Gesundheitspolitik

Den Tag zur Nacht gemacht?

Dr. Benjamin Wessinger, DAZ-Chefredakteur

Schon erstaunlich, wie sich persönliche Beobachtung und offizielle Meldungen unterscheiden: 70 Prozent der Hamburger Apotheken hätten sich am Streik beteiligt, meldet die Apothekerkammer Hamburg. Es hätten nur sehr wenige Kollegen mitgemacht, die Aktion sei ein völliger Flop gewesen, berichtet dagegen ein Hamburger Apotheker – was stimmt denn nun?

Es gab wohl ein Stadt-Land-Gefälle mit großer bis sehr großer Beteiligung in ländlichen Gebieten und auch in mancher (kleineren) Stadt, während in den Großstädten zumindest im Innenstadtbereich relativ viele Apotheken geöffnet blieben. Von einem Flop kann also keine Rede sein, der überragende Erfolg war die Aktion aber sicher auch nicht.

Ein relativer Erfolg also. Und das, obwohl die Aktion ja nicht unumstritten war: zu halbherzig, zu kurz, schlecht vorbereitet, zur falschen Uhrzeit – das waren einige der Kritikpunkte. Dem hielten die Befürworter entgegen, dass ein bundesweites Zeichen wichtig sei, dass der 28. Februar eine Möglichkeit bot, Einigkeit zu demonstrieren und "Kampagnenfähigkeit" zu zeigen.

Wenn sich einzelne Apotheker nun nach der Aktion beschweren, die Kunden hätten den Sinn nicht verstanden, seien an der geschlossenen Apotheke vorbeigegangen – auf die Idee, sich mit einem Aufsteller vor die Apotheke zu stellen, anstatt sich hinter der Notdienstklappe zu verschanzen, hätte man schon kommen können.

Aber eigentlich ist die Teilnehmerzahl auch nicht so wichtig. Was alleine zählt in unserer "Mediendemokratie" ist, ob über die Aktion und damit über das Anliegen der Apothekerschaft breit berichtet wurde. Legt man diesen Maßstab an, kann man auch hier von einem Erfolg sprechen. Zwar haben die überregionalen und auch die großen regionalen Zeitungen, Radio- und Fernsehsender diesmal – anders als bei den Protestaktionen im letzten Herbst – nur sehr kurz oder überhaupt nicht über den Protest berichtet. Aber die regionalen und lokalen Zeitungen haben den "Klappendienst" durchaus wahrgenommen und auch über die Problematik der Notdienstvergütung berichtet. Und Lokalzeitungen haben eine treue Leserschaft! Für die Wahrnehmung in der Berliner Politik wäre aber natürlich ein großer Artikel in der Zeitung mit den vier Buchstaben besser gewesen.

Bleibt als Fazit: Die Apotheker haben gezeigt, dass sie sich nicht alles gefallen lassen – hoffentlich kommt die Botschaft an!


Benjamin Wessinger



AZ 2013, Nr. 10, S. 1

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