Arzneimittel und Therapie

Hilfe bei Dabigatran-assoziierten Blutungen

Mit Gerinnungstests die Wirkung kontrollieren

Für die neuen oralen Antikoagulanzien wie Dabigatran (Pradaxa®) steht bisher kein spezifisches und schnell wirkendes Antidot zur Verfügung. Bei geplanten Operationen ist das kein Problem, hier sollte es 24 Stunden zuvor abgesetzt werden. Bei Notfällen dagegen kann die antikoagulierende Wirkung bisher nicht aufgehoben werden. Das BfArM hat nun Hinweise und Empfehlungen für die Therapie von Blutungen und das perioperative Management veröffentlicht.

in Notfällen ist die Wirkung der neuen oralen Antikoagulanzien nicht aufhebbar. Lässt sich ein lebensrettender Eingriff nicht verschieben, muss mit einem Hämostaseologen oder erfahrenen Hämatologen bezüglich weiterer Maßnahmen beraten werden, um Blutungenvor und während der Operation zu kontrollieren. Foto: Bergringfoto – Fotolia.com

Dabigatran ist ein kompetitiver, reversibler direkter Thrombin-Hemmer mit einer Halbwertszeit von 12 bis 14 Stunden. Da Dabigatran primär über die Nieren ausgeschieden wird, kann sich bei einer Störung der Nierenfunktion die Halbwertszeit verlängern. Die antikoagulierende Wirkung kann weder durch die Gabe von Vitamin K, Prothrombinkomplexfaktoren-Konzentraten oder gefrorenem Frischplasma aufgehoben werden. Tritt unter Dabigatran eine Blutung auf, sollte sie – je nach Schwere der Blutung – unter Kontrolle gebracht (lokale blutungsstillende Maßnahmen wie mechanische Kompressen) und die Zirkulation durch allgemeine Maßnahmen (Ersatz von Flüssigkeitsverlust, Transfusion von Blutprodukten) gestützt werden. Bei einer lebensbedrohlichen Blutung kann versucht werden, die gerinnungshemmende Wirkung aufzuheben, zum Beispiel durch die orale Gabe von Aktivkohle, wenn Dabigatran vor weniger als zwei Stunden genommen wurde.

Während der Behandlung mit Dabigatran sind in der Regel keine routinemäßigen Verlaufskontrollen der Wirkspiegel erforderlich. Eine Verlaufskontrolle kann erforderlich werden bei Nierenfunktionsstörungen, dem Auftreten von Blutungen oder wenn eine Therapie mit Arzneistoffen, bei denen mit Arzneimittelwechselwirkungen gerechnet werden muss, nicht beendet werden kann. Dazu zählt eine Therapie mit P-Glykoproteinhemmern (Amiodaron, Verapamil, Chinidin, Ketoconazol, Clarithromycin) oder P-Glykoproteininduktoren (Rifampicin, Carbamazepin, Phenytoin).

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Dabigatran-Hersteller Boehringer Ingelheim forscht intensiv an einer Möglichkeit, den gerinnungshemmenden Effekt von Dabigatran sicher und schnell aufzuheben. Auf dem aktuellen Kongress der American Heart Association wurden die Daten einer präklinischen Studie mit einem humanisierten, monoklonalen Antikörperfragment vorgestellt, das eine sehr hohe Bindungsaffinität und Spezifität für Dabigatran besitzt. Es reduzierte dosisabhängig den Blutverlust, der im Experiment nach Dabigatran-Vorbehandlung herbeigeführt wurde. Die Wirkung hielt nach Injektion bis zu sechs Stunden an. Jetzt startet Boehringer eine Phase-I-Studie mit dem Antikörperfragment.

Das BfArM weist darauf hin, dass es zwar Testsysteme gibt, mit denen die antikoagulatorische Wirkung von Dabigatran gemessen werden kann, die Praxistauglichkeit sei aber noch nicht hinreichend untersucht. Prothrombinzeit und INR-Wert sind relativ unempfindlich für Dabigatran und reagieren nur bei sehr hohen Konzentrationen mit einer Verminderung des INR-Werts etwa auf 2,0. Zudem unterscheiden sich die verfügbaren Testverfahren zur Messung des INR hinsichtlich der Empfindlichkeit der eingesetzten Reagenzien für Dabigatran. Daher sollte im Einzelfall mit dem lokalen Gerinnungslabor Rücksprache gehalten werden. Um die Wirkung bzw. den Wirkspiegel von Dabigatran besser beurteilen zu können, steht eine Reihe von Gerinnungstests zur Verfügung: aktivierte partielle Thromboplastinzeit, Thrombinzeit, adaptierte Thrombinzeit (Hemoclot®-Test), Ecarin Clotting Time (ECT) oder Thrombinneutralisationstests. Da diese Tests alle Vor- und Nachteile haben, rät das BfArM, für die Interpretation der Ergebnisse und die Behandlung bedrohlicher Blutungen einen Hämostaseologen oder Hämatologen hinzuzuziehen.


Quelle

Blutungen unter Pradaxa® (Dabigatran), Mitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 12. November 2012.

Fachinformation Pradaxa®, Stand August 2012.


ck



DAZ 2012, Nr. 46, S. 40

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