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Im Übergang
Es war ein Apothekertag des Übergangs. Der ABDA-Präsident erklärte, dass er bei den anstehenden Wahlen nicht mehr antritt. Zwar gab Friedemann Schmidt, bisher Wolfs Vize, unverzüglich in einem Interview mit DAZ.online seine Kandidatur für das Präsidentenamt bekannt. Aber da die straff durchgeplante Apothekertagschoreografie keinen Platz für Improvisationen lässt, gab es keine große Rede von Schmidt, in der er seine Kandidatur erklären konnte. Und so gab es eben keine Vorstellung seiner Ziele, Pläne und Visionen.
So blieb der Apothekertag in der Schwebe zwischen dem scheidenden Präsidenten, der keine inhaltlichen Akzente mehr setzte, und dem erwarteten neuen, der keine Zugkraft entfalten konnte. Schon dieser unbefriedigende Umstand alleine spräche dafür, den Präsidenten in Zukunft von der Hauptversammlung der Apothekerinnen und Apotheker wählen zu lassen. Welche Dynamik hätte sich entwickeln können, wenn nach Wolfs Lagebericht, der zu einer Bilanz seiner Amtszeit geriet, den Kandidaten die Gelegenheit gegeben worden wäre, ihre Ideen und Ziele vorzustellen und mit den Delegierten zu diskutieren. Und der neu gewählte Präsident hätte sich am Samstag einer Reihe wichtiger Gesundheitspolitiker vorstellen können und wäre mit ihnen ins Gespräch gekommen.
Der Bundesgesundheitsminister ist in einer ganz ähnlichen Lage wie der ABDA-Präsident, auch ihm stehen Wahlen bevor. Anders als Wolf würde Bahr zwar gerne eine weitere Amtszeit absolvieren, doch steht in den Sternen, ob sie ihm vergönnt sein wird (neueste Umfragen sehen die FDP bei nur noch 4 Prozent). Und so sind auch von Daniel Bahr keine langfristigen, großen Projekte mehr zu erwarten. Tiefgreifende Veränderungen im Apothekenwesen stehen in nächster Zeit wohl nicht an. Das trägt zwar zur von Wolf konstatierten Stabilität der Strukturen bei, und ein bisschen Ruhe wenigstens an dieser Front kann die gebeutelte Apothekerschaft sicher gut gebrauchen. Aber der Blick nach vorne, Visionen, Pläne und Ziele fehlten auch hier.
Übergang auch bei der Frage der Honorierung: Die Erhöhung um 25 Cent ist vom Kabinett verabschiedet, hier tut sich kurzfristig nichts mehr. Auch die Notdienstpauschale scheint beschlossene Sache zu sein, es geht nur noch um die konkrete Ausgestaltung. Damit ist das große Thema des letzten Apothekertags, die Anpassung der Honorierung, erstmal vom Tisch und die mit großem Elan gestarteten Protestdemonstrationen sind schon wieder beendet, bevor sie bundesweit so richtig losgingen. Die Berufsvertretung konzentriert sich jetzt voll auf die Verhandlungen über die zukünftige Höhe des Kassenabschlags. Auch hier hängt man irgendwie in der Luft, das große Ziel Honoraranpassung wurde durch das mühsame Ringen um Details abgelöst.
Nicht einmal die angekündigten Proteste der Basis prägten den Apothekertag so stark wie erwartet. Zwar war die Unzufriedenheit mit der Arbeit und den Ergebnissen der ABDA fast mit den Händen zu fassen. Und die Anträge einer Gruppe von Apothekern um Ann-Katrin Kossendey, die mit ihren Videos auf Youtube berühmt wurde, hatten nichts weniger zum Ziel als eine neue ABDA mit anderen Strukturen und einer anderen Arbeitsweise. Aber die Delegierten konnten sich (noch?) nicht dazu durchringen, diese Änderungen wirklich anzustoßen. Und so erscheint auch die ABDA als Organisation im Übergang, die zwar irgendwie offener und transparenter werden und die die jungen, bisher nicht in den Kammer- und Verbandsstrukturen etablierten Kollegen mitnehmen will, auf der anderen Seite jedoch in den heutigen Strukturen verhaftet bleibt.
Wünschen wir dem kommenden ABDA-Präsidenten viel Erfolg bei der Gestaltung dieses Übergangs. Denn eine Öffnung der Berufsvertretung, mehr Transparenz und ja, auch mehr Demokratie braucht die ABDA, um dem Anspruch, die Vertretung aller Apothekerinnen und Apotheker zu sein, in Zukunft genügen zu können. Dann könnte die Apothekerschaft vielleicht auch wieder eigene Ideen entwickeln, wie die Zukunft der Apotheke aussehen soll und nicht nur auf Änderungspläne von außen reagieren, die – oft genug zu Recht – als Angriff auf die Apotheke wahrgenommen werden.
Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur
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