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Schweizer Apotheken laden zum Arztbesuch

Telemedizinisches Pilotprojekt gestartet

BERLIN (ks). In der Schweiz wird ein neues Modell zur integrierten Versorgung getestet: Die rund 200 Apotheken, die sich hieran beteiligen, können ihren Kunden künftig anbieten, per Videokonferenz einen Arzt zu konsultieren. Dieser kann nach einer Diagnose gegebenenfalls ein Rezept ausstellen, das gleich in der Apotheke eingelöst werden kann. Initiatoren sind der Schweizerische Apothekerverband pharmaSuisse, das Schweizer Zentrum für Telemedizin Medigate und der Krankenversicherer Helsana.
Per Videokonferenz können Arzt, Apotheker und Patient im Rahmen eines Pilotprojekts kommunizieren.
Foto: Pharmasuisse

Unter dem Namen netCare werden ab April 2012 rund 200 Apotheken die neuen telemedizinischen Leistungen anbieten. Die gezielte Einbindung der Apotheken in die medizinische Grundversorgung soll deren Potenzial besser ausschöpfen – im Hinblick auf ihr pharmazeutisches Know-how, aber auch was ihre Infrastruktur und Verfügbarkeit betrifft. Denn auch in der Schweiz geht man davon aus, dass sich die Zahl der Hausärzte dezimieren wird. Zudem wird beklagt, dass Notfallzentren häufig mit Bagatellfällen belastet seien – eine kostspielige Angelegenheit für die Versicherer. Diese hoffen daher, mit neuen Versorgungsformen die veränderten Bedürfnisse besser bedienen zu können und Kosten zu sparen. Grundlage des Projektes, heißt es in der gemeinsamen Pressemeldung der drei Partner, "bildet die Tatsache, dass der Apotheker als qualifizierte und anerkannte Medizinalperson medizinische Leistungen erbringen kann". Jetzt will man herausfinden, wie die Bevölkerung die neue Dienstleistung aufnimmt. Dazu wird das auf zwei Jahre angelegte Projekt durch eine Studie begleitet.

Algorithmen zur Problembehandlung

Patienten, die in eine netCare-Apotheke kommen, haben die Möglichkeit, gesundheitliche Fragen im Rahmen einer Erstkonsultation in der Apotheke beurteilen zu lassen. Die Beurteilung des gesundheitlichen Problems erfolgt mittels eines Fragenkatalogs – Algorithmus genannt – , eine Methode, wie man sie aus der Telemedizin kennt. Im Moment gibt es 20 verschiedene Algorithmen, etwa für Husten, Blasenentzündung, Bindehautentzündung oder Halsweh. Kommt der Apotheker nach seinen Fragen zu dem Schluss, dass ein Arzt hinzuzuziehen ist, wird dieser per Videokonferenz zugeschaltet. Nach einer Beratung – ob der Apotheker dabei bleibt, entscheidet der Patient – schreibt der Arzt möglicherweise ein Rezept aus. Die Verordnung kann er umgehend an den Apotheker faxen, der das Medikament ausgibt und den Patienten entsprechend aufklärt. Am Ende einer Beratung kann allerdings auch die Empfehlung für ein nicht rezeptpflichtiges Medikament oder eine Über weisung an einen Arzt oder ein Krankenhaus stehen. Nach drei Tagen wird ein Kontrollanruf beim Patienten gemacht. Bei Helsana-versicherten Kunden erhält der Apotheker für seine Leistung von der Kasse 15 Schweizer Franken, der Arzt 48 Schweizer Franken. Mit anderen Krankenkassen, die ebenfalls mit Medigate zusammenarbeiten, laufen die Verhandlungen noch.

Gewinn für alle Beteiligten

Dominique Jordan, Präsident des Schweizer Apothekerverbandes pharmaSuisse, sieht in netCare eine Win-Win-Lösung: Die Apothekerschaft übernimmt mehr Verantwortung und kann ihre Ressourcen besser auslasten. Die Ärzteschaft wird von Bagatellfällen entlastet. Die Patienten haben die Möglichkeit, an mindestens sechs Tagen die Woche gesundheitliche Fragen mit einer Fachperson zu besprechen.

Ob das Pilotprojekt einen Hinweis darauf geben kann, ob es in Randregionen mit wenig Hausärzten hilfreich sein kann, ist zweifelhaft. Die meisten Apotheken, die sich an der Testphase beteiligen, liegen in dichter besiedelten Gegenden der Deutschschweiz.

Pius Gyger, Leiter Gesundheitspolitik Helsana, macht keinen Hehl aus den Interessen, die die Versicherer mit dem Projekt verbinden. Sie setzen nicht zuletzt auf Kostendämpfung.



DAZ 2012, Nr. 2, S. 37

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