweise restaurieren. Jetzt, als die Apotheke geschlossen wurde, konnte Hofmann die kostbaren Apothekenmöbel an einen Liebhaber verkaufen, der sie nun in einem Museum aufbauen und zeigen möchte.

Blick auf ein Detail: Das Einhorn als Namensgeber der Apotheke.

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