Deutscher Apothekertag 2012

Blendend

Benjamin Wessinger

Es war eine geschmeidige Rede eines smarten Gesundheitsministers. Dramaturgisch wohldurchdacht, frei gehalten, auf Zwischenrufe eingehend – ein Lehrstück, wie man mit einem nicht unbedingt wohlgesonnenen Publikum umgeht und aufkommendem Unmut von Anfang den Wind aus den Segeln nimmt.

Bahr betonte, wie gut es den deutschen Apotheken im europäischen Vergleich doch gehe – vor allem, wenn man das deutsche System mit dem in Ländern wie Griechenland oder Italien vergleicht. Er baute geschickt die Drohkulisse Fremdbesitz auf - auch wenn dieses Thema gegenwärtig Gott sei Dank eigentlich nicht aktuell ist. Vor diesem Hintergrund strahlten dann die "Wohltaten" der schwarz-gelben Regierung für die Apotheker umso heller.

Ganz unrecht hat Bahr ja gar nicht mit seiner Aussage, etwas für die Apotheken getan zu haben: Die Honorierung wird erstmals seit 2003 erhöht, die Boni für ausländische Versandapotheken sind verboten worden, die neue Apothekenbetriebsordnung wurde in vielen Punkten nach den Wünschen der Apotheker nachgebessert, Apothekenketten und Fremdbesitz strebt die jetzige Regierung nicht an.

Und doch ist eben nicht alles so glänzend für die Apotheken gelaufen, wie Bahr weismachen wollte.

Ja, die Honorierung wird angepackt, und endlich wird mit der Notdienstpauschale eine Strukturkomponente, die besonders belastete Apotheken stützt, eingeführt. Aber bei der Herstellung von Rezepturen und bei der Versorgung mit Betäubungsmitteln sind die Zuschläge weiterhin Lichtjahre von der Kostendeckung entfernt.

Ja, die Regierung hat die Boni für ausländische Versandapotheken abgeschafft und damit für die von Ulla Schmidt immer nur versprochenen "gleich langen Spieße" gesorgt. Aber es stimmt eben auch, dass unabhängig davon kurz zuvor der Gemeinsame Senat des Bundessozialgerichts die Boni sowieso schon für rechtswidrig erklärt hatte.

Ja, Bahr ist glaubwürdig, wenn er sagt, dass eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots mit ihm nicht zu machen sei. Aber auch hier kam die "Rettung" für die Apotheken doch eher von einem Gericht, diesmal dem Europäischen Gerichtshof, als aus dem Bundesgesundheitsministerium.

So gelang es Daniel Bahr sehr geschickt, die Sympathie der Anwesenden zu gewinnen und von den Punkten abzulenken, in denen seine Bilanz nicht so glänzend aussieht. Das unsägliche Theater um die Pick-up-Stellen etwa, wo Bahr erstaunlich schnell vor recht dünnen Argumenten (die dann auch noch aus dem ebenfalls FDP-geführten Justizministerium stammten) eingeknickt ist. Oder den Regelungen der Apothekenbetriebsordnung, die eine wirtschaftliche Defekturherstellung in den meisten Apotheken zumindest sehr erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen.

Für mich persönlich die wichtigste Aussage seiner Rede war dann auch, dass er die gesetzlichen Krankenkassen aufforderte, zu einem partnerschaftlichen Miteinander in der Selbstverwaltung zurückzukehren. Bleibt zu hoffen, dass die sich in den anstehenden Verhandlungen um den Abschlag an diese Aufforderung des Ministers halten.


Benjamin Wessinger



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DAZ 2012, Nr. 42, S. 45

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