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- DAZ 17/2012
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Seite 3
Abgekoppelt
An diesem Donnerstag treffen sich die Wirtschaftsfunktionäre der deutschen Apotheker zum 49. Wirtschaftsforum in Potsdam. Die dort präsentierten Zahlen dürften die düstersten in der Geschichte dieser Veranstaltungsreihe sein. Man kann es nicht schönreden: Noch nie war die Lage wohl so desolat wie in diesem Jahr. Mehrere einschneidende Spar- und Reformgesetze in Folge, zuletzt das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz AMNOG, eine gravierende Umstellung unseres Honorarsystems in 2004 und nicht zuletzt mediale Feldzüge gegen die Apotheke haben die wirtschaftliche Lage der Apotheken auf ein bisher nie da gewesenes Ertragsniveau gebracht. Freilich, es gibt sie noch, die gut gehenden großen Apotheken, die Zuwächse haben, die einen 1a-Standort haben, erfolgreiche Marketingkonzepte aufgelegt haben und sich über sinkende Einkommen nicht beschweren können. Aber die andere Seite ist nicht zu übersehen: Es gibt immer mehr kleinere Apotheken, die an den Rand der Existenzfähigkeit geraten. Das rechnerisch verfügbare Einkommen einer typischen Apotheke ist auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. Wöchentlich schließen im Durchschnitt acht Apotheken, nur vier werden neu eröffnet: per Saldo sank die Apothekenzahl im letzten Jahr damit um wöchentlich vier Apotheken. Nach meiner Kenntnis gab es eine solche Apothekenentwicklung in den letzten 30 Jahren noch nie.
Der Kernpunkt des Apothekendesasters: Die Apotheken sind im neunten Jahr in Folge von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt. Zwar war die Umstellung des Apothekenhonorars von einem prozentualen Packungsaufschlag auf ein Fixhonorar richtig. Die Frage stellt sich nur: Warum wurde dieses Honorar nicht schon längst – wie es auch im Gesetz steht – an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung angepasst? Während Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser fast im Jahresrhythmus mit Honorarsteigerungen beglückt wurden, während mittlerweile auch die Krankenkassen mit einem satten Finanzpolster ausgestattet sind, stehen die Apotheken auf dem wirtschaftlichen Abstellgleis.
Was ist da schiefgelaufen in den letzten Jahren? Haben die Apotheken die Politiker und die Öffentlichkeit nicht durch ihre Leistungen überzeugt? Hat die Einkaufsstraße mit acht Apotheken das Bild in der Öffentlichkeit verzerrt? Haben unsere berufspolitischen Führungen in den letzten zehn, zwanzig Jahren versäumt, den Apothekerberuf, die Arbeit und die Leistungen des Apothekers als unverzichtbar und wertvoll darzustellen? Waren unsere Berufspolitiker zu sanft, zu nachgiebig gegenüber der Politik, wie manche Kolleginnen und Kollegen meinen, hatten sie schlicht gesagt zu wenig Biss, um den Apothekerforderungen in der politischen Diskussion Nachdruck zu verleihen? Oder konnten sie einfach nicht mehr erreichen, weil die politische Großwetterlage gegen ein weiteres Apothekenwachstum eingestellt ist nach dem Motto: wir haben in Deutschland 5000 Apotheken zu viel?
Auf diese Fragen wird man keine abschließenden Antworten bekommen. Fakt sind dagegen die Zahlen, die auf dem Wirtschaftsforum präsentiert werden (siehe auch den Beitrag "Teilhabe statt Abkopplung"). Neun Jahre 8,10 Euro Apothekerhonorar, seit Jahren unveränderte Honorare und Gebühren für Rezeptur, Notdienst und BtM, Unsicherheit beim Kassenabschlag, Zunahme an Großpackungen, zurückgehende OTC-Absätze, stark reduzierte Großhandelsrabatte – um nur die wichtigsten Wachstumskiller bei Apotheken zu nennen. Wo ist der Ausweg?
Und das kommt obendrauf: "Wer in die Apotheke geht, wird häufig gar nicht oder schlecht beraten", so eine Sendung des NDR am vergangenen Montag, in der erneut mehr als die Hälfte von 15 getesteten Apotheken unzureichend beraten haben. In der Tat, wenn Formigran ohne jede Beratung über den HV geschoben wird, wenn gleich mehrere Schmerzmittel ohne jede Nachfrage abgegeben werden, haben die Apotheken schlechte Karten. Man fragt sich wirklich, warum solche Ergebnisse relativ häufig zustande kommen. Dabei hat sich in den letzten Jahren schon enorm viel getan: Es gab noch nie so viele gut besuchte Fortbildungsveranstaltungen, zahlreiche Apotheken lassen sich durch Mystery Shopper und Pseudocustomer testen, Mitarbeiter trainieren ihr Beratungswissen und dennoch die mangelhafte Beratung. Der Bremer Pharmazeut Professor Glaeske dazu: "Ich bin fassungslos – dabei lernen die Apotheker dieses Wissen."
Waren es vielleicht wieder die Ausnahmeapotheken, die der NDR hier zufällig ausgewählt hatte? Denn die Passanten auf der Straße waren einhellig der Meinung, dass sie sich in ihrer Apotheke gut beraten fühlen. Hoffen wir, dass es bald nur noch gute beratende Apotheken gibt.
Peter Ditzel
DAZ 2012, Nr. 17, S. 3
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