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Die Großhandelslage bleibt angespannt

DAZ-Interview mit Dr. Herbert Lang, Vorstandsvorsitzender der Sanacorp

PLANEGG (diz). Das AMNOG zwang auch den pharmazeutischen Großhandel zu Einsparungsmaßnahmen. Zum Teil wirkten sich diese Einsparungen auch auf die Apotheken aus: weniger Rabatte, Kürzungen bei der Anzahl der täglichen Belieferungen, um nur zwei der deutlichsten Maßnahmen zu nennen. Wir fragten beim genossenschaftlichen Pharmagroßhandel Sanacorp nach, wie sich die Lage in diesem Jahr darstellt, und sprachen mit Dr. Herbert Lang, Vorstandsvorsitzender der Sanacorp. Das Interview führte DAZ-Herausgeber Peter Ditzel.

Herbert Lang: Der Wettbewerb bleibt intensiv. Foto: Sanacorp

DAZ: Die wirtschaftliche Lage war im vergangenen Jahr nicht rosig. Ohne die Zugehörigkeit zur Sanastera bzw. CERP Rouen hätte die Bilanz weniger erfreulich ausgesehen. Worauf ist die derzeitige Lage aus Ihrer Sicht zurückzuführen?

Lang: Der Gesetzgeber macht uns bis heute schwer zu schaffen. Der Pharmagroßhandel musste 2011 einen Zwangsabschlag von 200 Mio. Euro leisten – ein Betrag, geboren aus politischer Willkür. Das führte dazu, dass wir massiv auf die Kostenbremse treten mussten und dennoch kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielen konnten. Dank unserer Risikostreuung auf europäischer Ebene sind wir im Verbund mit der Sanastera mit einem blauen Auge davongekommen. Allerdings darf man nicht vergessen: Die Situation ist auch 2012 angespannt. Unsere neue Arzneimittelpreisverordnung mit einem Fix-Aufschlag von 70 Cent und dem variablen Zuschlag von 3,15% führt de facto zu einer dauerhaften Reduktion der Großhandelsvergütung um 200 Mio. Euro gegenüber 2010.


DAZ: Und das bedeutet langfristig?

Lang: Wir haben unsere Konditionen an die neue Situation des Jahres 2012 angepasst. Da gibt es zum Glück keinen Handlungsbedarf. Wir können also nur hoffen, dass wir vom Gesetzgeber nun endlich einmal eine Verschnaufpause und ein Minimum an Planungssicherheit bekommen. Unabhängig davon gilt für die Sanacorp, die Kosten sehr genau im Blick zu behalten, Effizienzsteigerungen zu nutzen und wo immer möglich die Einkaufskonditionen zu optimieren. Der Wettbewerb bleibt intensiv.


DAZ: Stichwort Wettbewerb, wie sieht er denn derzeit aus? Mit welchen Instrumenten läuft der Wettbewerb ab?

Lang: Für uns ist wichtig, dass wir als genossenschaftlich organisiertes Apothekerunternehmen die emotionale Heimat der Apotheken sind und bleiben. Unabhängig davon gibt es natürlich mehrere zentrale Wettbewerbsparameter für uns. An erster Stelle steht eine Top-Qualität in der betrieblichen Leistung. Das betrifft unsere Sortimente, die Lieferfähigkeit, die Lieferhäufigkeit usw. Hier investieren wir ständig und zählen mit Sicherheit zu den Topanbietern in Deutschland. Dann sind natürlich die Konditionen ein Thema. Wir haben uns viel Mühe damit gegeben, ein transparentes und faires Modell zu finden, das der individuellen Situation jeder einzelnen Apotheke Rechnung trägt. Bis alle unsere Apotheken die Vorteile dieses Systems optimal nutzen, wird es allerdings noch dauern. Das sind Lernprozesse, die sich einspielen müssen. Drittens zählen für uns auch unsere Kooperationsprogramme wie "meine apotheke" oder emk zu den wichtigen Wettbewerbsinstrumenten. Denn über diese Kooperationen können wir für unsere Apotheken zusätzliche attraktive Einkaufsvorteile generieren. Ich denke, auf diesem Gebiet sind wir sehr gut aufgestellt. Und dann haben wir noch die Service- und Dienstleistungen als Wettbewerbsinstrument. Auch hier kann sich das Angebot der Sanacorp sicherlich sehen lassen.


DAZ: Kann auch die Apotheke noch etwas dazu beitragen, ihre betriebliche Situation zu optimieren?

Lang: Dieses Thema wird ohne Frage immer wichtiger. Als Apothekerunternehmen wollen wir unseren Kunden möglichst viel Handlungsspielraum geben. Deshalb bietet unser Konditionenmodell den Apotheken die Möglichkeit, über die Bestellpraxis ihre Konditionen mitzugestalten. Außerdem legen wir viel Wert darauf, unsere Apothekenkunden fit für den Wettbewerb zu machen. Mit unserem modulartig aufgebauten Beratungsprogramm leanstore, das wir den Kunden anbieten, können wir die Prozesse in der Apotheke analysieren und nachhaltig verbessern. Da gibt es in der Regel erhebliches Potenzial auf allen Gebieten, vom Wareneingang bis hin zur Personalplanung und Betriebsführung. Der Handlungsbedarf bei den Apotheken nimmt derzeit zu, da die wirtschaftliche Situation für viele Apotheken bedrohlich ist. Wir stellen in diesem Jahr eine Rekordnachfrage nach diesen Beratungsmodulen fest.


DAZ: Welchen Einfluss hat das Direktgeschäft? Nimmt es zu?

Lang: Eindeutig ja. Ende letzten Jahres gab es bereits enorme Vorzieheffekte im Rx-Bereich. Diese Welle war zwischenzeitlich abgeflaut, steigt nun aber offensichtlich wieder an. Auch im Freiwahl- und OTC-Sortiment versuchen Apotheken, ihre Einkaufskonditionen durch Direktbestellungen zu verbessern. Das bekommen wir als Großhändler deutlich zu spüren. Beim Direktgeschäft lassen sich viele Apotheken leider immer noch von vordergründig besseren Einkaufskonditionen blenden. Sie vergessen dabei aber die Lagerkosten, die Kapitalbindung, die Prozesskosten. Im Rx-Bereich bietet die Sanacorp der Apotheke ein Konditionenmodell an, mit dem sie aktiv ihren Einkaufsvorteil steuern kann. Letztlich können 0,2% Bonus besser sein als 6% im Direktgeschäft. Das lässt sich relativ leicht ausrechnen. Unser Rat: Die Apotheken sollten ihre Bezüge bündeln statt ins Direktgeschäft zu gehen. Das zahlt sich aus.


DAZ: Wie viele Apotheken beliefern Sie derzeit und wie viele Ihrer Apotheken haben sich für eine Mitgliedschaft in der "meine apotheke"-Kooperation entschieden?

Lang: Wir bieten unseren Kunden unterschiedliche Kooperationsprogramme an, z. B. die Markenkooperation "meine apotheke" oder emk. Insgesamt nehmen mehr als 3000 Apotheken an diesen Kooperationen teil. Das sind mehr als 40 Prozent der insgesamt 7500 Apotheken, die wir regelmäßig beliefern.


DAZ: Was können die Apotheken tun, um ihre Konditionen zu verbessern?

Lang: Eine der großen Herausforderungen für uns als genossenschaftlich organisiertes Großhandelsunternehmen ist es, entstehende Kosten einerseits solidarisch, aber dennoch möglichst verursachergerecht umzulegen. Dabei spielt die Tourenplanung eine große Rolle, denn die Tourenzahlen und -zeiten sind ein enormer Kostenblock für uns. Rationalisierungsbemühungen der Apotheken machen sich hier durchaus bemerkbar. Möglicherweise bedingt dies ein etwas größeres Warenlager, mit dem die Apotheken aber wiederum durch eine bessere Lieferfähigkeit bei ihren Kunden punkten können.

Einen weiteren wichtigen Punkt haben wir bereits angesprochen: Apotheken sollten darauf achten, ihre Einkäufe zu bündeln. Das macht bei den derzeitigen Konditionenmodellen sicher mehr Sinn, als Lockvogelangeboten nachzujagen.


DAZ: Wie sieht es denn mit zusätzlichen Gebühren bei der Sanacorp aus?

Lang: Dazu möchte ich festhalten, dass die Sanacorp keine neuen Gebühren eingeführt hat. Gebühren und Serviceentgelte sind Steuerungsinstrumente, um bestimmte Verhaltensweisen von Kunden zu beeinflussen. Sie müssen verursachergerecht und nachvollziehbar sein. Darum bemühen wir uns. Wie schon gesagt: Der Apotheker soll die Möglichkeit haben, frei zu entscheiden, was ihm wichtig ist und welche Leistungen er in Anspruch nehmen möchte. Diesen Handlungsspielraum müssen wir ihm geben und dies bei den individuell vereinbarten Konditionen und Gebühren berücksichtigen.


DAZ: Ein Kritikpunkt, der beim Thema Großhandel von Apotheken immer wieder geäußert wird, ist die Transparenz der Rechnungen. Für wie transparent halten Sie denn die Rechnungen der Sanacorp?

Lang: Wir kennen den allgemeinen Vorwurf der mangelnden Transparenz. Ich kann ihn nachvollziehen, auch wenn er meiner Meinung nach in die falsche Richtung zielt. Unsere Rechnungen sind nicht intransparent, sondern komplex. Und diese Komplexität resultiert aus den Anforderungen unserer Kunden. Die heutige Sanacorp-Rechnung wurde von einer Arbeitsgruppe entwickelt, in der auch zahlreiche Apotheker saßen. Sie wurde mit der Zeit immer komplexer – zum einen durch das Kooperationsgeschäft, aber auch durch Sonderüberweiserkonditionen, das Aktiv-Sortiment und vieles mehr. Wir haben nun erneut eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die eine neue Version der Rechnungen erarbeiten soll. Wir werden im Lauf dieses Prozesses sicherlich einiges vereinfachen können. Aber eine Rechnung mit lediglich zwei Zahlen, also einen Rabatt auf Rx und einen auf Non-Rx, wird es wohl nie mehr geben können. Dafür sind die vielfältigen Möglichkeiten, die eigenen Konditionen zu optimieren, einfach zu komplex.


DAZ: Immer mehr Apotheken geht es zunehmend schlechter. Derzeit schließen durchschnittlich sechs Apotheken pro Woche. Haben Sie schon Zahlungsausfälle zu verzeichnen? Was kommt bei Ihnen an?

Lang: In der Tat, die Liquidität der Apotheken verschlechtert sich teilweise. Das liegt auch daran, dass die Banken restriktiver geworden sind. Deshalb wird das Risiko auch zunehmend von den Banken auf die Großhandlungen verlagert. Der Druck, mit unserer Hilfe Rationalisierungsreserven zu heben, nimmt deutlich zu.


DAZ: Nehmen Insolvenzen zu?

Lang: In einem gewissen Umfang ist das so. Wir werden immer mal wieder mit Forderungsausfällen konfrontiert, weil eine Apotheke in die Insolvenz gegangen ist. Noch sind das Einzelfälle. Dabei spielt die Größe der Apotheke keine Rolle, große Apotheken sind genauso betroffen wie kleine. Ein Großhändler steht hier nun mal in der Finanzierungskette an letzter Stelle, daher trifft es dann uns.


DAZ: Wie sehen Sie die Zukunft des Pharmagroßhandels in Deutschland? Rechnen Sie in den nächsten Jahren mit einer weiteren Oligopolisierung?

Lang: Der permanente Druck, Kosten zu reduzieren und Rationalisierungsmaßnahmen umzusetzen, lässt sich mit größeren Einheiten besser auffangen. Auch das Kooperationsgeschäft, wenn man es effektiv ausüben will, und ein günstiger Einkauf bei der Industrie verlangen eine bestimmte Größe.


Mit dem Blistersystem MDS Singular bietet die Sanacorp ihren Apotheken ein System an, bei dem die Originalpräparate nicht entblistert, sondern maschinell zerschnitten werden und so in einen neuen 28-Tage-Blister eingebracht werden. Foto: Sanacorp

DAZ: Und wie steht es um die Zukunft der Sanacorp? Womit wollen Sie die Sanacorp zukunftssicher machen?

Lang: Die Entwicklung der Sanacorp orientiert sich immer entlang unseres Kerngeschäfts. Und das ist die schnelle, sichere und kostengünstige Belieferung von Apotheken mit Arzneimitteln. Dabei stehen die Bedürfnisse unserer Kunden an erster Stelle. Um sie im Wettbewerb zu stärken, sind wir beispielsweise dabei, das Thema Kooperationen noch breiter als bisher aufzustellen. Außerdem wollen wir ihnen sinnvolle und innovative Dienstleistungen anbieten. Ein gutes Beispiel ist hier das neue Blistersystem MDS Singular, das wir exklusiv auf den Markt gebracht haben. Damit können Apotheken ihren Heimen vor Ort eine Verblisterung von Medikamenten anbieten, ohne sich von Blisterzentren abhängig zu machen. Wir eröffnen ihnen also einen attraktiven Markt. Das System ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: Bei MDS Singular werden die Tabletten nicht entblistert, sondern die Original-Blister werden in der Apotheke maschinell zerschnitten und in einen 28-Tage-Blister neu eingebracht. Die Originalfolie bleibt also erhalten. So gibt es auch keine Probleme mit möglichen Kreuzkontaminationen.


DAZ: Wagen wir noch einen Blick ins Jahr 2025: Wo wird die Apotheke dann stehen?

Lang: Die Apotheke wird in Deutschland weiter bestehen, daran gibt es keinen Zweifel. Unsere Aufgabe als Sanacorp ist es, dazu beizutragen, dass diese Apotheke weiterhin inhabergeführt ist. Die größten Risiken drohen derzeit eindeutig vonseiten der Politik und den Krankenkassen. Man muss nur sehen, was derzeit mit den Grippeimpfstoffen passiert: Das ist unglaublich! Mit solchen Aktionen wird die Versorgungssicherheit in Deutschland massiv gefährdet.


DAZ: Herr Dr. Lang, vielen Dank für das Gespräch.



DAZ 2012, Nr. 41, S. 36

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