Praxis aktuell

Wie die Apothekenbetriebsordnung umzusetzen ist

Etliche Auslegungsfragen zur neuen ApBetrO noch offen

Die neue Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ist beschlossen und verkündet, aber bei der praktischen Umsetzung sind noch viele Fragen offen. Sogar die zuständigen Überwachungsbeamten diskutieren noch, wie sie mit einigen Neuerungen im Überwachungsalltag umgehen sollen. Beispiele und Anregungen für die bundesweite Diskussion vermitteln die Fragen, die derzeit aus der Perspektive der Apothekenaufsicht in Niedersachsen noch zu klären sind.

In Niedersachsen ist die Apothekenaufsicht seit einigen Jahren nicht mehr in einem Landesministerium, sondern als eigenständige Abteilung in der Apothekerkammer angesiedelt. Leiter dieser Abteilung ist Dr. Reinhard Diedrich, der den bisherigen Umgang mit den neuen Regeln gegenüber der DAZ erläuterte. Gemeinsam mit den Pharmazieräten des Landes sei inzwischen eine vorläufige "Sprachregelung" zur neuen ApBetrO entwickelt worden. Diese solle in Diskussionen mit Apothekern vor Ort noch verfeinert und dann mit dem Ministerium abgestimmt werden. Klärungsbedarf sieht er insbesondere noch beim Botendienst, beim Stellen von Arzneimitteln für Heimpatienten und bei der Plausibilitätsprüfung für Rezepturen.

Rezeptsammelstellen und Botendienst

Die neue Vorschrift zur Beratung im Zusammenhang mit dem Botendienst wurde berufspolitisch bisher vorwiegend vor dem Hintergrund der Abgrenzung zwischen Präsens- und Versandapotheken diskutiert, doch fänden Apotheker mit Rezeptsammelstellen ihre Situation nun nicht ausreichend berücksichtigt. Bei diesen Apotheken hat der Einzelfall der Botenzustellung einen regelmäßigen Charakter, weil sie sich aus der Funktion einer Rezeptsammelstelle ergibt. Wenn für eine solche Apotheke in einer ländlichen Region am Abend mehrere Boten in einem großen Einzugsgebiet tätig sind, könne dies nicht plötzlich durch PTA erledigt werden. Denn es stünden nicht plötzlich mehrere PTA für zwei Stunden täglich zur Verfügung. Apotheker mit Rezeptsammelstellen würden daher argumentieren, dass keine Auslieferung durch pharmazeutisches Personal verlangt werden kann, wenn Rezeptsammelstellen zur Versorgung in dünn besiedelten Regionen weiterhin gewünscht sind. So gesteht auch Diedrich zu, dass eine Forderung nach pharmazeutischem Personal als Boten in solchen Fällen mit sehr ausgeprägtem Botendienst praktisch nicht umzusetzen wäre.

Vertrauliche Beratung Wenn die Beratungsplätze am HV-Tisch eng nebeneinander liegen, ist kein vertrauliches Gespräch möglich. Hilft hier ein kleiner Beratungsplatz?. Foto: DAZ/Sket

Zu beachten ist hierbei, dass die neue Apothekenbetriebsordnung "die Beratung durch das pharmazeutische Personal der Apotheke in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auslieferung" (§ 17 (2) ApBetrO) fordert. Eine "Auslieferung durch pharmazeutisches Personal" wird nicht ausdrücklich erwähnt, doch nach Einschätzung von ABDA-Justiziar Lutz Tisch reicht eine telefonische Beratung bei der Auslieferung nicht aus. Dies hatte er bei einer Veranstaltung der Zeta-Akademie erläutert (siehe DAZ Nr. 26, S. 79).

Eine ähnliche Frage sieht Diedrich beim Versandhandel. Bei der Bestellung müssen Kunden dort künftig ihre Telefonnummer angeben. Angesichts der Verpflichtung zur aktiven Beratung müssten die Versender dann auch in jedem Fall anrufen und beraten. Doch auch dazu gebe es unterschiedliche Auffassungen.

Stellen für Heimpatienten

Weitere praktische Probleme zeichnen sich in der Heimversorgung ab. Denn gemäß § 4 (4) ApBetrO darf das Apothekenpersonal künftig Arzneimittel nicht mehr in den Heimen, sondern nur noch in den Apothekenräumen stellen. Über diese Neuerung hätten die versorgenden Apotheker die Heime zumeist nicht vorab unterrichtet und auch von den Heimorganisationen habe es keine Informationen gegeben. Die Konfusion in den Heimen sei daher groß. Die Neuerung sei auch schwer vermittelbar, weil das Apothekenpersonal nun in gleicher Weise, aber an einem anderen Ort tätig werde. Doch schwerer als solche Irritationen dürften die praktischen Folgen für den Versorgungsalltag wiegen. Denn nun werde die Versorgung mit "stellfähigen" festen Arzneiformen und nicht "stellfähigen" Tropfen, Säften usw. auseinandergerissen. Erstere müssen in der Apotheke aufbewahrt werden, während Letztere beim Patienten im Heim bleiben. Bei Verordnungsänderungen müssen die Informationen hin- und hergeschickt werden. Durch die künstliche Trennung entstehen neue Schnittstellen in den Abläufen und damit neue Fehlerquellen. Besondere Probleme befürchtet Diedrich beim Umgang mit Reservemengen, die für Not- und andere Sonderfälle beim Patienten verbleiben, aber regelmäßig durch Reste einer neuen Packung ersetzt werden sollten.

Bei der Mitgliederversammlung des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ) am 30. Juni in Hamburg ging auch Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, auf diese neue Regelung ein. Sie sei letztlich ein großer Erfolg für die externen Verblisterer. Denn viele kleinere Apotheken hätten Heime bisher nur an sich binden können, weil sie das Stellen im Heim angeboten hätten.

Plausible Rezeptur? Was geschieht, wenn eine Plausibilitätsprüfung der Rezeptur negativ endet? Foto: ABDA

Plausibilitätsprüfung für Rezepturen

Klärungsbedarf sieht Diedrich auch bei der Plausibilitätsprüfung für Rezepturen. Die niedersächsischen Pharmazieräte hätten insbesondere nach den rechtlichen Voraussetzungen und Folgen gefragt. Es seien Forderungen nach einer verbindlichen Auflistung relevanter Plausibilitätsprobleme geäußert worden, weil verschiedene Autoren oder die Hersteller von Rezepturgrundlagen zum Teil unterschiedliche Erfahrungen publizieren. Noch mehr werde über die Folgen einer Plausibilitätsprüfung diskutiert: Was soll geschehen, wenn eine solche Prüfung negativ endet? Besteht ein Verweigerungsrecht des Apothekers oder gar eine Verweigerungspflicht entsprechend dem Verbot bedenklicher Arzneimittel? Oder sind Arzneimittel mit eingeschränkter Stabilität oder etwas verminderter Qualität dann doch nicht ganz so problematisch, dass die Herstellung kategorisch abzulehnen wäre?

Vertraulichkeit in der Beratung

Weitere offene Fragen sieht Diedrich im Bereich des regelmäßigen mikrobiologischen Monitorings für die Parenteraliaherstellung. Doch dies betrifft wohl nur noch wenige Apotheken. Für alle ist dagegen die Vertraulichkeit in der Beratung relevant. Darauf angesprochen, mahnte Diedrich, nicht nur an die wartenden Patienten, sondern auch an das Mithören zwischen den HV-Plätzen zu denken. Es könne in bestehenden Apotheken nicht erwartet werden, dass plötzlich Wände zwischen den HV-Plätzen gezogen werden. Doch gerade bei Apotheken mit dicht nebeneinander angeordneten Bedienplätzen müsse mittelfristig etwas gesehen – was genau geschehen müsse, kann aber auch Diedrich bisher nicht allgemeingültig beschreiben. Daher werden die Diskussionen über die Auslegung der ApBetrO sicher noch andauern.


Dr. Thomas Müller-Bohn

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