Arzneimittel und Therapie

Impfung gegen Parkinson

Hoffen auf α-Synuclein-Antikörper

Immer wieder lassen neue, theoretisch sehr plausible Therapieansätze Parkinson-Patienten und ihre Angehörigen hoffen. Und immer wieder werden solche Hoffnungen enttäuscht, wie das Beispiel Stammzelltherapie lehrt. Jetzt lässt der Start einer Phase-I-Studie mit einen α-Synuclein-Antikörper aufhorchen.

Im Kampf gegen Parkinson gab es in den letzten Jahren immer wieder große Hoffnungen auf neue Therapiemöglichkeiten. Bei den Betroffenen ist der Zelluntergang von dopaminergen Zellen in der Substantia nigra das ursächliche Problem. Dort bilden sich die typischen Lewy-Körperchen aus, die wiederum vorwiegend aus α-Synuclein und Ubiquitin, aber auch anderen Proteinablagerungen bestehen. Mit dem Zelluntergang nimmt die Dopamin-Produktion ab. Ab einem Verlust von ca. 60% der dopaminergen Zellen in der Substantia nigra kommt es dann zu den bekannten und für Parkinson typischen progredienten Symptomen, wie Tremor, Standunsicherheit, Rigor und Bradykinese. Um den Zelluntergang zu verhindern, sucht man z. B. nach neuen neuroprotektiven Wirkstoffen. Ein anderer Ansatz besteht darin, den Verlust von Dopamin erzeugenden Zellen durch Ansiedlung von Stammzellen wieder auszugleichen. Die hohen Erwartungen in die Stammzelltherapie bei Parkinson haben sich aber bislang trotz Entwicklung verschiedenster Applikationsformen noch nicht erfüllt. Obwohl zahlreiche Forschungsprojekte laufen, basiert die Therapie daher weiterhin hauptsächlich auf einer Dopamin-Substitutionsbehandlung mit L-Dopa und Dopaminagonisten.

α-Synuclein im Fokus

Als neues Target wurde in den letzten Jahren auch zunehmend das schon länger bekannte Protein α-Synuclein selbst betrachtet. Mutationen im für α-Synuclein codierenden SNCA-Gen werden mit denjenigen Parkinsonformen direkt in Verbindung gebracht, die in jüngeren Lebensjahren ausbrechen. Die Anhäufung von sterisch veränderten (misfolded) und agglutiniertem α-Synuclein in den Lewy-Körperchen wäre nach dieser These die Ursache für den Zelluntergang. Nun wurde vom österreichischen Unternehmen AFFiRiS AG eine Phase-1-Studie begonnen, in der durch eine spezifische Immuntherapie das Immunsystem des Patienten dazu angeregt werden soll, Antikörper gegen α-Synuclein zu bilden. Es sei gelungen, diesen "Impfstoff" so spezifisch zu entwickeln, dass keine Antikörper gegen andere Synuclein-Proteine produziert werden würden. Das ist besonders wichtig, denn dem homologen β-Synuclein werden z. B. neuroprotektive Eigenschaften zugeschrieben. Sollte die Therapie gelingen und würden sich die Symptome der Studienteilnehmer verbessern, wäre vermutlich erstmals ein fast ursächlicher Therapieansatz gelungen. Obwohl α-Synuclein-Knock-out-Mäuse keinerlei Beeinträchtigung zeigen, ist man nun auch gespannt auf die Ergebnisse der Sicherheitsprüfung, denn ähnlich wie bei den Biologicals/Antikörpern würden etwaige physiologische Funktionen – hier des α-Synucleins – dann ja auch unterbunden werden. Die Studie wird an ca. 32 Patienten durchgeführt, die sich alle in einem frühen Parkinson-Stadium (Hoehn & Yahr Stage 1 bis 2) befinden. Neben der immunologischen Antwort wird mittels UPDRS-Score auch eine symptombezogene Veränderung gemessen.


Quelle

Dolgin E: First therapy targeting Parkinson‘s proteins enters clinical trials Nature Medicine 2012; 18: 992 – 993.


Apotheker Olaf Rose, PharmD


Gregor K. Wenning

DAZ-Interview

„Der dritte Durchbruch in der Parkinson-Therapie!“


Ob bei Alzheimer oder Parkinson, immer wieder schüren Diskussionen um potenzielle Impfstoffe die Hoffnung auf Heilung oder eine wirksame Prävention. Wir haben mit Prof. Dr. Gregor K. Wenning, Klinische Neurobiologie der Medizinischen Universität Innsbruck über die Erfolgsaussichten einer Therapie mit dem neuen α-Synuclein-Antikörper gesprochen. Ein Schwerpunkt seiner Forschungen sind Synucleinopathien, zu denen neben dem Morbus Parkinson auch die Multisystematrophie gehört.




DAZ: Herr Professor Wenning, im Juni ist eine Phase-I-Studie mit einer kleinen Gruppe von Parkinson-Patienten begonnen worden, die einen völlig neuen Wirkansatz untersucht: eine Impfung mit Antikörpern gegen α-Synuclein. Welche physiologische Aufgabe hat α-Synuclein?

Wenning: α-Synuclein (AS) fördert die vesikuläre Neurotransmission und spielt vor allem in dopaminergen Synapsen eine Rolle. Eine Elimination von α-Synuclein z. B. in Knock-out-Mausmodellen führt zu Veränderungen der dopaminergen Informationsübertragung, sie bewirkt aber keine degenerativen Prozesse. α-Synuclein liegt im Nativzustand ungefaltet und löslich vor, geht aber durch extrazelluläre Stressfaktoren in eine β-Faltung über, die ihrerseits toxische Oligomere induzieren kann.


DAZ: Wie genau ist α-Synuclein an der Pathologie des Morbus Parkinson beteiligt?

Wenning: Toxische α-Synuclein-Oligomere lagern sich zu Protofibrillen zusammen, die ihrerseits unlösliche Aggregate (Lewy-Körper) bilden. Vermutlich ist die Bildung der Lewy-Körper protektiv, toxisch dagegen sind die Oligomere. Man geht heute nach der Braakschen Hypothese davon aus, dass α-Synuclein im unteren Hirnstamm und im Bulbus olfactorius initial abgelagert wird (= „seeding“) und sich dann wie eine Prionenerkrankung schrittweise im gesamten Hirn ausbreitet (= "Propagation"). Der neuronale Zelltod entsteht dabei durch oxidativen Stress sowie Apoptose.


DAZ: α-Synuclein wird ja auch mit der Pathogenese der Alzheimer-Krankheit in Zusammenhang gebracht.

Wenning: α-Synuclein spielt bei Alzheimer eine untergeordnete Rolle. Bei Parkinson korreliert die Klinik recht gut mit Ausmaß und Verteilung der α-Synuclein-Aggregate, so dass eine biologische Therapie durchaus Sinn macht, aber nur dann, wenn früh interveniert wird. Sobald die Neurone abgebaut sind, wird eine Immunisierungstherapie gegen α-Synuclein sinnlos.


DAZ: Wie sieht denn der jetzt in Phase I befindliche Impfstoff PD01A genau aus? Wie sicher ist er?

Wenning: Über Details zu PD01A bin ich nicht informiert. Mir ist lediglich bekannt, dass er sich gegen bestimmte Anteile von humanem α-Synuclein richten soll und dass durch die AFFITOP-Technologie die Enzephalitis-Zwischenfälle aus den frühen Alzheimer-Impfprogrammen verhindert werden sollen.


DAZ: Was verbirgt sich hinter der AFFITOP-Technologie?

Wenning: Die Firma Affiris greift bei ihrer Impfstoffentwicklung nicht auf Originalpeptide, sondern auf kurze synthetische Peptide zurück, die die für die Antikörperbildung wichtige Struktur des Originals nachahmen. Diese mit der speziellen Affitom®-Technologie entwickelten Mimotope werden als Affitope bezeichnet und sollen kein enzephalitogenes Potenzial haben.


DAZ: α-Synuclein scheint ein vielversprechendes Target bei Parkinson zu sein. Werden weitere Strategien zur Verhinderung seiner Bildung verfolgt, zum Beispiel mithilfe von Antisense-RNA?

Wenning: Passive α-Synuclein-Immunisierungsprogramme sind ebenfalls in Entwicklung, die Antisense-RNA-Technologie ist für die sporadische Parkinson-Krankheit nicht geeignet. Sie steckt noch in den Startlöchern und ist vor allem für genetische Parkinson-Syndrome mit Synuclein-Mutationen einschließlich -Duplikationen bzw. -Triplikationen interessant.


DAZ: Welchen Stellenwert könnte die Unterdrückung der toxischen α-Synuclein-Oligomer-Bildung in der Parkinson-Therapie in Zukunft einnehmen?

Wenning: Die biologische AS-Therapie könnte nach L-Dopa und tiefer Hirnstimulation der dritte Durchbruch in der Parkinson-Therapie werden. Sollten die Immuntherapien funktionieren, könnte man sich weitreichende Impfprogramme zur frühen Intervention bei de novo Patienten bzw. sogar zur Parkinson-Prävention vorstellen.


DAZ: Herr Professor Wenning, vielen Dank für das Gespräch!


Univ.-Prof. Dr .med. Gregor K. Wenning MSC, Leiter, Abteilung für Neurobiologie, Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität, Anichstraße 35,
A-6020 Innsbruck


Interview: Olaf Rose, PharmD



DAZ 2012, Nr. 31, S. 36

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