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DAZ aktuell
Medikamentenhilfe für Bedürftige
Umsetzung sozialen Engagements oft nicht einfach
Das erste Projekt dieser Art entwickelten Apotheker in Kooperation mit der gemeinnützigen Hilfsorganisation "Tafel" in Stuttgart: Wer die "Bonuscard" der Stadt hat und in den Läden der Schwäbischen Tafel Stuttgart einkaufen darf, kann sich vom Arzt ein Grünes Rezept ausstellen lassen und erhält das Arzneimittel in teilnehmenden Apotheken um ein Viertel günstiger. Gesponsert wird das Stuttgarter Projekt vom Pharmagroßhandel Gehe, der für den restlichen Betrag aufkommt.
Es folgte das Projekt im nordrhein-westfälischen Dülmen. Ärzten steht dort eine "Indikations-/Medikamentenliste für Kunden der Tafel Dülmen" mit rund 50 Präparaten zur Verfügung, darunter Schleimlöser, Fieber- und Schmerzmittel, Präparate gegen Kopfläuse oder Heuschnupfen. Menschen mit kleiner Rente, Bezieher von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe müssen sich das vom Arzt erhaltene Grüne Rezept von der Dülmener Tafel abstempeln lassen und können das verschriebene Arzneimittel dann in einer beteiligten Apotheke um 50 Prozent günstiger bekommen. Die andere Hälfte übernimmt die Schirmherrin der Dülmener Tafel, Gabrielle Herzogin von Croy.
Bayerische Projekte ohne Sponsoren
In Bayern ist an der "Medikamentenhilfe München" die Stadt selbst, eine ökumenische Krisen- und Lebensberatungsstelle, die Kassenärztliche Vereinigung Bayern und die Landesapothekerkammer beteiligt. Voraussetzung ist auch dort die Vorlage eines Grünen Rezepts und ein "München-Pass". Der Unterschied zu den Projekten in Stuttgart oder Dülmen ist jedoch, dass es keine Sponsoren gibt, die für den Nachlass aufkommen – die teilnehmenden Apotheker zahlen den entsprechenden Betrag (in der Regel 20 Prozent) aus eigener Tasche. So auch Apotheker Thomas Müller: Im bayerischen Burgkunstadt gibt er Bedürftigen in seiner Apotheke 20 Prozent Nachlass auf den Normalpreis von OTC-Arzneimitteln. "Hilfe vor Ort für die Menschen, die es nötig haben", erklärt er gegenüber der DAZ sein Engagement. Die Alternative wäre schließlich, dass Bedürftige im Internet bestellen oder ganz auf die Einnahme verzichten. Er weiß, dass andernorts Nachlässe von 50 Prozent gewährt werden, dennoch entschied er sich bewusst gegen Sponsoren. Sein Pilotprojekt sieht er als Anregung für andere Kollegen, sich persönlich zu engagieren.
Immer mehr Medikamentenhilfe-Angebote
An zahlreichen Orten überall in Deutschland gibt es inzwischen entsprechende Hilfsangebote. Auch im thüringischen Eisenach. Das Grundprinzip des dortigen Modellprojekts ist das der Dülmener Tafel: Es gibt eine Liste mit den auf einem Grünem Rezept zu verordnenden Medikamenten, für das Bedürftige in teilnehmenden Apotheken einen Nachlass von 50 Prozent erhalten. Jeweils am Quartalsende können die Apotheken den Restbetrag über einen Fonds abrechnen. Unterstützt wird die "Medikamentenhilfe Eisenach" vom Rotary Club Eisenach, der Stadtverwaltung und der Caritas.
Apothekerkammer Thüringen hat Bedenken
Als immer mehr Apotheker in Thüringen anfragten, ob eine Teilnahme bedenkenlos möglich sei, beschäftigte sich auch die Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT) mit dem Projekt. Nach einer Überprüfung äußerte sie jedoch Bedenken. Hauptsächlich wegen des Einsatzes einer OTC-Liste und der Weitergabe der Patientendaten. Die Medikamentenliste beschränke die Therapiefreiheit der Ärzte, so die Erklärung eines Kammersprechers gegenüber der DAZ. Und die Übermittlung der Rezepte an die Tafel – zu Abrechnungszwecken – verstoße gegen den Datenschutz. "Massive Bedenken" habe auch der Landesdatenschutzbeauftragte angemeldet. Weil außerdem nicht alle Apotheken und Ärzte am Projekt beteiligt seien, sei darüber hinaus die freie Arzt- und Apothekenwahl gefährdet.
Weniger Probleme sieht die Kammer bei Projekten, die ohne Sponsoren und ohne Medikamentenliste arbeiten. Aber letztlich seien derlei Projekte der falsche Ansatz, denn die Kostenübernahme notwendiger Arzneimitteltherapien sei Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherungen. Sie dürfe "nicht in privat organisierte Sozialprojekte abgeschoben werden". Denn wenn Patienten sich Arzneimittel der Selbstmedikation, die für die Behandlung ihrer Erkrankungen essenziell seien, nicht mehr leisten könnten, müsse die Herausnahme eines Großteils dieser Arzneimittel aus dem GKV-Leistungskatalog grundsätzlich hinterfragt werden.
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