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Praxis aktuell
Apothekenbetriebsordnung sorgt für Diskussion
Erfolgreiche Seminarreihe des Deutschen Apotheker Verlags beendet
Mit den Seminarteilnehmern diskutierten sie, wie betriebsspezifische Probleme vor dem Hintergrund der neuen Vorschriften verordnungskonform gelöst werden können und welche juristischen Fallstricke dabei zu beachten sind. Dabei zeigte sich, dass die Apotheker um eine zeitnahe Umsetzung der neuen Vorschriften außerordentlich bemüht sind.
Mehr Kompetenz heißt mehr Verantwortung
Von besonders großem Interesse waren die neuen Vorschriften zur offizinellen Arzneimittelherstellung und der daraus resultierenden, mit großem bürokratischen Aufwand einhergehenden, Dokumentation. Dank entsprechender Arbeitshilfen ließe sich der Aufwand zwar auf ein Minimalmaß reduzieren, so Dr. Ziegler in seinem Referat, es bleibe jedoch fraglos ein Mehraufwand, der durch den Arbeitspreis für die Rezepturanfertigung in keiner Weise gedeckt sei. Nicht zuletzt deshalb sei eine Beantwortung der Honorarfrage seitens der Politik überfällig. Im Bereich der Rezepturdokumentation seien die Vorschriften relativ klar, so Ziegler: "Mit dem Protokoll der Plausibilitätsprüfung, der Herstellungsanweisung und dem Herstellungsprotokoll müssen künftig für jede Rezeptur drei Dokumente vorliegen, die für die Qualität des angefertigten Arzneimittels bürgen sollen. Die Vorgaben der einzelnen Dokumentationsvorschriften sind dabei relativ detailliert und enthalten in allen drei Fällen einen Katalog von Minimalkriterien, die von den jeweiligen Dokumenten erfüllt werden müssen." Folglich gab es seitens der Zuhörer auch weniger Fragen zur Anfertigung der geforderten Dokumente als vielmehr zu den sich daraus ergebenden juristischen Konsequenzen. Diese brachten die beiden Experten mit wenigen Worten auf den Punkt: "Die neue Apothekenbetriebsordnung stärkt Ihre pharmazeutische Kompetenz, damit tragen Sie künftig aber auch mehr Verantwortung!"
Abgabeverbot für nicht-plausible Zubereitungen
Aus dieser Stärkung der pharmazeutischen Verantwortung resultiert auch ein Abgabeverbot von Zubereitungen, die im Rahmen der Plausibilitätsprüfung negativ bewertet wurden. Der Apotheker kann sich nicht darauf zurückziehen, dass der Arzt die Herstellung der Rezeptur wünscht. Vielmehr ist der Apotheker in der Pflicht, seinen pharmazeutischen Bedenken Rechnung zu tragen und – ggf. gemeinsam mit dem Arzt – nach alternativen Lösungen zu suchen. Dass dies gerade in der Anfangsphase zu intensiven Diskussionen mit den Verordnern führen wird, dessen waren sich alle Teilnehmer bewusst, dennoch zeigten sie eine große Bereitschaft, sich ihrer pharmazeutischen Verantwortung zu stellen und den Dialog mit den Ärzten zu suchen. Dies galt umso mehr, nachdem Rechtsanwalt Dr. Saalfrank die haftungsrechtlichen Risiken erläutert hatte, die den Apothekern aus einer allzu unbedachten Anfertigung einer nicht plausiblen Rezeptur erwachsen können.
Plausibilitätsprüfung muss nachvollziehbar sein
Vor diesem Hintergrund äußerte sich Dr. Saalfrank auch kritisch zu einigen Formularen, die seit wenigen Tagen kursieren: "Es genügt nicht, einfach nur anzukreuzen, dass Sie eine Rezeptur für plausibel halten, Sie müssen schon auch darlegen, wie Sie zu diesem Schluss kommen!" Wie eine Plausibilitätsprüfung ablaufen kann und welche pharmazeutischen Aspekte dabei geklärt werden müssen, um zu einem zuverlässigen und jederzeit nachvollziehbaren Ergebnis zu kommen, erläuterte im Anschluss Dr. Ziegler. Der Experte für Fragen zur Plausibilitätsprüfung berichtete von einer Vielzahl konkreter Anfragen, die in den letzten Tagen und Wochen bei ihm eingegangen seien und eindrucksvoll belegt hätten, dass eine systematisierte Plausibilitätsprüfung offenbar überfällig sei, angesichts der Fülle von fragwürdigen, inkompatiblen oder schlichtweg wirkungslosen Rezepturen, die in der Vergangenheit verordnet und offenbar auch angefertigt worden seien.
Analytik bei der Defektur bleibt vorerst unklar
Große Unsicherheit besteht vor allem hinsichtlich der Durchführung der analytischen Prüfung von Defekturen. Klar wurde bislang nur eines: die vom BMG in seinem Schreiben vom Januar 2012 angenommenen fünf Prozent der Apotheken, die von den neuen Vorgaben zur Defekturherstellung betroffen seien, sind deutlich zu niedrig angesetzt. Die tatsächliche Zahl dürfte wohl eher bei einem Vielfachen liegen, wie die nicht repräsentative Umfrage unter den Seminarteilnehmern ergab. Für viele von ihnen steht und fällt der Fortbestand der Defektur mit der Frage, wie viel analytischer Aufwand künftig für deren Freigabe zu betreiben ist. Auch der im Vorfeld der Seminarreihe seitens der Referenten unternommene Versuch, sich mit den für die Überwachung zuständigen Pharmazieräten und Behörden ins Benehmen zu setzen, brachte in diesem Punkt wenig Klarheit. Zu diffus ist nach wie vor das Meinungsbild dazu, ob und in welchem Ausmaß künftig Defekturanalytik zu betreiben ist. Etwas mehr Gewissheit erhofft man sich von der Pharmazieräte-Tagung im Oktober. Diese Tagung könnte die entscheidenden Impulse geben, um den Verordnungstext mit Leben zu füllen und die künftigen Standards zu definieren.
Bote muss kein Pharmazeut sein
Ein weiterer großer Themenblock, der den Seminarteilnehmern unter den Nägeln brannte, war die Information und Beratung, schließlich ist die Steigerung der Beratungsqualität eines der zentralen Anliegen der neuen Apothekenbetriebsordnung. Dabei brachten die Referenten vielen Teilnehmern erstmals ins Bewusstsein, dass es Neuerungen nicht nur bei der Frage gibt, wie beraten werden muss, sondern auch dazu, wer beraten darf: Beratung ist Sache der Apotheker; der Apothekenleiter muss jetzt schriftlich die Befugnis für jeden einzelnen nicht approbierten Mitarbeiter des pharmazeutischen Personals zur Beratung aussprechen. Bei der Frage, wie die pharmazeutische Beratung im Rahmen des Botendienstes erbracht werden kann, widersprachen die beiden Experten der Rechtsauffassung des ABDA-Geschäftsführers Recht Lutz Tisch, der davon ausgeht, dass Arzneimittel im Rahmen des Botendienstes ausschließlich durch pharmazeutisches Personal ausgeliefert werden dürfen, falls vorher in der Apotheke keine Beratung durch pharmazeutisches Personal stattgefunden hat. Für den Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Saalfrank ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum Versandapotheken die pharmazeutische Beratung fernmündlich erteilen können, Vor-Ort-Apotheken diese hingegen im Rahmen des Botendienstes persönlich vornehmen müssen. Tischs Argumentation, der Patient erwarte bei der Vor-Ort-Apotheke im Gegensatz zum Versand eben das direkte Vier-Augen-Gespräch, sei insofern nicht ganz schlüssig, als der Patient ja die freie Wahl habe, das Arzneimittel in der Apotheke abzuholen und dort das direkte Gespräch von Angesicht zu Angesicht zu suchen oder sich im Rahmen des Botendienstes beliefern zu lassen und dafür ggf. fernmündlich beraten zu lassen. Ferner sei bei der Interpretation des ABDA-Juristen zu beachten, dass pharmazeutisches Personal ja nur unter Aufsicht eines Apothekers pharmazeutisch tätig werden dürfe. Dies hätte zur Konsequenz, dass der Apotheker alle Arzneimittel im Rahmen des Botendienstes selbst ausliefern müsste, da er die Beratung durch eine PTA an der Haustür des Patienten von der Apotheke aus schlecht beaufsichtigen könne. Angesichts der damit verbundenen massiven wirtschaftlichen Auswirkungen und der erheblichen Diskrepanz zu den Anforderungen bei einer Zustellung im Versandweg könne dies so vom Verordnungsgeber nicht gemeint gewesen sein, so Dr. Saalfrank.
Keine Tablettenteilung beim Verblistern
Ein weiteres wichtiges Thema war die Teilung von Tabletten für das Stellen und Verblistern. Hier wiesen die beiden Referenten darauf hin, dass laut Verordnung die Teilung von Tabletten zwar nicht grundsätzlich verboten sei, die Voraussetzungen dafür seien allerdings so streng, dass dies de facto einem Verbot gleichkäme, denn spätestens bei der nachzuweisenden Validierung der Stabilität der Qualität der geteilten Arzneiform über den Haltbarkeitszeitraum des Blisters dürften Apotheken an ihre Grenzen stoßen. Diese strenge Vorgabe sei laut Dr. Saalfrank auch insofern schlüssig, als spezialisierten Blisterbetrieben, die als Dienstleister am Markt auftreten, die Teilung von Arzneimitteln grundsätzlich verboten sei.
Freude an der Diskussion
Neben den genannten Themen wurden natürlich noch zahlreiche weitere erörtert. Die Darstellungen reichten von den apothekenüblichen Dienstleistungen über die Vorgaben zur Barrierefreiheit bis hin zur höchst komplexen Thematik der Verantwortungsabgrenzung beim Outsourcing bestimmter pharmazeutischer Tätigkeiten. Je nach Zusammensetzung des Auditoriums richteten die Referenten den Fokus auf die besonders nachgefragten Aspekte der Apothekenbetriebsordnung und ihr benachbarter Rechtsgebiete wie etwa das Heilmittelwerbe-, das Betäubungsmittel-, das Wettbewerbs- oder das Sozialrecht. Die Referenten hatten sichtlich Freude an den lebhaften Diskussionen mit den Teilnehmern und zeigten großes Interesse an den konkreten Praxisbeispielen, die seitens der Zuhörer zuhauf in die Runde eingebracht wurden.
Überzeugendes Konzept
Die Zuhörer, die für ihre Teilnahme teilweise mehrere Stunden Anfahrt in Kauf genommen hatten, gaben sich sehr zufrieden. Besonders gelobt wurde das Konzept, die Apothekenbetriebsordnung in einem Koreferat sowohl unter juristischen als auch unter pharmazeutischen Gesichtspunkten zu beleuchten. Im Gespräch mit den beiden Referenten konnten so für alle Seminarteilnehmer nachvollziehbare Lösungen entwickelt werden, die das juristisch Nötige und das pharmazeutisch Mögliche in einem ausgewogenen Verhältnis miteinander verbanden. Besonders geschätzt wurde seitens der Teilnehmer, dass ihnen nicht nur die einzelnen Paragrafen der neuen Apothekenbetriebsordnung vorgetragen wurden, sondern dass sie mit den spezifischen Problemen ihres jeweiligen Apothekenbetriebs Gehör fanden und fachlich versierten Rat erhielten. Das einladende Ambiente der Deutschen Apotheker- und Ärztebank sowie die fürsorgliche Betreuung durch deren Mitarbeiter und Kundenberater vor Ort rundeten die gelungene Veranstaltungsreihe ab.
DAZ-Redaktion
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