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- DAZ 26/2012
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Zeta-Akademie
Bedenklicher Austausch
Eindringlich appellierte Gerlach an die Seminarteilnehmer, das Gespräch mit den verordnenden Ärzten zu suchen. "Bei den Ärzten sind die Kenntnisse über die Rabattverträge gering", sagte Gerlach. Sie wissen oft nicht einmal, welche Aufgaben der Apotheke bei der Erfüllung der Rabattverträge zufallen. Über die pharmazeutische Kompetenz sind viele auch nicht richtig informiert. Gerlach ermutigte die Apotheker, heilberuflich eigene Entscheidungen zu treffen und mit den Ärzten darüber zu sprechen – zum Nutzen des Patienten. Grundsätzlich sei der Einsatz preisgünstiger Generika nicht das Problem. Therapeutisch bedenklich, ja sogar schädlich sei nur das "Hopping", also der ständige und vor allem unkritische Wechsel bei der Anwendung von Generika.
Fallstrick Packungsgröße
Gerlach zeigte einige Fallstricke auf, über die man im Apothekenalltag stolpern kann. Vielen Ärzten ist nicht bekannt, dass die N1-Packung verschiedener Antibiotika laut Packungsgrößenverordnung von 2011 zwischen 5 und 14 Dosierungseinheiten enthalten kann. Wird nun aufgrund von Rabattverträgen in der Apotheke ausgetauscht, erhält der Patient möglicherweise eine nicht ausreichende Dosis zur Therapie seiner Infektion. Der Streitfall zwischen Arzt und Apotheke ist programmiert: Der Arzt hat "richtig" verordnet, die Apotheke hat "richtig" ausgetauscht, doch der Patient bleibt auf der Strecke. Lösung des Problems: Der informierte Arzt verordnet die Anzahl der notwendigen Tabletten mit Wichtigkeitsvermerk.
Knackpunkt Darreichungsform
Aus pharmazeutischer Sicht liegen wesentliche Knackpunkte auch beim Austausch von Darreichungsformen. Die Apothekensoftware unterscheidet nicht, welche Galenik sich zum Beispiel hinter der Angabe "Retardtablette" versteckt. Je nach Wirkstoff können sich jedoch die therapeutischen Effekte unterscheiden. Relativ unproblematisch wäre die Einnahme unterschiedlicher Retardformen bei der Verordnung von Omeprazol. Pharmazeutisch bedenklich wäre dagegen eine galenisch bedingte, veränderte Freisetzungskinetik beim Wirkstoff Nifedipin – hier ist ein "Hopping" zu vermeiden.
Klippe Galenik
Beim Austausch von Betäubungsmitteln sollte man in der Apotheke ganz genau hinschauen, seinen pharmazeutischen Sachverstand einsetzen und vor allem mit den verordnenden Ärzten kommunizieren. Fentanyl-Pflaster sind – aufgrund ihrer Herstellungstechnologie – nur innerhalb bestimmter Präparategruppen austauschbar. Denn nicht nur die Wirkstoffbeladung der Pflaster muss übereinstimmen, sondern auch die Freisetzung des Wirkstoffs in einer gewissen Zeiteinheit. Diese Informationen sind nicht von vornherein in der Apothekensoftware vorhanden. Man kann sie jedoch auf Anforderung von seinem Softwarehaus einstellen lassen.
Ebenso erfordert die unterschiedliche Retardgalenik von Opioiden einen klaren pharmazeutischen Blick. Auch hier sind die Detailinformationen nicht automatisch am Abgabeplatz, sprich in der Software, verfügbar. Doch es gibt genügend Fachliteratur, die große Unterschiede in den pharmakokinetischen Kenndaten retardierter Opioide belegt. Für die Praxis bedeutet das: Retardierte Opioide sind nur dann austauschbar, wenn sie in ihrer Halbwertsdauer übereinstimmen. Die Relevanz für die Therapie ist dramatisch: Der Patient ist möglicherweise nicht wie gewünscht versorgt und erleidet Durchbruchschmerzen.
Ein pharmazeutisch-geschulter Blick ist auch stets hilfreich, sofern Arzneimittel mit besonderen Applikationshilfen abgegeben werden. Schon ein scheinbar einfaches Tropfsystem kann Tücken in sich bergen. So kann beim Austausch von Diazepam-Tropfzubereitungen der Dosierfehler bei 40 Prozent liegen. Der Grund liegt darin, dass die jeweiligen Tropfflaschen unterschiedlich große Tropfen produzieren.
Alle Beispiele belegen: Der Sachverstand der Apotheke ist bei der Erfüllung der Rabattverträge unbedingt gefragt. Gerlach wies die Seminarteilnehmer eindringlich darauf hin: "Nehmen Sie pharmazeutische Fachzeitschriften zur Hand, durchsuchen Sie sie nach Informationen, die die Rabattarzneimittel betreffen! Notieren Sie die Literaturangaben auf dem Rezept, wenn Sie pharmazeutische Bedenken geltend machen."
Die Sicht des Juristen
Im zweiten Teil des Seminars, das auf die Zusammenarbeit zwischen Apothekern und Ärzte abzielte, referierte Rechtsanwalt Tom Karl Soller aus Erfurt. Aus juristischer Sicht völlig unbedenklich sind gemeinsame Arbeitskreise zwischen Ärzten und Apothekern, Veranstaltungen und Vorträge zur Patienteninformation. Die berufliche Kooperation ist einerseits geregelt im Sozialgesetzbuch V, andererseits aber auch in den Berufsordnungen der Ärzte und Apotheker. Nicht zulässig sind Formen der Zusammenarbeit, die wirtschaftliche Vorteile bringen, wie unerlaubte Zuweisungen von Patienten. Auch ist Ärzten in keiner Form eine finanzielle Beteiligung an Apotheken erlaubt. Soller zitierte einige Gerichtsurteile und gab als Ausblick mit, dass mittel- und langfristig keine Liberalisierung zu erwarten sei, was die Beschränkungen des wirtschaftlichen Zusammenwirkens von Arzt und Apothekern betrifft. Auf einer gänzlich anderen Ebene befinden sich jedoch die Modellversuche, die der Gesetzgeber vorsieht, um die Versorgung der Patienten zu verbessern. Hier geht es um Kommunikation und heilberuflich-fachlichen Austausch im Interesse einer optimierten Therapie – ganz im Sinne der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens.
rb
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DAZ 2012, Nr. 26, S. 82
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