Marketing

"Das rote A muss im Vordergrund bleiben"

DAZ-Interview mit Prof. Kaapke zur Apotheke als Marke

Wie mächtig ist nun eigentlich das rote Apotheken-A als Marke? Sollte die Apotheke das A noch stärker herausstellen? Oder sollte man lieber dazu beitragen, das Logo einer Kooperation zur Marke aufzubauen? Und wie verhält es sich mit dem Apotheken-A und dem Logo einer Kooperation überhaupt: Tragen beide dazu bei, dass der Kunde die Apotheke stärker wahrnimmt? Ergänzend zu seinem Beitrag "Die Macht der Marke" sprachen wir darüber mit Professor Kaapke.
Prof. Dr. Andreas Kaapke
Foto: privat

DAZ: Herr Kaapke, Apotheke und Marke – ein vielschichtiges Kapitel. Ist denn nun die Apotheke mit dem roten Apotheken-A eine Marke?

Kaapke: Das rote Apotheken-A ist eine Marke, die für den Berufsstand als solchen steht. Diese Marke ist auch zu 100% bekannt und steht für bestimmte Werte, die man in den entsprechenden Ladenlokalen erwarten darf. Es ist auch klar, dass man dort Rezepte einlösen kann usw. Die Apotheke selbst wird erst dann zur Marke, wenn sie zum einen diesem Versprechen, das das rote Apotheken-A über Jahrzehnte aufgebaut hat, gerecht wird, und zum anderen, wenn weitere spezifische Attribute dazukommen. Das rote A alleine ist stark, muss aber individuell aufgeladen werden. Ich nehme ein anderes Beispiel, um zu verdeutlichen, was ich meine. Sie sehen das bekannte gelb-rote Lotto-Schild und wissen nun, dass Sie dort Lotto spielen können. Das Schild sagt aber nichts über die Kompetenz, Freundlichkeit, Servicebereitschaft, über weitere Dienstleistungen usw. aus.


DAZ: Kann es auch eine Adler-Apotheke oder eine Rathaus-Apotheke schaffen, zu einer Marke zu werden?

Kaapke: Selbstverständlich, und ich gehe noch einen Schritt weiter: Durch diese Maßnahme wird das rote Apotheken-A zu einer wiedererkennbaren und eigenständigen lokalen Marke. Ein Kunde, ein Patient hat oftmals die Möglichkeit, zwischen mehreren Apotheken auswählen zu können, genau wie zwischen Metzgern, Bäckern, Buchläden und und und … Warum gehe ich zu Metzger A und nicht zu Metzger B? Warum erinnere ich mich beim Bedarf für Brot und Backwaren eher an Bäcker A als an Bäcker B? Warum gerät es zur Selbstverständlichkeit, wenn ich ein Buch benötige, dass ich zuallererst die Buchhandlung xy aufsuche? Und identisch ist es bei Apotheken. Dies führt ja dazu, dass Mütter ihre Kinder gezielt zu einer bestimmten Apotheke schicken, eben weil sie dort gute Erfahrungen gemacht haben. Würde die Adler-Apotheke keine Marke sein können, könnte sich auch keiner an den spezifischen Standort erinnern, sondern würde lediglich sagen: Meinst du die Apotheke an der Ecke Mühlhäuser/Brandenburger Straße oder die am Ring? Das Veredelnde, was die Adler-Apotheke zu einer eigenständigen Marke macht, sind die kleinen, aber feinen Unterschiede. Die Empathiefähigkeit der Mitarbeiter, der tolle Rat bei der letzten Erkältung, der zurückhaltende Hinweis bei …, die Zugabe, die es so bei anderen nicht gibt, und vieles andere mehr. Aus dem Zusammenspiel denkbarer Unterschiede ergibt sich ein Markenbild, das die Adler-Apotheke von der Geier-Apotheke unterscheidet.


DAZ: Wie sehen Sie Apothekenkooperationen? Haben sie eine Chance, eine Marke im Sinne der Markendefinition zu werden? Werden bzw. sind Linda, vivesco oder DocMorris Marken?

Kaapke: Man kann ja den verschiedenen Untersuchungen entnehmen, dass sich manche Kooperationen schon durchaus etabliert haben. Aber Vorsicht: Während die Adler-Apotheke in ihrem Einzugsgebiet eine Marke sein muss und darüber hinaus eben nicht, muss es eine Kooperation erreichen, dass sie in dem gesamten Einzugsgebiet ihrer Mitglieder, also meistens überregional, bekannt wird. Dies stellt eine immense Anforderung an das Marketing dar und bedingt hinreichend hohe Budgets. Linda hat dies nicht zuletzt dadurch erreicht bzw. zu erreichen versucht, indem ein Andocken an Payback stattgefunden hat. Da Payback-Karten eine hohe Diffusionsquote haben, hat sich dadurch auch der Bekanntheitsgrad von Linda erhöht. DocMorris war ein Pionier-Beispiel aus dem Internet-Hype heraus; denn es haben weniger die stationären Apotheken die Markenbekanntheit begründet, sondern sie selbst haben von der Internetpräsenz der Marke profitiert; das Internet hat ihre Bekanntheit befeuert. Und jetzt, da die einstigen Protagonisten nicht mehr an Bord sind, schwindet auch die Bedeutung der Marke DocMorris, da sie nicht mehr so stark forciert wird wie noch zu Beginn und die Wachstumsraten hinter den selbst gesteckten Zielen zurückbleiben.

Kooperationsmarken können stark sein, insbesondere in einem überschaubareren Einzugsgebiet. Wenn die Marke nach außen hin kommuniziert und penetriert wird, muss auch für den Kunden ein Nutzen erkennbar sein. Was bedeutet Linda für mich? Der Kunde denkt an den eigenen Nutzen; ein Label, ein Slogan alleine reicht dann nicht aus, wenn damit kein besonderer Nutzen dokumentiert wird. Von daher gibt es in allen Branchen Kämpfe zwischen Verbund und einzelnem Mitglied, wie stark welche Marke in den Fokus gerückt wird. Bei der Kooperation Intersport oder bei Electronic Partner kann man gut sehen, wie stark mittlerweile der Verbund im Vordergrund steht, bei anderen Verbünden ist die Marke des Inhabers stärker und das Label des Verbunds nur dezent als add-on installiert. Hier müssen Verbundzentrale und Mitglieder zu einer stimmigen Lösung kommen, um auch klarzumachen, was soll und kann im Vordergrund stehen und mit welchen Vorteilen ist dies verbunden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre ich mit einer zu hohen Dominanz von Verbundmarken im Apothekenmarkt vorsichtig. Kann man auf der einen Seite Fremd- und Mehrbesitzverbot proklamieren und auf der anderen Seite Marketing-Mechanismen ausspielen wollen, die genau das dem Kunden suggerieren, obgleich es gesellschaftsrechtlich nicht so ist? Glaubwürdigkeit ist wichtig, und hier gibt es eine objektive und eine subjektive. Natürlich sind auch bei Verbundmarken die Mitglieder immer noch wirtschaftlich und rechtlich selbstständig, aber weiß dies und versteht dies der normale Kunde, und was wird ihm damit suggeriert?


DAZ: Ist es eher kontraproduktiv für die Marke des Apotheken-A oder verwirrend für den Kunden, wenn man das Schild der Kooperationen quasi vor das Apotheken-A stellt?

Kaapke: Wie oben erwähnt, es kommt darauf an, ob die Geschichte, die die Kooperation erzählen kann, die bessere Markengeschichte ist. Wenn ja, dann gerne, aber dann muss die Individual-Marke etwas in den Hintergrund gestellt werden, wenn nein, dann bitte die Marke der Kooperation entweder ganz weglassen, wenn nicht wirklich ein erkennbarer dauerhafter Nutzen für den Kunden einhergeht, oder dezent im Hintergrund lassen. Die Botschaft muss lauten: Es dürfen nicht zu viele Marken vor der Tür stehen, denn ansonsten wird keine mehr wahr- oder ernst genommen.


DAZ: Was würden Sie den Apotheken für die Zukunft empfehlen: eine noch stärkere Betonung des roten Apotheken-A? Oder sollten sie eher das Schwergewicht auf den Ausbau einer eigenen Marke oder der Marke einer Kooperation legen?

Kaapke: Das rote A muss im Vordergrund bleiben, denn das macht eine eindeutige, erlernte und insgesamt für gut befundene Aussage zum Berufsstand und dokumentiert die Berechtigung, unter dieser Flagge zu segeln. Deshalb sind Abweichungen in der Typografie oder in der Farbe entweder falsch oder ein klares Signal. Falsch, wenn man Apotheke im bestverstandenen Sinne sein möchte, klares Signal, wenn man sich von den Spielregeln der Branche an diversen Stellen signifikant unterscheiden möchte. Dann aber bitte mit allen Konsequenzen. Was die Schwerpunktsetzung anbetrifft, sind beide Varianten denkbar wie oben ausgeführt. Hier kommt es darauf an, wer die bessere Story bietet: Kooperation oder einzelne Apotheke. Aber bitte hier ehrlich zu sich sein. Manche starke Apotheke geht unter das Markendach einer Kooperation und nimmt sich zurück, obgleich das Potenzial für einen eigenständigen Markenauftritt da wäre, gut so, weil gewollt. Manche schwache Individualapotheke will unter das generelle Dach einer Kooperation, aber wehrt sich mit Händen und Füßen, dies nach außen durch den Dachmarkenauftritt zu dokumentieren. Diesen Apotheken würde ich den strategischen Weitblick absprechen wollen, und der Kooperation hätte ich empfohlen, auf die Aufnahme zu verzichten, denn diese Art von Mitstreitern macht den Verbund nicht reicher, sondern ärmer, im wahrsten Sinne des Wortes.


DAZ: Herr Kaapke, vielen Dank für das Gespräch.



DAZ 2012, Nr. 3, S. 61

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